Verjährungsprobleme bei Mängeln einer „Auf-Dach-Photovoltaik-Anlage"

BGH, Urteil vom 09.10.2013, VIII ZR 318/12

von Life and Law am 01.02.2014

+++ Mangel einer Photovoltaikanlage +++ Verjährung +++ § 438 I Nr. 2b und Nr. 3 BGB +++

Sachverhalt (stark verkürzt und vereinfacht): K kaufte am 22.04.2004 von V die Komponenten einer Photovoltaikanlage (PV-Anlage). Vertragsgegenstand war nur die Lieferung der Teile.

K montierte die am 30.04.2004 gelieferten Komponenten der PV-Anlage auf dem Dach einer auf seinem Grundstück stehenden Scheune.

Nachdem die PV-Anlage zunächst ohne Störungen in Betrieb genommen worden war, kam es im Winter 2005/2006 aufgrund Blitzschlags und hoher Schneelast zu Funktionsbeeinträchtigungen, die K seiner Gebäudeversicherung meldete. Der von der Versicherung beauftragte Sachverständige kam in seinem Gutachten vom 28.06.2006 zum Ergebnis, dass der Grund der Funktionsbeeinträchtigung an den Modulen der PV-Anlage herstellerbedingte Sachmängel (sog. „Delaminationen") waren.

V bestreitet das Vorliegen der Mängel nicht, beruft sich aber auf Verjährung, da seit der Ablieferung der verkauften Module mehr als zwei Jahre verstrichen sind.

Hat K einen durchsetzbaren Anspruch gegen V auf Nacherfüllung?

A) Sound

Ansprüche des Käufers wegen Mangelhaftigkeit der Komponenten einer Photovoltaikanlage, die der Käufer auf dem bereits vorhandenen Dach einer Scheune angebracht hat, um durch Einspeisung des erzeugten Solarstroms Einnahmen zu erzielen, unterliegen nicht der fünfjährigen Verjährung nach § 438 I Nr. 2b BGB, sondern der zweijährigen Verjährung nach § 438 I Nr. 3 BGB.

B) Problemaufriss

Der im Vergleich zum Original auf das Wesentliche stark zusammengekürzte Sachverhalt befasst sich mit der Frage, wann die Ansprüche eines Käufers wegen mangelhafter, auf einem Gebäudedach montierter Photovoltaik-Komponenten verjähren.

In Betracht kommt zum einen die zweijährige Verjährung nach § 438 I Nr. 3 BGB, zum anderen -- weil die Teile auf einem Gebäudedach montiert wurden -- die fünfjährige Verjährung nach § 438 I Nr. 2b BGB.

Letzteres hat das Berufungsgericht angenommen. § 438 I Nr. 2b BGB gelte nicht nur für Gewährleistungsansprüche der Bauhandwerker gegen ihre Lieferanten, sondern auch dann, wenn der Bauherr die von ihm gekauften Sachen selbst einbaue.1

Die Montage von Solarmodulen auf dem Dach eines Gebäudes sei auch eine übliche Verwen­dungsweise, da Photovoltaikanlagen entweder auf dem Boden oder auf dem Dach von Gebäuden errichtet würden.

Der BGH folgt dieser Ansicht nicht.

C) Lösung

Zu prüfen ist, ob K gegen V ein durchsetzbarer Anspruch auf Nacherfüllung zusteht.

I. Anspruch auf Nacherfüllung gem. gemäß §§ 437 Nr. 1, 439 I BGB

Ein Anspruch auf Nacherfüllung besteht, wenn die Voraussetzungen des Nacherfüllungsanspruchs gegeben sind und der Verkäufer sich nicht zu Recht auf die Einrede der Verjährung gem. § 214 I BGB berufen hat.

1. Grundvoraussetzungen des Nacherfüllungsanspruchs sind gegeben

V und K haben einen wirksamen Kaufvertrag über die Komponenten einer PV-Anlage geschlossen, § 433 BGB.

hemmer-Methode: Die rechtliche Einordnung von Verträgen über PV-Anlagen bereitet dann Schwierigkeiten, wenn die PV-Anlage vom Lieferant auch noch auf dem Dach montiert werden muss. In Betracht kommen in diesem Fall entweder ein Kaufvertrag mit Montageverpflichtung oder ein Werkvertrag.

