Die Verjährung der Mängelrechte aus § 437 BGB gem. § 438 BGB

Grundfall (nicht nur) für Anfangssemester, Zivilrecht

von Life and Law am 01.02.2014

+++ Mängelrechte +++ Verjährung +++ § 438 BGB +++

Sachverhalt: Der leicht übergewichtige K kauft von V ein gebrauchtes Rennrad, um seine überschüssigen Pfunde abzutrainieren. Es wird Ratenzahlung vereinbart. Leider bleibt es aber zunächst bei den guten Vorsätzen des K. Er nimmt das Rad erst zwei Jahre und drei Monate nach Erhalt erstmalig in Gebrauch. Dabei bemerkt er, dass der Rahmen angebrochen ist. Er verlangt nun von V die bereits gezahlten Kaufpreisraten (600,- €) zurück. V dagegen fordert die Bezahlung der noch ausstehenden Raten (200,- €).

Wie ist die Rechtslage? Es ist davon auszugehen, dass eine Nacherfüllung nicht möglich ist.

A) Sound

1. Die Verjährung der Mängelrechte des § 437 BGB ist in § 438 BGB geregelt. So richtet sich die Verjährung der in § 437 Nr. 1 und 3 BGB bezeichneten Ansprüche nach § 438 I - III BGB. Für die in § 437 Nr. 2 BGB bezeichneten Rechte gilt § 438 IV, V BGB.

2. § 438 I BGB bestimmt, dass die in § 437 Nr. 1 und 3 BGB enthaltenen Ansprüche auf Nacherfüllung, Schadensersatz oder Ersatz vergeblicher Aufwendungen in 30 Jahren, fünf Jahren oder zwei Jahren verjähren. Nach § 438 II BGB beginnt der Lauf der Verjährung bei Grundstücken mit der Übergabe, im Übrigen bei beweglichen Sachen mit der Ablieferung der Sache. Regelmäßig wird es sich um eine bewegliche Sache handeln, sodass die Rechte aus § 437 Nr. 1 und 3 BGB im Regelfall gem. § 438 I Nr. 3, II BGB in zwei Jahren ab Ablieferung verjährt sind.

3. Hat der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen, so greift § 438 III BGB ein (grds. regelmäßige Verjährungsfrist nach §§ 195, 199 I BGB).

4. Für Rücktritt und Minderung nach § 437 Nr. 2 BGB, die keine Ansprüche, sondern Gestaltungsrechte sind und deswegen nicht der Verjährung unterliegen (§ 194 I BGB), gelten die §§ 438 IV, V, 218 BGB. Rücktritt und Minderung sind unwirksam, wenn der Nacherfüllungsanspruch gem. §§ 437 Nr. 1, 439 I BGB nach § 438 I - III BGB verjährt ist (§ 218 I S. 1 BGB) oder wäre (§ 218 I S. 2 BGB). § 438 IV S. 2 BGB gewährt dem Käufer dann aber eine Einrede. Er kann die Kaufpreiszahlung verweigern, wenn er noch nicht gezahlt hat.

B) Gliederung

A) Anspruch des K auf Rückzahlung des gezahlten Kaufpreises (600,- €)

1. §§ 437 Nr. 2 Alt. 1, 326 V, 323 I, 346 ff. BGB

a) Kaufvertrag (§ 433 BGB) (+)

b) Sachmangel (§ 434 I S. 2 Nr. 2 BGB) (+)

c) Besondere Rücktrittsvoraussetzungen

aa) § 326 V BGB (+); Nacherfüllung (§ 439 BGB) laut SV unmöglich (§ 275 I BGB); Fristsetzung daher entbehrlich.

bb) Erheblichkeit der Pflichtverletzung (§§ 326 V, 323 V S. 2 BGB) (+)

d) Kein Ausschluss des Rücktrittsrechts (§ 438 IV BGB)?

Ausschluss nach §§ 438 IV S. 1, 218 I S. 2 BGB, wenn Nacherfüllungsanspruch verjährt wäre; (+) da zwei Jahre ab Ablieferung vergangen sind (§ 438 I Nr. 3, II BGB).

Daher: Kein Anspruch aus §§ 437 Nr. 2 Alt. 1, 326 V, 323 I, 346 ff. BGB.

2. § 438 IV S. 2 BGB?

