Rechtsprechungsübersicht Zivilrecht (2)

OLG Hamm, Urteil vom 16.01.2014, I-4 U 102/13, ZVertriebsR 2014, 248 f.

von Life and Law am 01.10.2014

Bei Artikeln, die als „B-Ware" vertrieben werden, handelt es sich nur dann um gebrauchte Sachen im Sinne des § 475 II BGB, wenn diese bereits ihrem gewöhnlichen Verwendungszweck zugeführt, mithin tatsächlich gebraucht wurden.

Sachverhalt (abgewandelt): V handelt mit Unterhaltungsmedien. Er bietet als gewerblicher Händler Elektronikware zum Verkauf an Endverbraucher an.

V bietet sog. „A-Ware" zum Neuwarenpreis mit einer Gewährleistungsfrist von zwei Jahren an.

V bietet des Weiteren auch „B-Ware" zu einem reduzierten Kaufpreis an. Dabei handelt es sich um Waren, die nicht mehr original verpackt sind, weil sie einmalig ausgepackt und zum Vorführen des Gerätes seitens des V verwendet wurden bzw. bei denen die Originalverpackung beschädigt wurde oder fehlte. Nach § 10 der Allgemeinen Verkaufsbedingungen des V verjähren die Mängelrechte des Käufers beim Kauf von „B-Ware" in einem Jahr.

Ist die Klausel wirksam?

Lösung: Nach Ansicht des OLG Hamm verstößt die Klausel gegen § 475 II BGB, der die Verkürzung der Gewährleistungsfrist im Rahmen des Verbrauchsgüterkaufs bei neuen Sachen auf weniger als zwei Jahre untersagt, da es sich bei den als sog. „B-Ware" beschriebenen Artikeln nicht um gebrauchte Sachen i.S.d. § 475 II Alt. 2 BGB handelt. Nur für diese wäre die Vereinbarung einer einjährigen Gewährleistungsfrist zulässig.

1. Der Begriff der „gebrauchten Sache" wird weder durch das nationale Recht noch durch die zugrunde liegende Verbrauchsgüterkaufrichtlinie definiert.

Maßgeblich muss insoweit ein objektiver Maßstab sein, d.h. die Eigenschaft als „gebraucht" ist einer Beschaffenheitsvereinbarung der Parteien entzogen. Andernfalls hätte es der Verkäufer in der Hand, durch die Vereinbarung, dass es sich um eine gebrauchte Kaufsache handelt, die Verjährungsfrist auf ein Jahr zu begrenzen.1

Dementsprechend gilt, dass Sachen dann gebraucht sind, wenn sie vom Hersteller, Verkäufer oder einem Dritten bereits ihrer gewöhnlichen Verwendung zugeführt wurden und deshalb mit einem höheren Sachmängelrisiko behaftet sind.

Anmerkung: Die maßgebliche Formulierung der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie heißt dementsprechend im englischen Wortlaut „second-hand goods" und im französischen Wortlaut „bien d´occassion",2 also sinngemäß „aus zweiter Hand".

Die Feststellung, dass es sich um Sachen handelt, die evtl. nicht mehr neu sind bzw. von den potenziellen Kunden nicht mehr als neu angesehen werden, reicht nicht aus. Denn es kann nicht ausgeschlossen werden, dass es neben neu und gebraucht weitere Beschaffenheitsbezeichnungen wie beispielsweise „wie neu", „neuwertig" etc. gibt. Eine nicht mehr neue Sache muss nicht zwangsläufig gebraucht, sondern kann „lediglich" alt sein.

2. Die hier mit der maßgeblichen Beschreibung als B-Ware gekennzeichneten Artikel sind nicht solchermaßen gebraucht.

a) Der Umstand, dass Verkaufsartikel „nicht mehr original verpackt sind, bzw. bei denen die Originalverpackung beschädigt wurde oder fehlte", macht diese nicht zu gebrauchten Sachen.

