Zahl mir lieber Geld, Renovierung brauche ich nicht mehr" -- geht das?

BGH, Urteil vom 12.02.2014, XII ZR 76/13 = NZM 2014, 270 ff. sowie Urteil vom 12.03.2014, XII ZR 108/3 = NJW 2014, 1444 ff.

von Life and Law am 01.08.2014

+++ Ausgleichsanspruch des Vermieters für Schönheitsreparaturen, die wegen geplanter Umbaumaßnahmen überflüssig werden +++ Summierungseffekt bei Verpflichtung zur Schönheitsreparatur sowie Übergabe in „bezugsfertigem Zustand" +++ §§ 535, 307, 133, 157 BGB +++

Sachverhalt (abgewandelt): V und M schlossen einen Mietvertrag über Gewerberäume. Im Formularmietvertrag war u.a. Folgendes vereinbart:

§ 7 Instandhaltung

Der Mieter ist verpflichtet, die Schönheitsreparaturen in einem angemessen Turnus durchzuführen. Im Hinblick auf das Gewerbe des Mieters gehen die Parteien davon aus, dass alle drei Jahre Renovierungsbedürftigkeit eintreten kann.

§ 12 Beendigung des Mietvertrags

Bei Beendigung des Mietverhältnisses ist das Mietobjekt in bezugsfertigem Zustand und mit sämtlichen Schlüsseln zurückzugeben."

Das Mietverhältnis endete aufgrund einer von M erklärten Kündigung zum 31. Oktober 2009. Mit Schreiben vom 25. September 2009 teilte V dem M mit, dass er im Zuge einer beabsichtigten Neuvermietung des Objekts umfangreiche Umbau- und Renovierungsarbeiten durchführen wolle. Er forderte daher anstelle der Durchführung der Schönheitsreparaturen die Zahlung eines Ausgleichsbetrags.

M räumte nach Beendigung des Mietverhältnisses die Räume ohne Durchführung von Renovierungsarbeiten. Zu einem Umbau durch V kam es in der Folge nicht mehr. Er veräußerte die Räumlichkeiten vielmehr an den D.

Kann V von M Zahlung eines (rechnerisch angemessenen) Ausgleichsbetrages für die Nichtvornahme der Schönheitsreparaturen verlangen?

A) Sounds

1. Wird in einem Formularmietvertrag über gewerblich genutzte Räume der Mieter neben der bedarfsabhängigen Vornahme von Schönheitsreparaturen auch dazu verpflichtet, die Räume bei Beendigung des Mietverhältnisses in einem „bezugsfertigen Zu-stand" zurückzugeben, ergibt sich daraus kein Summierungseffekt, der zur Unwirsam-keit beider Klauseln führt.

2. Anstelle der Verpflichtung, vertraglich geschuldete Schönheitsreparaturen durchzuführen, kann sich aus ergänzender Vertragsauslegung ein Anspruch darauf ergeben, dem Vermieter einen Ausgleichsbetrag zu zahlen, wenn die Vornahme der Schönheitsreparaturen vor dem Hintergrund durchzuführender Umbaumaßnahmen keinen Sinn mehr ergibt.

3. Ein solcher Anspruch setzt allerdings voraus, dass die Mieträume nach Beendigung des Mietverhältnisses tatsächlich umgebaut werden.

B) Problemaufriss

Die nachfolgende Besprechung kombiniert zwei BGH-Entscheidungen miteinander. Zum einen geht es um die Frage, ob die gewählte Regelung zur Vornahme von Renovierungsarbeiten wirksam ist. Hier wird deutlich, dass diese Frage stark einzelfallbezogen zu beantworten ist, und zwar stets in Abhängigkeit von der konkret gewählten Formulierung.