(-), nur Leistungsverweigerungsrecht, kein Rückzahlungsanspruch (sonst doch Rückabwicklung trotz Ausschlusses des Rücktrittsrechts).

3. § 813 I S. 1 BGB?

Setzt voraus, dass auf dauernd einredebehaftete Forderung geleistet wurde; daher fraglich, ob K dauernde Einrede gegen Kaufpreisanspruch des V (§ 433 II BGB) zustand.

a) § 320 BGB (-), da Nacherfüllung unmöglich (s.o.); außerdem § 320 BGB nur vorübergehende Einrede.

b) § 438 IV S. 2 BGB analog vor Ausschluss des Rücktrittsrechts (-), Käufer muss sich entscheiden; § 438 IV S. 2 BGB greift erst nach Ausschluss des Rücktrittsrechts; daher keine dauernde Einrede; zudem würde sonst Wertung des § 438 BGB umgangen; Rückforderung soll ausgeschlossen sein.

4. Zwischenergebnis: Kein Anspruch des K

B) Anspruch des V auf Restzahlung
(200,- €) aus § 433 II BGB

1. Anspruch entstanden (+); s.o.

2. Anspruch durchsetzbar? (-); Einrede des K aus § 438 IV S. 2 BGB, da Rücktritt nur nach § 218 I S. 2 BGB unwirksam.

C) Ergebnis

Weder V noch K können Bezahlung verlangen.

C) Lösung

  1. A) Anspruch des K auf Rückzahlung des bezahlten Kaufpreises (600,- €)

  2. 1. §§ 437 Nr. 2 Alt. 1, 326 V, 323 I, 346 ff. BGB

K könnte einen Anspruch auf Rückzahlung der 600,- € haben, wenn er wirksam zurückgetreten wäre.

Als Rücktrittsgrund kommt das gesetzliche Rücktrittsrecht des §§ 437 Nr. 2 Alt. 1, 326 V, 323 BGB in Betracht.

a) Zwischen V und K kam ein Kaufvertrag über das Rennrad zustande (§ 433 BGB).

b) Das Rennrad müsste weiterhin mangelhaft sein.

aa) Mangels Vereinbarung oder einer vom Vertrag vorausgesetzten Verwendung wäre dies gem. § 434 I S. 2 Nr. 2 BGB dann der Fall, wenn es sich nicht für die gewöhnliche Verwendung eignete und keine Beschaffenheit aufweisen würde, die bei Sachen der gleichen Art und Güte üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann. Das Rennrad ließ sich auf Grund des Rahmenbruchs nicht gefahrlos fahren.

Der Käufer eines Rades kann aber gerade erwarten, dass der Rahmen intakt ist.

Folglich ist zu verneinen, dass sich das Rennrad für die gewöhnliche Verwendung eignete und eine Beschaffenheit aufwies, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist, ein Mangel liegt daher vor.

bb) Dieser Mangel lag bereits bei Übergabe und damit bei Gefahrübergang vor, § 446 S. 1 BGB. Mithin war das Rennrad mangelhaft i.S.d. § 434 I S. 2 Nr. 2 BGB.

cc) Der Sachmangel zeigte sich dem K jedoch nicht innerhalb von sechs Monaten seit Gefahrübergang. Für den Fall, dass K Verbraucher (§ 13 BGB), V Unternehmer (§ 14 BGB) ist und damit ein Verbrauchsgüterkauf gem. §§ 474 ff. BGB vorliegt, greift die Beweislastumkehr nach §§ 474 I S. 1, 476 BGB nicht ein. Vielmehr trägt K selbst nach den allgemeinen Regeln die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen des Mangels.

c) Zudem müssten die besonderen Rücktrittsvoraussetzungen erfüllt sein (§§ 437 Nr. 2 Alt. 1, 440, 323, 326 V BGB).

aa) Die Nacherfüllung (§ 439 BGB) ist laut Sachverhalt unmöglich (§ 275 I BGB), sodass § 326 V BGB einschlägig ist. Es bedurfte daher keiner Fristsetzung.

bb) Das Rennrad ist mit angebrochenem Rahmen unbrauchbar. Folglich ist die Pflichtverletzung nicht unerheblich, §§ 326 V, 323 V S. 2 BGB.

d) Der Rücktritt könnte aber gem. § 438 IV BGB ausgeschlossen sein. Nach §§ 438 IV S. 1, 218 I S. 2 BGB ist das Rücktrittsrecht des Käufers dann erloschen, wenn im Falle der unmöglichen Nacherfüllung der Nacherfüllungsanspruch bereits verjährt wäre.