Denn es fehlt an jeglicher Verwendung, die mit einer Erhöhung des Sachmängelrisikos verbunden sein könnte.

b) Auch das einmalige Auspacken und Vorführen des Gerätes seitens des Verkäufers selbst ändert daran nichts.3 Hierdurch wird der Artikel nicht schon seiner gewöhnlichen Verwendung zugeführt. Dass die Ware allein hierdurch einem erhöhten, für V nicht abschätzbaren und sein Interesse an einer Verkürzung der Gewährleistungsfrist rechtfertigenden Mangelrisiko ausgesetzt wird, ist nicht nachvollziehbar, zumal V selbst vorträgt, dass technische Probleme in der Regel erst nach einer längeren Zeit des Gebrauchs auftauchen.

Dies mag bei mehrmaliger Vorführung eines Gerätes oder bei Vorführgeräten im eigentlichen Sinne anders zu beurteilen sein.4 Um derlei Geräte handelt es sich bei den von V als „B-Ware" vertriebenen Artikeln jedoch nach seiner eigenen Definition nicht.

c) Dem steht die Verkehrsauffassung nicht entgegen. Die Akzeptanz dieser als B-Ware vertriebenen Geräte ohne oder nur mit beschädigter Originalverpackung ist beim Kunden nicht etwa deshalb geringer, weil er diese damit nicht mehr als neu erachtet, sondern weil er das Gesamtprodukt, zu dem auch die Produktverpackung gehört, nicht mehr als vollständig akzeptiert.

Ergebnis: Die Klausel ist daher wegen Verstoßes gegen § 475 II BGB unzulässig.

Kommentar: (ty) Verstoßen Allgemeine Geschäftsbedingungen gegen eine gesetzliche Vorschrift, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, liegt ein Fall des unlauteren geschäftlichen Handelns vor, vgl. § 3 I, II UWG i.V.m. § 4 Nr. 11 UWG.

Damit steht den nach § 8 III UWG aktiv legitimierten Personen (z.B. Mitbewerber, vgl. § 8 III Nr. 1 UWG) ein Anspruch auf Unterlassung gem. § 8 I UWG zu.

Die Vorschrift des § 475 II BGB setzt Art. 5 I, 7 I der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie um. Die Bestimmungen der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie dienen neben der Stärkung des Vertrauens der Verbraucher und der Erreichung eines hohen Verbraucherschutzniveaus dem Abbau von Wettbewerbsverzerrungen und der besseren Nutzung der Vorzüge des Binnenmarkts sowie der neuen Fernkommunikationstechniken. Diesen Zwecken dient auch § 475 II BGB. Die Vorschrift hat daher eine auf die Lauterkeit des Wettbewerbs bezogene Schutzfunktion.

Die in Rede stehende Vereinbarung ist geeignet, dem Unternehmen Kosten zu ersparen, indem der Verbraucher durch eine - wenn auch nicht wirksame

  • Verkürzung der Gewährleistungsfrist davon abgehalten werden kann, seine Gewährleistungsansprüche geltend zu machen. Derartige Klauseln sind daher grundsätzlich geeignet, den Verbraucher daran zu hindern, eine informationsgeleitete Entscheidung zu treffen.

Die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr (vgl. § 8 I UWG) wird aufgrund des bereits verwirklichten Verstoßes tatsächlich vermutet, solange keine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben wird.

Die anwaltlichen Abmahnkosten sind in diesem Fall gem. § 12 I S. 2 UWG -- einem lex specialis zu §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB -- zu erstatten.


  1. BGH, NJW 2007, 674, 677 **; MüKo, 6. Aufl., § 474 BGB, Rn. 15; Palandt, 73. Aufl., § 475 BGB, Rn. 11; Staudinger, Neub. 2014, § 475 BGB, Rn. 89.

  2. MüKo, 6. Aufl., § 474 BGB, Rn. 14 Fn. 45.

  3. BeckOK-Faust, Stand: 01.03.2011, § 474 BGB, Rn. 18.

  4. BeckOK-Faust, a.a.O.