In der zweiten Entscheidung geht es um die Frage, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen anstelle der Durchführung der Schönheitsreparaturen die Zahlung eines Ausgleichsanspruchs verlangt werden kann. In der Regel finden sich dazu im Mietvertrag keine ausdrücklichen Bestimmungen, sodass sich zunächst einmal die Frage stellt, woraus sich ein entsprechender Anspruch ableiten lässt. Hier operiert der BGH mit einer ergänzenden Vertragsauslegung. Die Voraussetzungen dafür, auf diesem Wege zu einer Anspruchsgrundlage zu kommen, werden in der vorliegenden Entscheidung konkretisiert.

C) Lösung

Zu prüfen ist, ob V gegenüber M ein Anspruch auf Zahlung eines Ausgleichsbetrags für die nicht durchgeführten Schönheitsreparaturen zusteht.

I. Anspruch aus Vertrag

Ein Ausgleichsanspruch des V gegen M könnte sich aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Gewerberaummietvertrag ergeben.

Problematisch ist allerdings, dass es an einer ausdrücklichen Regelung dazu fehlt, ob unter bestimmten Voraussetzungen anstelle der Durchführung der Schönheitsreparaturen die Zahlung eines Ausgleichsbetrags verlangt werden kann.

Auch in den §§ 535 ff. BGB findet sich zu dieser Frage keine Regelung.

Möglicherweise ergibt sich ein entsprechender Anspruch jedoch aus den Grundsätzen über die ergänzende Vertragsauslegung.

Anmerkung: Achten Sie in diesem Zusammenhang auf die richtige Reihenfolge bei der Prüfung. Ein Bedürfnis für die Prüfung der ergänzenden Vertragsauslegung besteht dann nicht, wenn die Parteien eine ausdrückliche Regelung getroffen haben (dann schon keine Lücke im Vertrag) oder wenn der Gesetzgeber beim betroffenen Vertragstyp selbst eine Regelung vorgenommen hat. Kommen Sie zu den Grundsätzen der ergänzenden Vertragsauslegung, sollten Sie diese in der Klausur zunächst erläutern, um dann zu prüfen, ob sie im konkret zu beurteilenden Fall auch greifen.

1. Grundsätze der ergänzenden Vertragsauslegung

Voraussetzung einer ergänzenden Vertragsauslegung ist das Bestehen einer Regelungslücke, also einer planwidrigen Unvollständigkeit der Bestimmungen des Rechtsgeschäfts, die nicht durch die Heranziehung von Vorschriften des dispositiven Rechts sachgerecht geschlossen werden kann. Allein der Umstand, dass ein Vertrag für eine bestimmte Fallgestaltung keine Regelung enthält, besagt aber nicht, dass es sich um eine planwidrige Unvollständigkeit handelt. Von einer planwidrigen Unvollständigkeit kann nur gesprochen werden, wenn der Vertrag eine Bestimmung vermissen lässt, die erforderlich ist, um den ihm zugrunde liegenden Regelungsplan der Parteien zu verwirklichen, mithin ohne Vervollständigung des Vertrags eine angemessene, interessengerechte Lösung nicht zu erzielen wäre.

Die ergänzende Vertragsauslegung muss sich als zwingende selbstverständliche Folge aus dem Gesamtzusammenhang des Vereinbarten ergeben, sodass ohne die vorgenommene Ergänzung das Ergebnis in offenbarem Widerspruch mit dem nach dem Inhalt des Vertrags tatsächlich Vereinbarten stehen würde. Zudem darf die ergänzende Vertragsauslegung nicht zu einer wesentlichen Erweiterung des Vertragsinhalts führen.1

2. Voraussetzungen im vorliegenden Fall gegeben?

Fraglich ist, ob sich, gemessen an diesen Voraussetzungen für den vorliegenden Fall, ein Anspruch auf Zahlung eines Ausgleichsbetrags für nicht durchgeführte Schönheitsreparaturen ergeben kann.

a) Schönheitsreparaturen überhaupt geschuldet? Wirksamkeit der gewählten Klausel

Grundvoraussetzung dafür wäre zunächst, dass M die Durchführung der Schönheitsreparaturen überhaupt schuldete. Wäre schon dies nicht der Fall, kann es denknotwendig auch keinen Ausgleichsanspruch geben.

aa) Grundsatz: Vermieter schuldet Vornahme, § 535 I S. 2 BGB

Grundsätzlich ist es die Aufgabe des Vermieters, die Mietsache während der Dauer des Mietverhältnisses im vertragsgemäßen Zustand zu erhalten; die Vornahme der Schönheitsreparaturen gehört zur Instandhaltungspflicht gem. § 535 I S. 2 BGB.