Da das Rennrad eine bewegliche Sache ist, richtet sich die Verjährung dieses Anspruchs hier nach § 438 I Nr. 3, II BGB (zwei Jahre ab Ablieferung). Seit der Ablieferung des Rades sind schon zwei Jahre und drei Monate vergangen. Der Nacherfüllungsanspruch ist folglich verjährt. K kann also nicht zurücktreten. Der Anspruch aus § 346 I BGB besteht nicht.

2. § 438 IV S. 2 BGB

Allerdings könnte K ein Rückzahlungsanspruch aus § 438 IV S. 2 BGB zustehen. Diese Norm gewährt dem Käufer aber nur ein Leistungsverweigerungsrecht und keinen Anspruch. Ansonsten könnte der Käufer trotz Unwirksamkeit des Rücktritts eine Rückabwicklung herbeiführen.

3. § 813 I S. 1 BGB

Möglicherweise kann K den bereits gezahlten Kaufpreis gem. § 813 I S. 1 BGB zurück verlangen.

Voraussetzung dafür ist, dass auf eine dauernd einredebehaftete Forderung geleistet wurde. K müsste also eine dauernde Einrede gegen den Kaufpreisanspruch des V (§ 433 II BGB) gehabt haben. Eine solche könnte sich aus der Mangelhaftigkeit des Rennrades ergeben haben.

a) Die Einrede des nichterfüllten Vertrags (§ 320 I S. 1 BGB) konnte K nicht erheben, weil der Nacherfüllungsanspruch (§ 439 BGB) wegen Unmöglichkeit nicht existierte (s.o.). Darüber hinaus räumt § 320 BGB nur ein vorübergehendes und damit kein dauerndes Leistungsverweigerungsrecht ein.

b) Allerdings könnte die Einrede aus § 438 IV S. 2 BGB eine Einrede i.S.d. § 813 I S. 1 BGB darstellen.

Dann müsste sie von Anfang an bestanden haben. § 438 IV S. 2 BGB ist aber erst ab Ausschluss des Rücktrittsrechts nach § 218 BGB anwendbar.

Eine Analogie vor Erlöschen des Rücktrittsrechts ist nicht möglich.

Solange der Käufer seine Mängelrechte ausüben kann, ist es ihm zumutbar, Mängelrechte gem. § 437 BGB geltend zu machen, um so den Zahlungsanspruch des Verkäufers abzuwenden.

Selbst wenn man die Analogie zulassen wollte, wäre § 438 IV S. 2 BGB keine Einrede, die unter § 813 I S. 1 BGB fällt. Denn sonst würde das Bereicherungsrecht die Wertung des § 438 BGB aushebeln. Sind die Gewährleistungsrechte nach § 438 BGB ausgeschlossen, so soll kein Vermögensausgleich mehr stattfinden. § 813 I S. 1 BGB greift daher nicht.

4. Zwischenergebnis

K hat keinen Anspruch auf Rückzahlung der 600,- €.

  1. B) Anspruch des V auf Restzahlung (200,- €) aus § 433 II BGB

  2. 1. Anspruch entstanden

Der Anspruch ist aufgrund des wirksamen Kaufvertrages zwischen V und K (§ 433 BGB) entstanden.

2. Durchsetzbarkeit des Anspruches

K kann trotz des Ausschlusses des Rücktrittsrechts nach § 218 I BGB die Kaufpreiszahlung verweigern (§ 438 IV S. 2 BGB). Der Anspruch ist damit nicht durchsetzbar.

C) Ergebnis

Weder V noch K haben Zahlungsansprüche.

D) Zusammenfassung

Sound: Ist der Rücktritt gem. §§ 438 IV S. 1, 218 BGB ausgeschlossen, so hat der Käufer keinen Anspruch auf Rückzahlung des bereits gezahlten Kaufpreises wegen der Mangelhaftigkeit des Kaufgegenstandes. Allerdings kann er gem. § 438 IV S. 2 BGB die Zahlung des Restkaufpreises verweigern.

E) Zur Vertiefung

Hemmer/Wüst, SchuldR BT I, Rn. 178 ff.

Hemmer/Wüst, SchuldR BT I, Karteikarte 52.