Rechtsprechungsübersicht Zivilrecht (10)

BGH, Urteil vom 06.11.2013, VIII ZR 353/12 = NJW 2014, 454 ff.

von Life and Law am 01.03.2014

In den AGB des Online-Shops eines Möbelhauses, das auf Wunsch des Kunden auch den Aufbau der gekauften Möbel beim Kunden anbietet, hält die Regelung

„Wir schulden nur die rechtzeitige, ordnungsgemäße Ablieferung der Ware an das Transportunternehmen und sind für vom Transportunternehmen verursachte Verzögerungen nicht verantwortlich."

der Inhaltskontrolle nach §§ 307 I, II, 309 Nr. 7b BGB nicht stand.

Sachverhalt (verkürzt und abgewandelt): V betreibt als Möbelhändlerin auch einen Online-Shop. In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen für den Online-Shop (im Folgenden: AGB Online-Shop) ist unter anderem in § 4 geregelt:

„Wir schulden nur die rechtzeitige, ordnungsgemäße Ablieferung der Ware an das Transportunternehmen und sind für vom Transportunternehmen verursachte Verzögerungen nicht verantwortlich."

Auf der Website des Online-Shops heißt es unter „Möbel online kaufen" unter anderem:

„Ist eine Montage der bestellten Ware möglich? Gerne können Sie die Montage Ihrer Möbel hinzu buchen. Nehmen Sie hierzu Kontakt mit unserem Kundenservice auf (...)."

Ist § 4 AGB Online-Shop wirksam?

Lösung: Nach Ansicht des BGH hält die Regelung in § 4 AGB Online-Shop der Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB nicht stand.

I. § 4 AGB Online-Shop bezieht sich auch auf Kaufverträge, in denen sich V zur Montage der Möbel beim Kunden verpflichtet. Die Regelung benachteiligt den Kunden eines solchen Vertrags unangemessen, weil sie ohne sachlichen Grund von der gesetzlichen Regelung über den Leistungsort (§ 269 I BGB) abweicht und dadurch den Gefahrübergang (§ 446 BGB) zum Nachteil des Kunden verändert (§ 307 I, S.1,  II Nr. 1 BGB).

1. Der Verkäufer übernimmt bei Geschäften im Versandhandel in der Regel keine Bringschuld, sondern nur eine Schickschuld.

Nach Ansicht des BGH begründet der Umstand, dass es im Versandhandel typischerweise Aufgabe des Verkäufers ist, die Versendung der Kaufsache

  • auf eigene oder fremde Kosten - zu veranlassen, für sich allein nicht die Annahme, der Empfangsort solle auch Leistungsort (Erfüllungsort) für die Lieferpflicht des Verkäufers sein (vgl. § 269 III BGB).1 Aus § 447 BGB ergibt sich nichts anderes. Da der nach § 269 BGB zu bestimmende Leistungsort von § 447 I BGB nicht berührt wird, hat auch die Regelung des § 474 II BGB, nach der die Anwendung des § 447 I BGB auf den Verbrauchsgüterkauf - zwingend (§ 475 I BGB) - ausgeschlossen ist, keine Auswirkungen auf den Leistungsort.

hemmer-Methode: Diese absolute Nichtgeltung des § 447 BGB beim Verbrauchsgüterkauf wird sich mit Wirkung zum 13.06.2014 ändern. Durch Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie wird die Vorschrift des § 474 II S. 2 BGB durch § 474 V S. 2 BGB ersetzt. In § 474 IV BGB n.F. ist aber nun geregelt, dass § 447 I BGB mit der Maßgabe gilt, dass die Gefahr des zufälligen Untergangs und der zufälligen Verschlechterung auf den Käufer übergeht, wenn dieser den Spediteur, den Frachtführer oder die sonst zur Ausführung der Versendung bestimmte Person oder Anstalt mit der Ausführung beauftragt hat und der Unternehmer dem Käufer diese Person oder Anstalt nicht zuvor benannt hat.

Für die Sonderkonstellation, dass der Verbraucher die Beförderung der Sache selbst organisiert, also den oder die möglichen Beförderer ohne Rückgriff auf einen Vorschlag des Unternehmers auswählt, ist § 447 I BGB daher zukünftig anwendbar. Die Gesetzesänderung beruht auf der Erwägung, dass der Beförderer in einem solchen Fall der Sphäre des Käufers zuzurechnen ist.