Möglicherweise wurde die Pflicht zur Durchführung der Schönheitsreparaturen aber vertraglich wirksam auf M übertragen.2

bb) Übertragung auf Mieter grundsätzlich möglich

Nach der Rechtsprechung des BGH bestehen keine Bedenken dagegen, in einem Formularmietvertrag die Verpflichtung zur Durchführung von Schönheitsreparaturen auf den Mieter zu übertragen. Insoweit handelt es sich um eine in der Praxis langjährige Übung, die bereits allgemeine Verkehrssitte geworden ist. Begründet werden kann diese Übung damit, dass der Mieter von der Übertragung in Form niedrigerer Mietzahlungen profitiert.

Anmerkung: Mitunter findet man sogar Formulierungen, nach denen der Mieter ein schutzwürdiges Interesse daran habe, die Schönheitsreparaturen durchführen zu dürfen*.* Würde der Vermieter mit der Durchführung belastet, erfolgte die Ausführung selbst wohl durch vom Vermieter beauftragte Fachbetriebe. Die damit verbundenen (immensen) Kosten würden in Form erhöhter Mietzahlungen auf den Mieter abgewälzt werden. Daraus resultiert dann spiegelbildlich das Interesse des Mieters an einer eigenen Durchführung, weil er dies in Person -- und damit kostengünstiger -- erledigen kann. Im Rahmen des Gewerberaummietrechts dürfte dieser Gedanke nicht wirklich greifen, weil hier -- allein schon aufgrund der steuerlichen Absetzbarkeit entsprechender Rechnungsbeträge -- ein Mieter wohl kaum selbst „den Pinsel schwingen" würde.

cc) Grenze: §§ 307 ff. BGB

Die grundsätzlich zulässige Änderung dispositiver gesetzlicher Regelungen durch Allgemeine Geschäftsbedingungen findet ihre Grenze in den Vorschriften der §§ 305 ff. BGB. Zwar sind die Klauselverbote der §§ 308 und 309 BGB gem. § 310 I S. 1 BGB nicht anwendbar, wenn sie im Rahmen eines gewerblichen Mietvertrags gegenüber einem Unternehmer (§ 13 BGB) verwendet werden. Auch in solchen Fällen kann die Inhaltskontrolle nach § 307 BGB allerdings zur Unwirksamkeit einer Allgemeinen Geschäftsbedingung führen, insbesondere, wenn sich die Regelung noch weiter als im Rahmen der mietrechtlichen Praxis erforderlich vom gesetzlichen Leitbild entfernt und zu einer unangemessenen Verschärfung der vertraglichen Verpflichtungen zu Lasten des Mieters führt.3

Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) sind nach § 307 I S. 1 BGB unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Nach § 307 II Nr. 1 BGB ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist.

unwirksam insbesondere: starrer Fristenplan

Gemessen daran hat der BGH u.a. AGB, mit denen Schönheitsreparaturen nach einem „starren" Fristenplan auf den Mieter übertragen werden, für unwirksam erachtet, weil sie den Mieter mit Renovierungspflichten belasten, die über den tatsächlichen Renovierungsbedarf hinausgehen und dem Mieter eine höhere Instandhaltungsverpflichtung auferlegen, als sie den Vermieter selbst (gem. § 535 I S. 2 BGB) ohne eine solche vertragliche Klausel treffen würde.4 Ausnahmen gelten nur für solche AGB, die eine Renovierung innerhalb bestimmter Fristen zwar für den Regelfall vorsehen, diese aber vom tatsächlichen Erhaltungszustand der Räume abhängig machen.5 Knüpft die Klausel die Renovierungspflicht des Mieters dagegen allein an feste zeitliche Grenzen und führt die Auslegung der AGB dazu, dass der Erhaltungszustand für die Verpflichtung keine Rolle spielt, führt dies regelmäßig zur Unwirksamkeit der Klausel.6

