Schmerzensgeld" für die Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist nicht vererblich

BGH, Urteil vom 29.04.2014, VI ZR 246/12

von Life and Law am 01.07.2014

+++ Geldentschädigungsanspruch bei Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts +++ Keine Vererblichkeit des Anspruchs +++ § 823 BGB +++ Art. 2 I, 1 I GG +++

Sachverhalt (abgewandelt und verkürzt): In der von B verlegten Zeitschrift wurde im Zeitraum März 2009 bis August 2010 mehrfach über den bekannten österreichischen Entertainer Peter Alexander (im Folgenden: Erblasser) berichtet.

Gegenstand der Berichte waren unter anderem die Trauer des Erblassers um seine bei einem Autounfall auf Ko Samui (Thailand) am 08.03.2009 verstorbene Tochter sowie der Gesundheitszustand des Erblassers.

Mit Faxschreiben vom 11.02.2011 ging beim zuständigen Landgericht eine Klage des Erblassers gegen B auf Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe eines Mindestbetrags von 30.000,- € ein.

Am 12.02.2011 verstarb der Erblasser.

Die Klage wurde im März 2011 der B zugestellt. K, der Sohn des Erblassers, führte den Prozess als Erbe fort.

Kann K von B Zahlung einer angemessenen Entschädigung in Geld verlangen, wenn man unterstellt, dass die Berichte in der von B verlegten Zeitung den Erblasser tatsächlich in seinem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht schwerwiegend verletzt haben?

A) Sound

Der Anspruch auf Geldentschädigung wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung ist grundsätzlich nicht vererblich.

B) Problemaufriss

Gerichtsentscheidungen zur Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts (APR) durch die Berichterstattung über in der Öffentlichkeit bekannte Persönlichkeiten sind ein Dauerbrenner in der Life & Law.1

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist vom BGH seit 1954 als ein durch Art. 1 I, 2 I GG verfassungsmäßig garantiertes Grundrecht und zugleich zivilrechtlich nach § 823 I BGB geschütztes „sonstiges Recht" anerkannt.2 Es gewährleistet gegenüber jedermann den Schutz der Menschenwürde und das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit.

Um eine spezialgesetzliche Ausprägung des APR handelt es sich beim Recht am eigenen Bild, welches in den §§ 22, 23 Kunsturhebergesetz (KUG)3 geregelt ist.

Ähnlich ist dies beim Namensrecht. Auch hierbei handelt es sich um einen Ausschnitt aus dem APR, welches aber in § 12 BGB bzw. für Kaufleute in § 37 HGB (die „Firma" ist der Name des Kaufmanns, § 17 I HGB) geregelt ist.

I. Ansprüche des Betroffenen bei Verletzung des APR

Bei der Verletzung des APR stehen dem Betroffenen eine Reihe von zivilrechtlichen Ansprüchen zu.

1. Störungsbeseitigung und Unterlassung, § 1004 I S. 1 und S. 2 BGB

Zunächst kann die Beseitigung der Störung und/bzw. der Störungsfolgen sowie die Unterlassung für die Zukunft verlangt werden.

Ansprüche auf Störungsbeseitigung und Unterlassung folgen auch aus § 1004 I S. 1 und S. 2 BGB analog i.V.m. § 823 BGB.

hemmer-Methode: Beachten Sie, dass bei einer Beeinträchtigung in Form einer Meinungsäußerung nur die Unterlassung, nicht aber die Beseitigung durch Widerruf verlangt werden kann.

Da die anderen absoluten Rechte und Rechtsgüter des § 823 I BGB den gleichen Schutz verdienen, wurde im Wege einer Gesamtanalogie zu den §§ 12, 862, 1004 BGB der sog. quasinegatorische Anspruch als „deliktischer Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch" entwickelt (gefestigte Rechtsprechung).4

Besondere Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche sind in § 12 BGB bzw. § 37 II HGB bei der Verletzung des Namensrechts gegeben.

