Rechtsprechungsübersicht Zivilrecht

BGH, Beschluss vom 08.04.2014, VIII ZR 91/13

von Life and Law am 01.12.2014

1. Auch bei einer unmittelbaren Weiterleitung der Ware an einen Endabnehmer durch den Käufer sind zu Lasten des Käufers die zum Streckengeschäft entwickelten Grundsätze anzuwenden.

2. Der Käufer muss im Rahmen seiner Untersuchungs- und Rügeobliegenheit dafür Sorge tragen, dass der Endabnehmer die Ware unverzüglich untersucht und ihn über Mängel informiert. Anderenfalls sind die Mängelrechte des Käufers gegen den Lieferanten präkludiert, § 377 II HGB.

Sachverhalt: V liefert Waren an K. K untersuchte die Ware nicht, sondern schickte diese unmittelbar an einen Drittabnehmer D nach Malaysia weiter. Auch D untersucht die Ware nicht. Erst bei der Weiterverarbeitung bemerkt D die (unstreitige) Mangelhaftigkeit der Lieferung, die dem K bei einer ordnungsgemäßen Untersuchung aufgefallen wäre.

Stehen dem K gegen V Mängelrechte zu?

Lösung: Nach Ansicht des BGH sind die Mängelrechte des Käufers gem. § 377 II BGB wegen Verletzung der Untersuchungs- und Rügeobliegenheit ausgeschlossen.

1. Gemäß § 377 I HGB hat der Käufer die Ware bei einem beiderseitigen Handelsgeschäft unverzüglich nach Ablieferung zu untersuchen, soweit dies nach ordnungsgemäßem Geschäftsgang tunlich ist, und dem Verkäufer unverzüglich Anzeige zu machen, wenn sich ein Mangel zeigt.

Es kann dahinstehen, ob eine Untersuchung der bei K in Deutschland angelieferten Kaufsache vor deren Weitertransport nach Fernost deswegen untunlich war, weil eine Öffnung der Ware vor dem Weitertransport nicht ohne Beschädigung der Ware (drohende Oxidation) möglich gewesen ist.

Im Streitfall haben jedenfalls die für das Streckengeschäft entwickelten Grundsätze entsprechend zu gelten. Bei einem Streckengeschäft ist anerkannt, dass der weiterverkaufende Zwischenhändler die Untersuchung des Kaufobjekts zwar seinem Abnehmer überlassen darf, dann aber auch dafür zu sorgen hat, dass der Abnehmer ihn oder den Verkäufer sobald wie möglich von Mängeln unterrichtet; bei einer vermeidbaren Verzögerung der Mängelanzeige muss sich der Zwischen­händler den aus § 377 II HGB folgenden Rechtsnachteil von seinem Verkäufer entgegenhalten lassen (BGHZ 110, 130, 138 f.).

K hatte daher die Obliegenheit, die gelieferte Ware in Malaysia unverzüglich nach Ankunft der Ware überprüfen zu lassen und eine etwaige Mangelhaftigkeit umgehend anzuzeigen.

2. Wegen Verletzung der Untersuchungs- und Rügeobliegenheit des § 377 I HGB ist K mit sämtlichen Gewährleistungsrechten ausgeschlossen, § 377 II HGB.

Kommentar (ty): Wenn bei einem Streckengeschäft die Untersuchungs- und Rügeobliegenheit fortbesteht, muss dies erst recht gelten, wenn der Käufer die an ihn gelieferte Ware ungeöffnet an seinen Kunden weiterleitet.

Die Rügefrist des § 377 I HGB wird aber erst in Gang gesetzt, wenn die gesamte Ware angeliefert wurde. Wenn von einer verkauften Sachgesamtheit nur ein Teil geliefert worden ist, hat der Käufer noch nicht alle ihm nach dem Vertrag zustehenden Gegenstände erhalten, der Verkäufer seinerseits die ihm obliegende Hauptleistungspflicht noch nicht vollständig erfüllt. Hierin läge eine die Ablieferung im Sinne des § 377 I HGB hindernde -- teilweise Nichterfüllung.