Das gilt auch für den Bereich der Gewerberaummiete.7

hier jedoch hinreichend flexibel

Fraglich ist, ob die vorliegende Klausel diesen Anforderungen standhält. Dies ist stets an der konkret gewählten Formulierung festzumachen. Entscheidend ist, wie ein verständiger Leser die Klausel auffassen würde. Nach § 7 des Mietvertrags zwischen V und M ist M zwar zu einer regelmäßigen Renovierung der Mieträume verpflichtet. Dabei wird die Durchführung aber von einem tatsächlich vorhandenen Bedarf abhängig gemacht. Die Regelung in § 7 S. 2 des Mietvertrags, wonach die Parteien im Hinblick auf das Gewerbe des Mieters davon ausgehen, dass alle drei Jahre Renovierungsbedarf eintreten kann, ist nicht als zwingende Fristenregelung zu verstehen, weil sich aus dem Zusammenhang mit § 7 S. 1 die Abhängigkeit vom tatsächlichen Abnutzungsgrad hinreichend ergibt.

Unwirksamkeit wegen Summierungseffekt?

Selbst eine isoliert betrachtet wirksame Schönheitsreparaturklausel kann jedoch dadurch unwirksam werden, dass sie mit einer Endrenovierungsklausel kombiniert wird, nach der unabhängig von der Vornahme der letzten turnusmäßigen Schönheitsreparaturen eine Verpflichtung normiert wird, entsprechende Arbeiten bei Auszug vornehmen zu müssen (sog. Summierungseffekt).

Denn eine solche Kombination entfernt sich noch weiter vom gesetzlichen Leitbild als dies bei einer isolierten Schönheitsreparaturklausel der Fall ist.8 Der Mieter muss in diesen Fällen eine Endrenovierung vornehmen unabhängig davon, wann die letzte Schönheitsreparatur erfolgt ist und ob ein Bedarf hierfür besteht. Dies ist mit § 307 BGB nicht mehr vereinbar und hat zur Folge, dass sowohl die Endrenovierungsklausel als auch die Klausel, die die Übertragung der Schönheitsreparaturen auf den Mieter regelt, unwirksam sind.9

Anmerkung: Das ist der entscheidende Punkt. Der BGH lässt also nicht nur die Endrenovierungsklausel entfallen, sondern auch die Schönheitsreparaturklausel als solche, sodass weder während noch bei Beendigung des Mietverhältnisses Arbeiten vom Mieter zu verrichten sind. Konsequenz für den vorliegenden Fall wäre dann die, dass denknotwendig auch ein Ausgleichsanspruch in Geld entfallen müsste.

Die Folge der Unwirksamkeit beider Klauselbestandteile ergibt sich letztlich aus dem Verbot der geltungserhaltenden Reduktion. Zwar sind die Klauseln getrennt, allerdings ginge der Vermieter mit einer unzulässigen Endrenovierungsklausel letztlich kein Risiko ein, würde nur diese an § 307 BGB scheitern.

Fraglich ist daher, ob es sich bei § 12 des Mietvertrags um eine solche unzulässige Endrenovierungsklausel handelt oder nicht.

Gem. § 12 des Mietvertrags hat M die Räume in „bezugsfertigem Zustand" zurückzugewähren. Fraglich ist, ob damit zum Ausdruck kommt, dass eine Renovierung unabhängig von der Vornahme der letzten Schönheitsreparaturen stattzufinden hat.

Allein vom Wortsinn beinhaltet das Wort „bezugsfertig" jedoch nicht zwingend eine Renovierungspflicht. Ausreichend ist vielmehr, wenn der Mieter die Mieträume in einem Erhaltungszustand zurückgibt, der es dem Vermieter ermöglicht, einem neuen Mieter die Räume in einem bezugsgeeigneten und vertragsgemäßen Zustand zu überlassen. Das erfordert aber nicht zwingend eine Renovierung.