Bei der Verletzung des Rechts am eigenen Bild gewähren die §§ 37, 38 KUG zudem einen Anspruch auf Vernichtung und Überlassung von Exemplaren oder Kopiervorrichtungen.

Anmerkung: Daneben bestehen (je nach Landesrecht) spezialgesetzliche presserechtliche (z.B. § 10 Bayerisches LPresseG) und rundfunkrechtliche Ansprüche auf Gegendarstellung (z.B. Art. 17 Bayerisches RundfunkG bzw. Art. 18 Bayerisches MedienG).

Für Verbreitungen im Internet regelt § 14 des Staatsvertrags über Mediendienste (MDStV) ebenfalls einen (bundesrechtlichen) Anspruch auf Gegendarstellung.

2. Schadensersatz gem. §§ 823, 249 BGB

Nach § 823 BGB steht dem Betroffenen im Falle einer verschuldeten Verletzung des APR (dies ist der Unterschied zum verschuldensunabhängigen Anspruch aus § 1004 BGB analog) auch ein Anspruch auf Schadensersatz zu.

Er kann dabei nach seiner Wahl entweder a) den Schaden konkret nach §§ 249 ff. BGB, einschließlich des entgangenen Gewinns, berechnen oder b) die Zahlung einer fiktiven Lizenzgebühr oder c) die Herausgabe eines nachzuweisenden erzielten Verletzergewinns verlangen.

Ein Anspruch auf immaterielle Geldentschädigung wegen schuldhafter Verletzung des APR wird unmittelbar aus § 823 I BGB i.V.m. Art. 2 I, 1 I GG hergeleitet. § 253 II BGB findet keine (analoge) Anwendung.

3. Ansprüche aus § 687 II BGB

In der widerrechtlichen Verletzung des APR kann (bei Vorsatz) auch insbesondere bei einer wirtschaftlichen Nutzung eine angemaßte „Geschäftsführung ohne Auftrag" liegen, sodass auch die in § 687 II BGB genannten Ansprüche zur Anwendung kommen.

4. Anspruche aus § 812 I S. 1 Alt. 2 BGB

Zum Ausgleich rechtswidriger Bereicherung durch Eingriff in den Zuweisungsgehalt kann gemäß § 812 I S. 1 Alt. 2 BGB als erlangtes Etwas die Herausgabe der konkreten Bereicherung oder die Zahlung der üblichen Lizenzgebühr verlangt werden, wenn der Eingriff im weitesten Sinne kommerzialisierbar ist. Auf ein Verschulden des Verletzers oder ein besonderes Gewicht der Beeinträchtigung kommt es nicht an.

5. Auskunftsanspruch aus § 242 BGB

Zur Realisierung dieser Ansprüche steht dem Geschädigten gemäß § 242 BGB ein Anspruch auf Auskunfts- und Rechnungslegung zu.

II. Rechtsfolge bei Tod des Betroffenen

Das APR endet nach allgemeiner Meinung nicht mit dem Tod des Betroffenen, sondern besteht als postmortales Persönlichkeitsrecht fort.

1. Ideelle Bestandteile des APR

Die ideellen Bestandteile des Persönlichkeitsrechts sind grds. unauflöslich an die Person ihres Trägers gebunden und als höchstpersönliche Rechte unverzichtbar und unveräußerlich, also nicht übertragbar und nicht vererblich.5

So erlischt z.B. das Namensrecht einer Person aus § 12 BGB mit dem Tod des Namensträgers, da ein Toter kein Rechtssubjekt mehr ist und daher nicht mehr Träger des Namensrechts sein kann.6

Gleichwohl gewährt die Rechtsprechung einen über den Tod hinauswirkenden Persönlichkeitsschutz. Dies zeigt sich in der Pflicht zur Beachtung von Beisetzungsanordnungen eines Verstorbenen, ferner in der Pflege seiner Ruhestätte, dem Schutz der Totenruhe, der Bestrafung von Leichenentwendungen und der Verunglimpfung des Andenkens, dem Recht, Entstellungen der Darbietungen eines ausübenden Künstlers nach dessen Tode zu verfolgen, und auch in der Fortwirkung eines zu Lebzeiten erstrittenen Verbotsurteils wegen Ehrverletzung.