Diese Unterscheidung ist trotz des sehr ähnlichen Mängelrechts (vgl. nur § 437 BGB und § 634 BGB) von ganz entscheidender Bedeutung, wenn der Kunde -- wie in der Praxis üblich -- Verbraucher im Sinne des § 13 BGB ist. Nur bei Annahme eines Kaufvertrags kommen die Vorschriften der §§ 434 ff. BGB zur Anwendung.2

Nach h.M. stehen bei Verträgen über PV-Anlagen die mit dem Warenumsatz verbundene Übertragung von Eigentum und Besitz im Vordergrund, sodass der Vertrag einheitlich als Kaufvertrag mit Montage-, Anschluss- und Inbetriebnahmepflicht zu qualifizieren ist. Dies bedeutet, dass sowohl Mängel der „gekauften" Module als auch Mängel beim Einbau als Mängel im Sinne des Kaufrechts zu beurteilen sind, vgl. § 434 II S. 1 BGB.

Laut Sachverhalt wiesen die von V gelieferten Komponenten der Photovoltaikanlage herstellerbedingte Mängel (sog. „Delaminationen") auf, was V auch gar nicht bestreitet.

Damit lag bei Gefahrübergang ein Sachmangel i.S.d. § 434 I S. 2 Nr. 2 BGB vor, sodass K von V grds. Nacherfüllung verlangen kann, §§ 437 Nr. 1, 439 BGB.

2. Einrede der Verjährung gem. § 214 I BGB i.V.m. § 438 I Nr. 3 BGB

Dem Anspruch des K könnte aber die von V geltend gemachte Verjährungseinrede zustehen, § 214 I BGB.

Anmerkung: Die Verjährung lässt das Bestehen des Anspruchs unberührt. Es handelt sich daher um eine lediglich die Durchsetzung des Anspruchs hemmende dauernde (sog. „peremptorische") Einrede.

Das auf einen verjährten Anspruch Geleistete kann aber entgegen § 813 I S. 1 BGB nicht zurückgefordert werden, vgl. §§ 813 I S. 2, 214 II BGB.

hemmer-Methode: Ein häufiger Fehler in Examensarbeiten besteht darin, nicht zwischen der Verjährungsvorschrift einerseits und der Rechtsfolge andererseits zu unterscheiden.

Sätze wie z.B. „Die kaufrechtlichen Mängelrechte sind verjährt, § 438 BGB", wirken anfängerhaft, weil die Rechtsfolge fehlt.

Im Examen schreiben Sie daher besser: „Da die Verjährungsfrist des § 438 BGB abgelaufen ist, sind die Mängelrechte gem. § 214 I BGB nicht mehr durchsetzbar, wenn sich der Verkäufer auf die Verjährungseinrede beruft."

a) § 438 I Nr. 2b BGB oder § 438 I Nr. 3 BGB

Fraglich ist, welche Verjährungsfrist bzgl. der mangelhaften Komponenten der PV-Anlage zur Anwendung kommt.

In Betracht kommt zum einen die zweijährige Verjährung nach § 438 I Nr. 3 BGB, zum anderen -- weil die Teile auf einem Gebäudedach montiert wurden -- die fünfjährige Verjährung nach § 438 I Nr. 2b BGB.

Nach § 438 I Nr. 2b BGB verjährt der in §§ 437 Nr. 1, 439 BGB geregelte Nacherfüllungsanspruch in fünf Jahren, wenn es sich um eine (mangelhafte) Sache handelt, die entsprechend ihrer üblichen Verwendungsweise für ein Bauwerk verwendet worden ist und dessen Mangelhaftigkeit verursacht hat.

aa) § 438 I Nr. 2b BGB gilt nicht nur für den Bauhandwerker, sondern auch für private Käufer

Die Anwendbarkeit des § 438 I Nr. 2b BGB setzt nicht voraus, dass es um Ansprüche eines Bauhandwerkers/Werkunternehmers gegen seinen Lieferanten geht.

Zwar regelt die Vorschrift einen Gleichlauf der Verjährung, damit der Bauunternehmer, der seinerseits gem. § 634a I Nr. 2 BGB einer fünfjährigen Mängelverjährung ausgesetzt ist, ebenfalls fünf Jahre lang die Möglichkeit haben soll, Regressansprüche gegen seinen Lieferanten geltend zu machen (Verhinderung der sog. „Bauhandwerkerfalle").3

Dennoch findet die Vorschrift aber auch dann Anwendung, wenn der Käufer das Baumaterial zur Errichtung seines eigenen Hauses erworben hat. In solchen Fällen ist die Verlängerung der Verjährungsfrist von zwei (§ 438 I Nr. 3 BGB) auf fünf Jahre (§ 438 I Nr. 2b BGB) zwar nicht durch die Verhinderung der Bauhandwerkerfalle gerechtfertigt.