Nur wenn die Räume diesen Anforderungen nicht genügen, etwa weil der Mieter während der Mietzeit keine Schönheitsreparaturen durchgeführt hat, die letzten Schönheitsreparaturen lange zurückliegen oder sich die Mieträume aufgrund übermäßig starker Abnutzung trotz durchgeführter Schönheitsreparaturen nicht in einem zur Weitervermietung geeigneten Zustand befinden, hat der Mieter bei seinem Auszug Renovierungsarbeiten zu erbringen. Dies folgt jedoch bereits aus der Verpflichtung des Mieters, Schönheitsreparaturen durchzuführen, wenn es der Erhaltungszustand der Mieträume erfordert. Eine zusätzliche Belastung erfährt der Mieter durch die Regelung, die Mieträume in bezugsfertigem Zustand zurückzugeben, damit nicht.

Zwischenergebnis zu

a) § 7 des Mietvertrags beinhaltet eine wirksame AGB, sodass M zur Durchführung der Schönheitsreparaturen verpflichtet war. In der Folge ist zu prüfen, ob sich über die Grundsätze der ergänzenden Vertragsauslegung eine Verpflichtung konstruieren lässt, anstelle der Durchführung einen Ausgleichsbetrag zahlen zu müssen.

b) BGH: bei Umbau durch Vermieter nach Ende des Mietvertrags Anspruch grds. (+)

In der Vergangenheit hat der BGH einen entsprechenden Anspruch bereits für den Fall hergeleitet, in dem die Durchführung der Schönheitsreparaturen dadurch sinnlos wurde, dass der Vermieter nach Auszug des Mieters einen Umbau vorgenommen hat.

Eine Abwägung der beiderseitigen Interessen führt dazu, einen derartigen Anspruch zu gewähren. Hätten die Parteien die Problematik bei Vertragsschluss bedacht, wäre unter Berücksichtigung der Verkehrssitte (§§ 133, 157 BGB) und unter Beachtung der Gebote von Treu und Glauben (§ 242 BGB) eine Regelung sachgerecht gewesen, nach welcher der Mieter zur Zahlung eines Ausgleichsbetrags verpflichtet worden wäre.

Für den Vermieter wäre die Durchführung der Arbeiten wirtschaftlich sinnlos. Andererseits wäre aber eine kompensationslose Befreiung des Mieters von dieser vertraglichen Verpflichtung unbillig, da die Übertragung der Schönheitsreparaturen auf ihn bei der Kalkulation der Miete berücksichtigt worden ist und daher einen Teil der vom Mieter für die Gebrauchsüberlassung zu erbringenden Gegenleistung darstellt.10

Dagegen könnte man allerdings anführen, dass das Risiko der Verwendbarkeit einer vertraglichen Leistungserbringung durch den Vertragspartner in den Risikobereich des Anspruchsinhabers fällt.

Anmerkung: Denkbar wäre dann auch eine Behandlung der Problematik über § 313 BGB. Geschäftsgrundlage ist die Vorstellung der Parteien, dass die Räume nach Rückgabe im unveränderten Zustand weitervermietet werden. Daher hatte man die Verpflichtung zur Vornahme der Schönheitsreparaturen geschaffen. Da sich dieser Umstand ändert, wenn es zum Umbau kommt, könnte Vertragsanpassung verlangt werden. Das Institut der ergänzenden Vertragsauslegung orientiert sich eher am Vertragsinhalt und versucht diesen zu ergänzen, während der subsidiäre § 313 BGB bei den Umständen ansetzt, die gerade nicht Vertragsinhalt geworden sind, aber dem Vertrag zugrunde gelegt wurden. Anders ausgedrückt: Bei § 313 BGB bedenken die Parteien einen Aspekt, machen ihn aber nicht zum Vertragsinhalt; bei der ergänzenden Vertragsauslegung bedenken sie den Aspekt nicht, hätten ihn aber zum Inhalt des Vertrags gemacht, wenn sie ihn bedacht hätten.