Anmerkung: Für das Recht am eigenen Bild ist dieser ideelle postmortale Persönlichkeitsschutz in § 22 S. 3 KUG ausdrücklich geregelt, allerdings beschränkt auf die Dauer von zehn Jahren nach dem Tod.

Die aus diesem postmortalen Persönlichkeitsschutz folgenden Ansprüche auf Unterlassung bzw. Beseitigung der Ehrverletzung kann der Erbe des Betroffenen wahrnehmen.7

2. Vermögenswerte Bestandteile des APR

Die vermögenswerten Bestandteile des APR gehen nach der Rechtsprechung des BGH auf den Erben über.8 Dieser kann aus eigenem Recht auf Unterlassung und Schadensersatz klagen und es stehen ihm die vorhandenen Vermarktungsmöglichkeiten zu.

Die Rechtsprechung macht hierzu aber zwei wichtige Ausnahmen. Zum einen darf der Erbe seine Rechtsmacht nicht gegen den erklärten oder mutmaßlichen Willen des Erblassers einsetzen.

Außerdem wird die Vorschrift des § 22 S. 3 KUG vom BGH analog angewendet. Die Schutzdauer der vermögenswerten Bestandteile des postmortalen Persönlichkeitsrechts ist daher wie das Recht am eigenen Bild (§ 22 S. 3 KUG) auf zehn Jahre nach dem Tod der Person begrenzt.9

III. Problem im vorliegenden Fall

In der hier zu besprechenden Entscheidung war aufgrund des Bearbeitervermerks das Vorliegen einer Verletzung des APR zu unterstellen.

Die einzige zu klärende Frage war daher, ob der Anspruch auf immaterielle Geldentschädigung wegen schuldhafter Verletzung des APR aus § 823 I BGB i.V.m. Art. 2 I, 1 I GG auf den Erben des Betroffenen übergeht.

C) Lösung

Fraglich ist, ob dem K als Erben ein Anspruch auf immaterielle Geldentschädigung wegen schuldhafter Verletzung des APR des Erblassers zustehen kann.

I. Herleitung des Anspruchs

Dem Erblasser könnte gem. § 823 I BGB wegen der Verletzung seines APR ein Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Entschädigung für die entstandenen immateriellen Schäden zustehen.

Zu beachten ist allerdings, dass für immaterielle Schäden gem. § 253 I BGB ein Ersatz in Geld nur in den gesetzlich vorgesehenen Fällen gewährt wird.

Anmerkung: Der klausurrelevanteste Fall ist das Schmerzensgeld nach § 253 II BGB. Als Examenskandidat müssen Ihnen aber weitere Regelungen i.S.d. § 253 I BGB bekannt sein. So gewähren im Fall einer unzulässigen Diskriminierung nach dem AGG die Vorschrift des § 15 II AGG im Arbeitsrecht und die Vorschrift des § 21 II S. 3 AGG im Zivilrecht einen Anspruch auf angemessene Entschädigung.

Die Rechtsprechung gewährt bei der Verletzung des APR dem Geschädigten dennoch einen Ersatz wegen seines immateriellen Schadens in Geld, und zwar in verfassungskonformer Auslegung des § 253 I BGB.10

Die Notwendigkeit einer solchen Auslegung ergibt sich daraus, dass eine Verletzung der Würde und der Ehre des Menschen häufig ohne Sanktion bliebe, wenn eine Geldentschädigung nicht gewährt würde. Die Anerkennung des APR als Schutzgut des § 823 I BGB ergibt sich aus dem hohen Rang, den das Grundgesetz diesem beimisst, Art. 1 I und 2 I GG.

