Rechtsprechungsübersicht Zivilrecht (7)

BGH, Urteil vom 03.12.2013, VI ZR 24/13

von Life and Law am 01.05.2014

1. Dem Geschädigten steht es grds. frei, den von einem Sachverständigen ermittelten Fahrzeugschaden fiktiv abzurechnen. Die Umsatzsteuer ist dabei in Abzug zu bringen, § 249 II S. 2 BGB.

2. Lässt der Geschädigte den Schaden sach- und fachgerecht in dem Umfang reparieren, den der eingeschaltete Sachverständige für notwendig gehalten hat und unterschreiten die von der beauftragten Werkstatt berechneten Reparaturkosten die von dem Sachverständigen angesetzten Kosten, so beläuft sich auch im Rahmen einer fiktiven Abrechnung der zur Herstellung erforderliche Geldbetrag auf die tatsächlich angefallenen Bruttokosten. Der Geschädigte hat in diesem Fall keinen Anspruch auf Zahlung des vom Sachverständigen angesetzten Nettobetrages zuzüglich der tatsächlich gezahlten Umsatzsteuer, soweit dieser Betrag die tatsächlich gezahlten Bruttoreparaturkosten übersteigt.

Sachverhalt (vereinfacht):

S ist für einen Verkehrsunfall allein verantwortlich, bei dem das Fahrzeug des G beschädigt wurde. Ein Sachverständiger ermittelt Reparaturkosten in Höhe von 11.900,- € (10.000,- € netto zzgl. 1.900,- € Umsatzsteuer).

G lässt das Fahrzeug sach- und fachgerecht nach den Vorgaben des Sachverständigengutachtens instand setzen. Die Kosten belaufen sich auf 10.710,- € (9.000,- € netto zzgl. 1.710,- € Umsatzsteuer). Auf dieser Basis wird der Schaden von der Versicherung des S reguliert.

G ist der Meinung, er könne trotz der Reparatur fiktiv abrechnen und zusätzlich den tatsächlich angefallenen Umsatzsteuerbetrag verlangen, also 11.710,- € (10.000,- € netto laut Gutachten zzgl. 1.710,- € Umsatzsteuer). Schließlich sei die Umsatzsteuer in diesem Umfang ja angefallen. Außerdem erleide S dadurch keinen Nachteil, weil man ja auch in einer Fachwerkstatt hätte reparieren lassen können. Dort hätte die Reparatur brutto 11.900,- € gekostet.

Kann G von S eine Nachzahlung in Höhe von 1.000,- € verlangen?

Lösung:

Der BGH setzt sich in der vorliegenden Entscheidung mit den Grundsätzen der fiktiven Schadensberechnung auseinander und klärt eine bis dato offene Frage.

1. Sofern die Voraussetzungen der fiktiven Abrechnung vorliegen,1 dürfen im Rahmen des zu ersetzenden Betrags grundsätzlich die Stundensätze einer markengebundenen Fachwerkstatt angesetzt werden. Dies gilt unabhängig davon, ob eine Reparatur tatsächlich voll, minderwertig oder überhaupt nicht durchgeführt wird. Allerdings ist unter Umständen eine Verweisung des Schädigers auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne weiteres zugänglichen anderen freien Werkstatt möglich, wenn der Schädiger darlegt und ggf. beweist, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht und der Geschädigte keine Umstände aufzeigt, die ihm eine Reparatur außerhalb der markengebundenen Fachwerkstatt unzumutbar machen.

2. Diese Verweisungsmöglichkeit hat ihren Grund darin, dass die vom Sachverständigen angesetzten Beträge nicht zwingend dem tatsächlich Erforderlichen im Sinne des § 249 II S. 1 BGB entsprechen. Die Ermittlung erfolgt ohne einen Bezug zu tatsächlich getätigten Aufwendungen. Der Geschädigte darf insoweit grundsätzlich disponieren, indem er sich auf diese fiktive Grundlage einlässt. Er trägt damit bei fiktiver Abrechnung das Risiko, dass die Beträge zu niedrig angesetzt wurden.

Wenn demgegenüber dargelegt wird, dass die Beträge zu hoch angesetzt wurden, weil die Reparatur in gleicher Qualität günstiger durchführbar ist, muss der Geschädigte sich darauf verweisen lassen, denn das Schadensrecht ist Ausgleichsrecht. Der Geschädigte soll im Nachgang nicht besser stehen, als er ohne die Schädigung stünde. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Geschädigte darlegt, dass ihm aus sonstigen Gründen eine Reparatur in einer freien Werkstatt nicht zumutbar wäre. Das ist z.B. während der Laufzeit einer Garantie der Fall, die ihre Leistungen stets davon abhängig macht, dass in einer markengebundenen Fachwerkstatt repariert wird.

Angesichts dieser Rechtslage versteht es sich von selbst (! O-Ton BGH), dass auf der Grundlage einer preiswerteren Reparaturmöglichkeit abzurechnen ist, wenn eine Verweisung durch die Schädigerseite darauf nicht einmal erforderlich ist, weil der Geschädigte die Möglichkeit einer vollständigen und fachgerechten, aber preiswerteren Reparatur selbst darlegt und -- so wie vorliegend -- sogar wahrgenommen hat.

hemmer-Methode: Beachten Sie, dass die Entscheidung ausdrücklich nur den Fall betrifft, dass die Reparatur tatsächlich nach den Vorgaben des Sachverständigengutachtens sach-und fachgerecht durchgeführt wurde. Der Zuspruch weiterer 1.000,- € würde hier dem schadensrechtlichen Bereicherungsverbot entgegenstehen.

Ausdrücklich offen gelassen hat der BGH die Konstellation, dass nicht fachgerecht repariert wurde, ggfs. sogar in Eigenleistung, dabei aber z.B. für Ersatzteile Umsatzsteuer anfällt. Hier wird vertreten, dass der Geschädigte mit der Reparatur hinter dem Aufwand zurückbleibt, den er hätte betreiben können, sodass eine fiktive Abrechnung möglich ist. Allerdings ist fraglich, ob die partiell angefallene Umsatzsteuer zusätzlich zum Nettobetrag verlangt werden kann. Hier steht eine Entscheidung des BGH noch aus.

Ergebnis:

G kann von S nicht die Zahlung weiterer 1.000,- € verlangen.


  1. Dies ist dann nicht der Fall, wenn die Reparaturkosten jenseits von 100 % des Wiederbeschaffungswertes liegen. Ein Aufschlag auf bis zu 130 % ist in diesen Fällen nur gerechtfertigt, wenn tatsächlich eine Reparatur durchgeführt wird.