Die Grenze ist im Einzelfall zu ziehen, auch wenn dies nicht immer einfach sein mag.

Der entscheidende Gesichtspunkt für den Ausgleichsanspruch ist dabei jedoch nicht, dass der zum Umbau entschlossene Vermieter subjektiv kein Interesse mehr an der Erfüllung der vom Mieter übernommenen Renovierungspflicht hat, sondern dass der Mieter aufgrund des vom Vermieter veranlassten Umbaus des Mietobjekts von einer vertraglich übernommenen Verpflichtung befreit würde, die während der Mietzeit zu einer geringeren Miete geführt hat.

In dieser besonderen Situation ist eine ergänzende Vertragsauslegung geboten, weil davon ausgegangen werden kann, dass die Vertragsparteien nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte vereinbart hätten, dem Vermieter anstelle des wirtschaftlich sinnlos gewordenen Anspruchs auf Durchführung von Renovierungsarbeiten einen entsprechenden Geldanspruch zu geben.11

c) Besonderheit hier: Umbau wurde nicht durchgeführt

Fraglich ist, ob dies auch dann gelten kann, wenn der angekündigte Umbau gar nicht durchgeführt wurde.

Dann tritt die oben beschriebene Interessenlage letztlich nicht in Erscheinung. Denn dann kann der Vermieter (theoretisch) wiederum dergestalt von den Schönheitsreparaturen profitieren, dass er die Räume unverändert (und renoviert) einem Dritten zur weiteren Miete überlässt.

Dass der Vermieter kein Interesse mehr an der Durchführung hat, spielt dann keine entscheidende Rolle. Er muss sich dann an den getroffenen Vereinbarungen festhalten lassen, die in diesem Fall nicht sinnlos geworden sind.

keine vergleichbare Interessenlage

Der Vermieter kann dann nur die Erfüllung der vertraglich begründeten Verpflichtungen verlangen. Will der Vermieter an diesem primären Erfüllungsanspruch nicht festhalten und sich stattdessen einen auf Geldzahlung gerichteten Ersatzanspruch verschaffen, muss er diesen unter Einhaltung des Verfahrens nach § 281 I BGB begründen.12

Widerspruch zur Systematik des § 281 BGB

Würde man einen Geldanspruch des Vermieters alleine abhängig davon gewähren, dass ein Umbau beabsichtigt wird und dies dem Mieter mitgeteilt wird, würde die gesetzliche Systematik, die strikt zwischen Erbringung der Leistung und einem Begehren nach Schadensersatz statt der Leistung differenziert, umgangen werden. Faktisch hätte der Vermieter die freie Wahl zwischen der Vornahme der Schönheitsreparaturen und der Zahlung eines Geldbetrags.

Missbrauchsgefahr

Im Übrigen bestünde eine erhebliche Missbrauchsgefahr, weil der Vermieter eine Umbauabsicht vorschieben könnte. Der Nachweis, dass die Absicht nur vorgeschoben war, dürfte praktisch häufig nicht zu erbringen sein.

Insoweit kann die (auch ernsthafte) Absicht, die Räume umzubauen, nicht dergestalt mit der ergänzenden Vertragsauslegung behandelt werden, dass zugunsten des Vermieters eine Ausfüllung der planwidrigen Regelungslücke erfolgt, welche ihm einen Zahlungsanspruch gewährt. Eine entsprechende Auslegung des Mietvertrags würde vielmehr zu einer erheblichen Erweiterung der Rechte des Vermieters führen, die im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung nicht zulässig ist.13

auch Veräußerung irrelevant

Dass der Vermieter schließlich aufgrund einer Veräußerung des Mietobjekts subjektiv kein Interesse an der Erbringung der Renovierungsarbeiten mehr hat, rechtfertigt es ebenfalls nicht, im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung an die Stelle des primären Erfüllungsanspruchs einen Ausgleichsanspruch treten zu lassen.