Der Persönlichkeitsschutz wäre lückenhaft und unzureichend, wenn eine Verletzung desselben keine Sanktion auslösen würde. Daher muss dem Verletzten in schweren Fällen entgegen § 253 I BGB Geldersatz für den immateriellen Schaden zugesprochen werden. Für die Entschädigung wegen einer Verletzung des APR ist anerkannt, dass es sich im eigentlichen Sinne nicht um ein Schmerzensgeld nach § 253 II BGB handelt, sondern um einen Rechtsbehelf, der auf den Schutzauftrag aus Art. 1 I GG und Art. 2 I GG zurückgeht.

Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass es sich um eine schwerwiegende Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts handelt, bei der die Beeinträchtigung nach Art und Weise der Verletzung nicht in anderer Weise befriedigend ausgeglichen werden kann.11

Zwischenergebnis: Eine solche Verletzung ist im vorliegenden Fall aufgrund des Bearbeitervermerks zu unterstellen, sodass dem Erblasser grds. ein Entschädigungsanspruch zusteht.

II. Vererblichkeit des Anspruchs

Fraglich ist allerdings, ob der - unterstellte - Geldentschädigungsanspruch des Erblassers nach § 1922 BGB auf dessen Erben K übergegangen ist. Dies setzt voraus, dass der Geldentschädigungsanspruch vererblich ist.

Die Frage, ob der Anspruch auf Geldentschädigung wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts vererblich ist, ist höchstrichterlich bislang nicht abschließend geklärt und in der Literatur umstritten.

1. Nach e.A. ist Anspruch vererblich

Eine Reihe von Autoren bejaht die Vererblichkeit.12

Begründet wird diese Auffassung zunächst mit der uneingeschränkten Vererblichkeit des Schmerzensgeldanspruchs seit der Aufhebung von § 847 I S. 2 BGB a.F. zum 01.07.1990, aus der entsprechende Konsequenzen auch für den Anspruch auf Geldentschädigung wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts zu ziehen seien.

Hinweis zum besseren Verständnis: Aus der früheren Unabtretbarkeit und Unvererblichkeit des Schmerzensgeldanspruchs (§ 847 I S. 2 BGB a.F.13) und des Anspruchs auf das sog. „Kranzgeld" (§ 1300 II BGB a.F.)14 hat der BGH in analoger Anwendung dieser Vorschriften auch dem Anspruch auf Entschädigung in Geld für die Verletzung des APR diesen Charakter zugemessen.

Aufgrund der Streichung des § 1300 BGB a.F. und des § 847 I S. 2 BGB a.F. wird nun argumentiert, dass auch der Anspruch auf Entschädigung für die Verletzung des APR abtretbar und vererblich sein muss.

Darüber hinaus wird angenommen, die unterschiedliche Behandlung des Schmerzensgeldanspruchs einerseits und des Geldentschädigungsanspruchs wegen Verletzung des Per­sönlichkeitsrechts andererseits verstoße gegen Art. 3 I GG. Außerdem müsse eine unberechtigte Besserstellung des Verletzers durch den Tod des Verletzten vor Leistung des Geldersatzes vermieden werden.

Überdies löse sich der auf eine Geldzahlung gerichtete Anspruch mit seiner Entstehung von den ideellen Bestandteilen des Persönlichkeitsrechts.

2. Nach a.A. ist Anspruch nicht vererblich

Die Gegenauffassung stützt sich auf den Zweck der Geldentschädigung, der darin liege, die - grds. nicht vererblichen - ideellen Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu schützen.15

Weiter wird darauf verwiesen, die überwiegende Genugtuungsfunktion des Geldentschädigungsanspruchs aus Persönlichkeitsrechtsverletzungen und ihr höchstpersönlicher Bezug zur Individualität des Betroffenen lasse eine Vererblichkeit nicht zu.