Dennoch muss von der Anwendbarkeit der Fünf-Jahres-Frist ausgegangen werden. § 438 I Nr. 2b BGB setzt nicht voraus, dass der Verkäufer durchsetzbaren Mängelrechten des Käufers aus Werkvertrag ausgesetzt ist. Eine solche Einschränkung sieht der Wortlaut der Norm nicht vor. Eine andere Ansicht würde die subjektiv-historische Auslegungsmethode überbewerten.

Die Bestimmung findet daher auch dann Anwendung, wenn Sachen der in § 438 I Nr. 2b BGB bezeichneten Art vom Käufer selbst für ein Bauwerk verwendet (eingebaut) werden.4

hemmer-Methode: Diese Frage war bislang nicht höchstrichterlich geklärt. Zwar steht diese Passage des Urteils des BGH nicht im Leitsatz. Als obiter dictum ist diese Aussage aber dennoch von entscheidender Bedeutung!

bb) Problem: Verwendung der Module „für ein Bauwerk"

Fraglich ist aber, ob die gekauften Module „für ein Bauwerk" verwendet worden sind.

Ein Bauwerk ist eine unbewegliche, durch Verbindung mit dem Erdboden hergestellte Sache. Von der Vorschrift erfasst sind nicht nur Neuerrichtungen von Bauwerken, sondern auch Erneuerungs- und Umbauarbeiten an einem errichteten Gebäude, wenn sie für Konstruktion, Bestand, Erhaltung oder Benutzbarkeit des Gebäudes von wesentlicher Bedeutung sind und wenn die eingebauten Teile mit dem Gebäude fest verbunden sind.5

So verhält es sich im vorliegenden Fall nach Ansicht des BGH aber nicht.

(1) PV-Anlage ist kein Bauwerk

Die auf dem Scheunendach errichtete Photovoltaikanlage, zu deren Erstellung die Module dienten, ist mangels Verbindung mit dem Erdboden selbst kein Bauwerk im Sinne des Gesetzes.

Bauwerk ist allein die Scheune, auf deren Dach die Solaranlage montiert wurde.

(2) Solarmodule sind nicht für die Scheune (= Bauwerk) verwendet worden

Für die Scheune sind die Solarmodule jedoch nicht verwendet worden.

Sie waren weder Gegenstand von Erneue-rungs- oder Umbauarbeiten an der Scheune, noch sind sie für deren Konstruktion, Bestand, Erhaltung oder Benutzbarkeit von (wesentlicher) Bedeutung. Vielmehr dient die Solaranlage eigenen Zwecken, denn sie soll Strom erzeugen und dem Käufer dadurch eine zusätzliche Einnahmequelle (Einspeisevergütung) verschaffen.

Um diesen Zweck zu erfüllen, hätte die Anlage auch auf jedem anderen Gebäude angebracht werden können.

Die PV-Anlage hat mithin keine Funktion für das Gebäude (Scheune) selbst, sondern sie ist, weil es dem Bauherrn zweckdienlich erschien, lediglich ebendort angebracht worden. Allein dies führt nicht dazu, dass die für die Montage von der Klägerin gelieferten Einzelteile „für ein Bauwerk" verwendet worden wären.6

Aus dem Umstand, dass der Einbau der Solarmodule weder für die Konstruktion, den Bestand, die Erhaltung oder die Benutzbarkeit der Scheune von (wesentlicher) Bedeutung ist, folgt überdies, dass die Mangelhaftigkeit der Solarmodule nicht auch die Mangelhaftigkeit der Scheune verursacht hat.

(3) Beheizung der Scheune mit selbst erzeugtem Strom reicht nicht aus

Aus der allgemeinen Erwägung, die Energieversorgung eines Bauwerks gehöre zu dessen gewöhnlichem Gebrauch und damit zur Benutzbarkeit, kann schon deshalb nichts für den vorliegenden Fall abgeleitet werden, weil aus dem Sachverhalt nicht hervorgeht, dass die Scheune vor Anbringung der Module keine Stromversorgung gehabt hätte und der Käufer den mit der PV-Anlage erzeugten Strom nun (auch) für die Scheune nutzen würde.