Der vertragliche Anspruch gegen den Mieter auf Erbringung der übernommenen Renovierungsarbeiten erlischt erst durch ein Schadensersatzverlangen nach § 281 IV BGB. Da der Anspruch nach Beendigung des Mietverhältnisses und dem Auszug des Mieters bis zu diesem Verlangen fortbesteht, geht er gemäß § 566 I BGB auf den Erwerber des Mietobjekts (hier D) über. Dieser kann vom Mieter Erfüllung verlangen oder, falls der Mieter nicht zur Vornahme der Renovierungsarbeiten bereit ist, die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch nach § 281 I BGB schaffen und die Erklärung nach § 281 IV BGB abgeben.14

Auf diese Weise ist gewährleistet, dass der Mieter auch bei einer Veräußerung des Mietobjekts nicht kompensationslos von der übernommenen Verpflichtung zur Vornahme von Renovierungsarbeiten befreit wird. Dann besteht auch kein Bedürfnis dafür, im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung an die Stelle des vereinbarten Anspruchs auf Durchführung von Schönheitsreparaturen oder Instandhaltungs- bzw. Instandsetzungsarbeiten einen Ausgleichsanspruch des Vermieters treten zu lassen.

II. Anspruch aus § 281 I S. 1, II BGB

Ein Zahlungsanspruch könnte sich jedoch in Form eines Schadensersatzanspruchs gem. § 281 I S. 1 BGB ergeben.

1. Anspruch auf Vornahme (+)

Wie oben beschrieben stand dem V der Anspruch auf Durchführung der Schönheitsreparaturen über die Beendigung des Mietverhältnisses hinaus zu.

Grundsätzlich kann dem Vermieter daher gem. §§ 280 I, III, 281 I S. 1 BGB ein Schadensersatzanspruch zustehen, wenn der Mieter eine wirksam auf ihn übertragene Verpflichtung, Schönheitsreparaturen zu erbringen, schuldhaft nicht erfüllt.

2. Keine Leistungsaufforderung mit Fristsetzung

Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass der Vermieter den Mieter zur Leistungserbringung auffordert, ihm eine angemessene Frist zur Leistung bestimmt und diese Frist verstreicht, ohne dass der Mieter seine Verpflichtung erfüllt.15

Unabhängig von der Frage, welchen inhaltlichen Anforderungen eine ordnungsgemäße Aufforderung zur Leistungserbringung bei nicht vorgenommenen Renovierungsarbeiten genügen muss, liegt eine solche nicht vor. V hat von M nicht die Durchführung der Arbeiten gefordert und auch keine Frist zur Vornahme der Arbeiten gesetzt.

V hat von M im Hinblick auf den beabsichtigten Umbau des Mietobjekts stets nur den für die Durchführung der Arbeiten erforderlichen Geldbetrag gefordert. Auch nach der Beendigung des Mietverhältnisses wurde M von V nicht zur Vornahme von Renovierungsarbeiten aufgefordert.

3. Keine Entbehrlichkeit gem. § 281 II BGB

Eine Fristsetzung könnte aber gem. § 281 II Alt. 1 BGB entbehrlich sein, wenn man in dem Auszug des M, ohne die Schönheitsreparaturen vorgenommen zu haben, eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung erblickt.

Dabei sind an das Vorliegen einer solchen Erfüllungsverweigerung strenge Anforderungen zu stellen.16

Erforderlich ist ein Verhalten des Schuldners, aus dem zu schließen ist, dass dieser sich durch eine weitere Aufforderung zur Leistung nicht umstimmen lassen wird. Die Weigerung des Schuldners muss als sein letztes Wort aufzufassen sein. Eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung kann insbesondere angenommen werden, wenn der Mieter durch sein Verhalten vor Vertragsbeendigung eindeutig zum Ausdruck bringt, dass er seinen vertraglich übernommenen Verpflichtungen nicht nachkommen wird und demgemäß das Mietobjekt bei Vertragsende räumt, ohne Anstalten für die Vorbereitung oder Ausführung der Schönheitsreparaturen getroffen zu haben.