3. Ansicht des BGH

Der BGH folgt in dieser Entscheidung im Ergebnis der zuletzt genannten Ansicht und lehnt die Vererblichkeit des Anspruchs auf Geldentschädigung wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts grundsätzlich ab.

a) Anspruch auf Geldentschädigung gehört zwar nicht zu den ideellen Bestandteilen des APR

Unmittelbar aus der nach wie vor zutreffenden Erkenntnis, dass die ideellen Bestandteile des Persönlichkeitsrechts grds. unauflöslich an die Person ihres Trägers gebunden und als höchstpersönliche Rechte unverzichtbar und unveräußerlich, also nicht übertragbar und nicht vererblich sind (vgl. Problemaufriss mit der dort genannten Ausnahme im „Mephistourteil"), ergibt sich dies noch nicht.

Zwar hat der Geldentschädigungsanspruch seine Grundlage im Schutzauftrag aus Art. 1 und 2 I GG16 und dient gerade den vom APR umfassten ideellen Interessen. Als Geldzahlungsanspruch ist er aber nicht selbst Bestandteil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts.17

b) Unvererblichkeit folgt aber aus der „Genugtuungsfunktion" des Anspruchs

Die Unvererblichkeit ergibt sich aber aus Natur und Zweck des Geldentschädigungsanspruchs selbst.

Entscheidend gegen die Vererblichkeit des Geldentschädigungsanspruchs spricht seine Funktion. Bei der Zuerkennung einer Geldentschädigung im Falle einer schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung steht regelmäßig der Genugtuungsgedanke im Vordergrund.18

Da einem Verstorbenen Genugtuung für die Verletzung seiner Persönlichkeit nicht mehr verschafft werden kann, scheidet nach Ansicht des BGH die Zuerkennung einer Geldentschädigung im Falle der Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsschutzes aus.

Erfolgt die Verletzung des Persönlichkeitsrechts zwar noch zu Lebzeiten des Verletzten, stirbt dieser aber, bevor sein Entschädigungsanspruch erfüllt worden ist, verliert die mit der Geldentschädigung bezweckte Genugtuung regelmäßig ebenfalls an Bedeutung. Gründe, vom Fortbestehen des Geldentschädigungsanspruchs über den Tod des Verletzten hinaus auszugehen, bestehen unter diesem Gesichtspunkt im Allgemeinen mithin nicht.

c) Präventionsgedanke und § 1922 BGB rechtfertigen kein anderes Ergebnis

aa) Der Gedanke der Prävention kann vorliegend zu keiner anderen Beurteilung führen.

Zwar trifft es zu, dass der Geldentschädigungsanspruch auch der Prävention dient.19 Der Präventionsgedanke vermag die Gewährung einer Geldentschädigung aber nicht alleine zu tragen.

bb) Die Annahme der Unvererblichkeit des Anspruchs auf Geldentschädigung wegen Verletzung des APR verstößt auch nicht gegen § 1922 BGB, da die dort vorgesehene Universalsukzession von vornherein auf die vererblichen Vermögensgegenstände beschränkt ist.

hemmer-Methode: Der Gedanke der Universalsukzession gilt nicht ausnahmslos. So regeln im Schuldrecht zahlreiche Vorschriften Ausnahmen zur Vererblichkeit (vgl. z.B. §§ 473, 563 f., 613, 673, 1059, 1061 BGB).

Auch im Personengesellschaftsrecht geht im Falle der Nachfolge bei Tod eines Gesellschafters der Wille der Gesellschafter dem Grundsatz der Universalsukzession vor.

d) Streichung von §§ 847 I S. 2, 1300 BGB a.F. erlaubt keinen Rückschluss auf Vererblichkeit des Anspruchs

An der Unvererblichkeit des Geldentschädigungsanspruchs hat sich auch trotz der inzwischen erfolgten Aufhebung von § 847 I S. 2 BGB a.F. und § 1300 II BGB a.F. nichts geändert.