Aber selbst wenn ein Teil des von der Solaranlage erzeugten Stroms der Energieversorgung der Scheune dienen sollte, würde dies nicht zur Anwendbarkeit der fünfjährigen Verjährung nach § 438 I Nr. 2b BGB führen. Denn auch dann läge der Hauptzweck der Errichtung der Anlage darin, dem Käufer eine zusätzliche Einnahmequelle zu verschaffen, sodass es auch in dieser Fallgestaltung an einer Verwendung „für ein Bauwerk" fehlen würde.

b) Daher: zweijährige Verjährung gem. § 438 I Nr. 3 BGB

Daher bestimmt sich die Verjährungsfrist im vorliegenden Fall nicht nach § 438 I Nr. 2b BGB, sondern nach § 438 I Nr. 3 BGB.

Gemäß § 438 II BGB begann die Verjährungsfrist mit der Ablieferung der Einzelteile der PV-Anlage beim Käufer K zu laufen, mithin am 30.04.2004. Der Umstand, dass K keinerlei Kenntnis vom Mangel hatte, ist dabei unerheblich, da die Mängelverjährung -- anders als die Regelverjährung (vgl. §§ 195, 199 I BGB) -- unabhängig von der Kenntnis des Anspruchs taggenau zu laufen beginnt.

Die Verjährungsfrist lief daher bis zum 30.04.2006, §§ 187 I, 188 II Alt. 1 BGB.

Ab dem 01.05.2006 waren daher die Mängelrechte des K verjährt, sodass V gem. § 214 I BGB ein Leistungsverweigerungsrecht hat.

II. Endergebnis

V kann den Anspruch des K auf Lieferung mangelfreier Komponenten für die PV-Anlage wegen Verjährung gem. § 214 I BGB verweigern.

D) Kommentar

(mty). Die Ansicht des BGH ist überzeugend begründet.

Gefährlich ist diese Entscheidung aber trotzdem, da sie sich nicht verallgemeinern lässt für alle PV-Anlagen.

Es muss zwischen zwei Typen von PV-Anlagen differenziert werden. Im vorliegenden Fall handelte es sich um eine sog. „Auf-Dach-Anlage". In diesem Fall gilt die zweijährige Verjährung des § 438 I Nr. 3 BGB.

Hiervon zu unterscheiden sind die sog. „In-Dach- und gebäudeintegrierten Anlagen", bei denen die Solarmodule nicht auf das Dach oder die Außenwand gebaut werden, sondern Bauteile ersetzen. Die PV-Anlage übernimmt also über die Stromversorgung hinaus noch weitere Funktionen, z.B. als Bestandteil des Daches oder der Außenwand. Ein Mangel der Anlage führt also in diesen Fällen zwangsläufig auch zu einem Mangel des Bauwerks. Daher wäre es zwingend, in diesem Fall die fünfjährige Verjährungsfrist des § 438 I Nr. 2b BGB anzuwenden.

Diese Differenzierung hat der BGH (leider) nicht vorgenommen, sodass das letzte Wort bei dieser extrem praxis- und daher auch examensrelevanten Problematik noch nicht gesprochen ist.

E) Zur Vertiefung

  • Verjährung der kaufrechtlichen Mängelrechte

Hemmer/Wüst, Schuldrecht BT 1, Rn. 178 ff.

  • Kauf- oder Werkvertrag bei PV-Anlagen

Schneidewindt, NJW 2013, 3751 ff.

F) Wiederholungsfragen

1. Gilt § 438 I Nr. 2b BGB nur, wenn der Käufer ein Werkunternehmer war?

2. Wann wird eine Sache „für ein Bauwerk verwendet"?


  1. OLG Frankfurt a.M., Urteil v. 22.08.2012, Az.: 16 U 14/12.

  2. Hinweis für Referendare und Praktiker: Von Bedeutung ist diese Abgrenzung auch für die in der Praxis oft erfolgte Einbeziehung der Vertrags- und Vergabeverordnung für Bauleistungen Teil B (VOB/B). Diese speziellen Allgemeinen Geschäftsbedingungen können nach allgemeiner Meinung nur in Werkverträge, aber nicht in Kaufverträge einbezogen werden, vgl. dazu zuletzt Schneidewindt, „Erwerb und Installation einer Photovoltaik-Dachanlage: Kauf- oder Werkvertrag?", NJW 2013, 3751, 3752 und 3755.

  3. Vgl. dazu Hemmer/Wüst, Schuldrecht BT 1, Rn. 182.

  4. BT-Drucks. 14/6040, S. 227; Staudinger, § 438 BGB, Rn. 40; Erman, § 438 BGB, Rn. 9; MüKo, § 438 BGB, Rn. 18.

  5. BT-Drucks. 14/6040, S. 227.

  6. Vgl. auch BGH, NJW-RR 1998, 89