Aus dem Verhalten des M kann aber gerade darauf nicht geschlossen werden. Vielmehr konnte M davon ausgehen, dass V an der Durchführung gar kein Interesse mehr hatte. Dass M nicht auf das Ansinnen des V eingegangen ist, einen Ausgleichsbetrag zu leisten, rechtfertigt nicht die Annahme einer ernsthaften und endgültigen Erfüllungsverweigerung im Hinblick auf die Vornahme der Schönheitsreparaturen selbst. Insoweit hätte eine Fristsetzung Sinn ergeben, weil M dadurch darauf aufmerksam gemacht worden wäre, dass (nun doch) eine Durchführung von ihm begehrt wird.

Anmerkung: An dieser Stelle wird deutlich, in welchen Widerspruch zur gesetzlichen Systematik man sich gesetzt hätte, würde man dem V im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung einen Anspruch auf Zahlung unabhängig von einer Fristsetzung gewähren. Faktisch würde dazu die Ausnahme des § 281 II BGB zur Regel!

III. Endergebnis

Da auch die Voraussetzungen des § 281 I S. 1 BGB nicht vorliegen, hat V gegenüber keinen Anspruch auf Zahlung eines Geldbetrages wegen der nicht durchgeführten Schönheitsreparaturen.

D) Kommentar

(cda). Das Ergebnis ist überzeugend. M wird vorliegend auch nicht übermäßig begünstigt, weil -- wie ausgeführt -- gegenüber D die Durchführung der Arbeiten geschuldet bleibt. D hat dann die Möglichkeit, gegen M gem. § 281 I S. 1 BGB vorzugehen.17

Machen Sie sich aus Anlass dieser Besprechung mit der Thematik Schönheitsreparaturen vertraut (vgl. Vertiefungshinweise).

E) Zur Vertiefung

  • Schönheitsreparaturklauseln, AGB Kontrolle

Life & Law 2013, 637 ff.

F) Wiederholungsfragen

  1. Warum ist ein starrer Fristenplan unwirksam gem. § 307 I S. 1 BGB?
  2. Wie lässt sich bei Umbau der Mieträume nach Beendigung des Mietverhältnisses ein Ausgleichsanspruch des Vermieters für nicht durchgeführte Schönheitsreparaturen legitimieren?

  1. BGH, NJW 2012, 844

  2. In der Entscheidung XII ZR 76/13 hat der BGH diese Frage offen gelassen, weil schon aus anderen Gründen ein Anspruch aus ergänzender Vertragsauslegung nicht in Betracht kam. Gemessen an alten Entscheidungen des BGH wäre die gewählte Klausel aber wohl eindeutig unwirksam gewesen. An dieser Stelle haben wir die Klausel aus der Entscheidung XII ZR 108/13 eingebaut, welche im Ergebnis den Anforderungen des BGH standhält. Für die Klausur gilt: Sie dürfen im Gutachten keine laut Sachverhalt problematische Frage offen lassen. Der BGH kümmert sich nur um entscheidungserhebliche Fragestellungen.

  3. BGH, NJW 2008, 3772

  4. BGH, NJW 2004, 2586

  5. BGH, NJW 2005, 3416

  6. BGH, NJW 2006, 1728

  7. BGH, NJW 2008, 3772

  8. BGH, NJW 2005, 2006 f.

  9. BGH, NJW 2003, 2234 f.

  10. BGH, NJW 1986, 309 f.

  11. BGH, NJW 1980, 2347 f.

  12. Schmidt-Futterer, § 538 BGB, Rn. 252.

  13. BGH, NJW 1980, 2347 f.

  14. Schmidt-Futterer, § 566 BGB, Rn. 130.

  15. Schmidt-Futterer, § 538 BGB, Rn. 261.

  16. BGH, NJW-RR 1992, 1226 f.

  17. Dabei muss allerdings darauf geachtet werden, dass der Anspruch der Verjährung des § 548 I BGB unterliegt, vgl. Palandt, § 548 BGB, Rn. 6 m.w.N.