Der Gesetzgeber hat sich mit der Frage der Vererblichkeit des Geldentschädigungsanspruchs bei Verletzung des APR gar nicht befasst. Eine mittelbare Aussage des Gesetzgebers, der Geldentschädigungsanspruch sei vererblich, lässt sich ebenfalls nicht feststellen.

Mit der Streichung von § 847 I S. 2 BGB a.F. sollte lediglich ein spezifisches Problem im Bereich des Schmerzensgeldes einer Lösung zugeführt werden. Dieses Problem lag im „Wettlauf mit der Zeit", dem sich insbesondere die nächsten Angehörigen ausgesetzt sahen, wenn sie gerade bei schwersten Verletzungen mit der Folge der Bewusstlosigkeit des Verletzten und akuter Lebensgefahr Schmerzensgeldansprüche auch für den Fall des Todes des Verletzten wahren wollten.

Anmerkung: Die epischen Ausführungen des BGH zu den Gesetzesmaterialien haben wir Ihnen vorenthalten, weil dies von Ihnen im Examen nicht verlangt werden kann.

Auch die Aufhebung des § 1300 II BGB a.F. lässt offensichtlich keinen Rückschluss auf einen Willen des Gesetzgebers zu, den Geldentschädigungsanspruch wegen Verletzung des APR vererblich auszugestalten. Grund für die Abschaffung des „Kranzgeldes" war die Annahme, das Kranzgeld als solches, nicht seine Unvererblichkeit, sei rechtspolitisch überholt.

e) Unvererblichkeit verstößt nicht gegen Art. 3 I GG

Dass der Anspruch auf Geldentschädigung anders als der Anspruch auf Schmerzensgeld und andere Immaterialgüterrechte nicht vererblich ist, stellt auch keine sachlich ungerechtfertigte Ungleichbehandlung dar und verstößt deshalb auch nicht gegen Art. 3 I GG.

Zwar ist Art. 3 I GG dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten in wesentlicher Hinsicht anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können.

Vorliegend scheitert die Annahme einer Verletzung von Art. 3 I GG aber daran, dass für die im Hinblick auf die Frage der Vererblichkeit unterschiedliche Behandlung des Geldentschädigungsanspruchs wegen Verletzung des APR einerseits und des Schmerzensgeldanspruchs sowie anderer Immaterialgüterrechte andererseits sachliche Gründe bestehen.

Denn die Unvererblichkeit des Geldentschädigungsanspruchs hat - wie dargelegt - ihren Grund letztlich in der Genugtuungsfunktion, die bei ihm im Vergleich zu sonstigen Ansprüchen auf Ersatz immaterieller Nachteile und gerade auch im Vergleich zum Schmerzensgeldanspruch in besonderem Maße ausgeprägt ist.

Anmerkung: Der BGH setzt sich auch noch mit der Vererblichkeit des Urheberrechts gem. § 28 I UrhG auseinander und lehnt auch diesbezüglich einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz ab.

Auch diese Ausführungen können von Ihnen im Examen nicht verlangt werden und wurden daher in der Life & Law nicht abgedruckt.

f) Evtl. anderes Ergebnis, wenn Klage bei Tod schon rechtshängig war

Der Geldentschädigungsanspruch könnte aber evtl. dann vererblich sein, wenn dieser vor dem Tod des Betroffenen bereits rechtshängig geworden ist.

So war dies nämlich auch für das bis 30.06.1990 unvererbliche Schmerzensgeld in § 847 I S. 2 BGB a.F. und für das unvererbliche Kranzgeld in § 1300 II BGB a.F. vorgesehen.