Beispiel: K kauft auf der Internetplattform eBay von Powerseller V ein Notebook zum privaten Gebrauch. V schreibt auf seiner Verkaufsseite, dass die Versendung durch Hermes-Versand erfolgen wird. Da K mit dem Hermes-Zusteller in seinem Wohnort schlechte Erfahrungen gemacht hat, bittet K den V, den Versand über DHL selbst organisieren zu dürfen.

In diesem Fall, der die absolute Ausnahme darstellen wird, findet § 447 I BGB künftig auch beim Verbrauchsgüterkauf Anwendung.

2. Die Vermutung, dass im Zweifel auch im Versandhandel der Sitz des Verkäufers Erfüllungsort für die Verkäuferpflichten ist, greift aber nur ein, wenn ein (anderer) Ort für die Leistung weder von den Beteiligten bestimmt noch aus den Umständen, insbesondere aus der Natur des Schuldverhältnisses, zu entnehmen ist (§ 269 I BGB). Letzteres ist hier der Fall.

Die Regelung in § 4 AGB Online-Shop bezieht sich auch auf Kaufverträge, in denen sich die Beklagte zur Montage der vom Kunden online bestellten Möbel verpflichtet.

a) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden. Dabei sind die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen. Zweifel bei der Auslegung gehen nach § 305c II BGB zu Lasten des Verwenders.2

b) Nach diesen Grundsätzen ist § 4 AGB Online-Shop dahin auszulegen, dass sich die Regelung auch auf Kaufverträge bezieht, in denen sich die Beklagte zur Montage der bestellten Möbel beim Kunden verpflichtet.

Dass die entsprechende Zusatzvereinbarung einer telefonischen oder anderweitigen Kontaktaufnahme mit dem Kundenservice der Beklagten bedarf, ändert daran nichts. Vielmehr verweist die Beklagte auf der Website des Online-Shops am Ende der Seite „Möbel online kaufen" auf ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen für den Online-Shop. Auch dieser Hinweis legt das Verständnis nahe, dass sich § 4 AGB Online-Shop auch auf Kaufverträge mit hinzu gebuchter Montageverpflichtung der Beklagten bezieht.

c) Bei einem Möbelkaufvertrag mit der Verpflichtung des Verkäufers zur Montage der bestellten Möbel beim Kunden liegt nach der Natur des Schuldverhältnisses eine Bringschuld vor. Denn bei solchen Verträgen, bei denen Lieferung und Montage der Kaufsache untrennbar miteinander verbunden sind, kann die Montage der gekauften Möbel als vertraglich geschuldete Leistung des Verkäufers nur beim Kunden erbracht und auch nur dort festgestellt werden, ob die Kaufsache vertragsgemäß geliefert und aufgebaut wurde. Dies rechtfertigt die Annahme einer Bringschuld.3

3. Da sich § 4 AGB Online-Shop, wie ausgeführt, auch auf Kaufverträge bezieht, die eine Bringschuld der Beklagten zum Gegenstand haben, weicht die Klausel, nach der die Beklagte nur die rechtzeitige, ordnungsgemäße Ablieferung der Ware an das Transportunternehmen schuldet, zum Nachteil des Kunden vom Leistungsort des § 269 BGB und der Regelung des § 446 BGB ab, nach der die Gefahr nicht schon mit der Übergabe an das Transportunternehmen, sondern erst mit der Übergabe an den Käufer auf diesen übergeht. Darin liegt eine im Sinne des § 307 I, II BGB unangemessene Benachteiligung des Kunden, weil ein sachlicher Grund für die Abweichung nicht gegeben ist.

II. Soweit die Klausel darüber hinaus bestimmt, dass die Beklagte für vom Transportunternehmen verursachte Verzögerungen nicht verantwortlich ist, schließt sie bei vereinbarter Bringschuld entgegen §§ 278, 280 I BGB - ebenfalls in sachlich nicht gerechtfertigter Weise - die Verantwortung der Beklagten für den Transport der Kaufsache aus. Dieser Haftungsausschluss nach § 4 AGB Online-Shop verstößt gegen das Klauselverbot des § 309 Nr. 7b BGB.

Ergebnis: Die verwendete Klausel ist daher unwirksam.


  1. BGH, NJW 2003, 3341 **.

  2. BGH, NJW 2013, 926 **.

  3. Vgl. OLG Oldenburg, NJW-RR 1992, 1527 ** zur Lieferung und Montage von Möbeln, insbesondere Einbauküchen.