Ob dies auch für den unvererblichen Anspruch auf Geldentschädigung für die Verletzung des APR gilt, lässt der BGH (leider) ausdrücklich offen, weil im vorliegenden Fall der Anspruch zur Zeit des Todes des Betroffenen erst anhängig war. Die Zustellung der Klage und damit die Rechtshängigkeit (vgl. §§ 253 I, 261 I ZPO) erfolgte erst im März 2011.

Die bloße Anhängigkeit einer auf Geldentschädigung gerichteten Klage ändert aber nichts daran, dass die von der Geldentschädigung bezweckte Genugtuung mit dem Tod des Verletzten an Bedeutung verliert.

Aus § 167 ZPO ergibt sich nichts anderes. Die dort angeordnete Rückwirkung beschränkt sich auf Fälle, in denen durch die Zustellung eine laufende Frist gewahrt oder die Verjährung neu beginnen oder gehemmt werden soll.

Für sonstige Wirkungen der Zustellung gilt sie hingegen nach allgemeiner Meinung nicht.20

Anmerkung: Auch für § 847 I S. 2 BGB a.F. hat der BGH eine Anwendung des § 167 ZPO21 wiederholt abgelehnt.22

III. Ergebnis

K steht gegen B kein Anspruch auf Geldentschädigung wegen schuldhafter Verletzung des APR des Erblassers zu.

D) Kommentar

(mty). Das Urteil des BGH ist sehr sorgfältig begründet.

Zwingend ist das Ergebnis nicht, da die mit dem Geldentschädigungsanspruch bezweckte Genugtuung mit dem Tod des Verletzten nicht komplett an Bedeutung verliert.

Auch für nahe Angehörige und Erben kann diese Genugtuung von Bedeutung sein, wenn es sich um eine schwerwiegende Verletzung der Persönlichkeit handelt.

So hat es der BGH ja auch im „Mephisto-Urteil" zugelassen, dass in solchen Fällen die grds. unvererblichen ideellen Bestandteile des APR durch den Erben von Gustav Gründgens, der in einem Roman von Klaus Mann als Nazi und Mitläufer bezeichnet wurde, geltend gemacht werden können.

Warum in diesem Fall die Erben nicht Genugtuung für eine solche Beleidigung verlangen können, ist nicht unbedingt logisch.

Richtig an der Begründung des BGH ist aber, dass die Streichung von §§ 847 I S. 2, 1300 BGB keinen Rückschluss auf die Vererblichkeit des Geldentschädigungsanspruchs für die Verletzung des APR zulässt. Der Gesetzgeber hat sich zu keiner Zeit mit diesem besonderen „Schmerzensgeldanspruch" auseinander gesetzt. Die Ersatzfähigkeit beruht auf Richterrecht unmittelbar aus Art. 1 I, 2 I GG.

Mit der Streichung des § 847 BGB und der Neuregelung des Schmerzensgeldes in § 253 II BGB hat der Gesetzgeber in Kenntnis der Rechtsprechung einen Anspruch auf Schmerzensgeld nur bei Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung vorgesehen. Eine angemessene Entschädigung wegen Verletzung des APR wurde nicht aufgenommen. Daher lässt die Gesetzgebung keinen Rückschluss auf diesen Entschädigungsanspruch zu.

E) Zur Vertiefung

  • Allgemeines Persönlichkeitsrecht

Hemmer/Wüst, Deliktsrecht I, Rn. 48 ff.

F) Wiederholungsfragen

1. Warum kann entgegen § 253 I BGB bei einer Verletzung des APR ein immaterieller Entschädigungsanspruch in Geld bestehen?

2. Mit welcher Begründung lehnt der BGH die Vererblichkeit des Anspruchs auf Geldentschädigung für die Verletzung des APR ab?


  1. BGH, Life & Law 11/2013, 798 ff. (Tochter von Caroline v. Monaco) BGH, Life & Law 01/2013, 20 ff. („Gaby Köster") BGH, Life & Law 12/2011, 862 ff. („Eva Hermann") BGH, Life & Law 02/2010, 133 ff. („Sohn von Franz Beckenbauer") BGH, Life & Law 12/2008, 853 ff. („Heide Simonis" und „Sabine Christiansen") BGH, Life & Law 02/2008, 75 ff. („Herbert Grönemeyer") BGH, Life & Law 05/2007, 297 ff. („Klaus Kinski")

  2. Ständige Rspr. seit BGHZ 13, 334 (338)

  3. Schönfelder Nr. 67.

  4. Vgl. hierzu Hemmer/Wüst, Deliktsrecht II, Rn. 450 ff.

  5. BGHZ 189, 65 ff.

  6. Vgl. BGHZ 8, 318 [324] offen gelassen von BGHZ 107, 384 [390]

  7. Vgl. das „Mephisto Urteil" des BGH in BGHZ 50, 133 ff.

  8. Vgl. dazu Palandt, § 823 BGB, Rn. 91 sowie das Marlene Dietrich-Urteil des BGH in BGHZ 143, 214 ff. bestätigt vom BVerfG, NJW 2006, 3409 ff.

  9. BGH, Life & Law 05/2007, 297 ff. („Klaus Kinski") = NJW 2007, 684 ff.

  10. Vgl, BGHZ 26, 349 BGHZ 39, 124

  11. Palandt, § 823 BGB, Rn. 200.

  12. MüKo, 6. Aufl., Anhang zu § 12 BGB, Rn. 237 a.E.; Soergel, 13. Aufl., Anh. IV § 823 BGB, Rn. 25; Leipold, Erbrecht, 19. Aufl., Rn. 635 Fn. 51; Cronemeyer, AfP 2012, 10 ff.; Dreier/Specht in Dreier/Schulze, UrhG, 4. Aufl., KUG § 22 Rn. 37 und §§ 33 - 50 Rn. 21; Fechner, Medienrecht, 14. Aufl., Kap. 4 Rn. 157; Kutschera, AfP 2000, 147, 148 f.

  13. § 847 BGB a.F. regelte früher den Anspruch auf Schmerzensgeld, welches inzwischen in § 253 II BGB geregelt ist. Bis 30.06.1990 war der Anspruch auf Schmerzensgeld unvererblich, § 847 I S. 2 BGB a.F. Diese Vorschrift wurde mit Wirkung zum 01.07.1990 aufgehoben, sodass der Anspruch inzwischen vererblich ist.

  14. § 1300 BGB a.F. regelte das sog. „Kranzgeld", welches einer unbescholtenen Verlobten zustand, wenn sich diese ihrem künftigen Ehemann im Vertrauen auf das Zustandekommen der Ehe geschlechtlich hingab und der Mann danach das Verlöbnis aufkündigte. Auch dieser Anspruch war unvererblich, § 1300 II BGB a.F. § 1300 BGB a.F. wurde im Jahr 1998 ersatzlos aufgehoben.

  15. Erman, 13. Aufl., Anh. § 12 BGB, Rn. 320; Burkhardt in: Wenzel, Das Recht der Wort-und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 14 Rn. 140; Damm/Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in den Medien, 3. Aufl., Rn. 1011 ff.; Müller in: Götting/Schertz/Seitz, Handbuch des Persönlichkeitsrechts, § 51 Rn. 28.

  16. BGHZ 165, 203, 204 f.

  17. BGHZ 189, 65

  18. BGHZ 160, 298, 302 BGHZ 128, 1, 15

  19. BGH, VersR 2014, 381

  20. BGH, NJW 2011, 528 BGH, NJW 1982, 1812, 1813 Zöller/Greger, 30. Aufl., § 167 ZPO, Rn. 4.

  21. Damals noch § 270 III ZPO a.F.

  22. BGH, NJW 1976, 1890 f. BGH, NJW 1961, 2347