Rechtsprechungsübersicht Zivilrecht (6)

BGH, Urteil vom 05.03.2014, VIII ZR 205/13, NJW 2014, 1653 ff.

von Life and Law am 01.07.2014

1. Der vermietende Wohnungseigentümer kann von einem Mieter, der einen Schlüssel verloren hat, Schadensersatz für die Kosten des Austausches der Schließanlage gem. §§ 280 I, 535, 241 II BGB verlangen.

2. Derartige Schadensersatzansprüche bestehen aber dann nicht, wenn die Schließanlage der Wohnungseigentumsanlage tatsächlich nicht (insgesamt) ausgetauscht worden ist. Es fehlt dann an einem erstattungsfähigen Vermögensschaden, sodass auch eine fiktive Abrechnung nicht in Betracht kommt.

Sachverhalt (verkürzt und abgewandelt): M hat von V eine Wohnung in einer Wohnungseigentumsanlage gemietet. Beim Auszug gibt M lediglich einen von den zwei überlassenen Schlüsseln zurück, da er einen verloren hat. V verlangt von M auf Grundlage eines Kostenvoranschlages von M Schadensersatz i.H.v. 1.500,- € für den Austausch der Schließanlage.

Kann V von M Ersatz der Kosten verlangen, wenn er die Schließanlage nicht ausgetauscht hat?

Lösung: Nach Ansicht des BGH steht V kein Schadensersatz gegen M zu, wenn die Schließanlage der Wohnungseigentumsanlage tatsächlich nicht (insgesamt) ausgetauscht worden ist.

I. Gibt der Mieter einer Eigentumswohnung bei seinem Auszug einen von zwei überlassenen Wohnungsschlüsseln nicht zurück, steht dem Vermieter grds. ein Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 280 I, 535 I, 546 I, 241 II BGB zu, weil der Mieter seine mietvertragliche Nebenpflicht zur Obhut über den nicht mehr auffindbaren Schlüssel verletzt hat.

Diese Pflichtverletzung hat M im vorliegenden Fall zu vertreten, weil er zu seiner Exkulpation gem. § 280 I S. 2 BGB nichts vorgetragen hat.

II. Der Verlust des Wohnungsschlüssels einer Schließanlage aus Sicherheitsgründen kann auch den Austausch der gesamten Schließanlage erforderlich machen, falls eine missbräuchliche Verwendung des nicht auffindbaren Schlüssels durch Unbefugte zu befürchten ist.1

III. Jedoch hat V gegen M dann keinen Anspruch auf Zahlung des für den Austausch der Schließanlage erforderlichen Geldbetrags, solange er die Schließanlage nicht austauscht. Zwar kann ein Geschädigter den für die Beseitigung eines Sachschadens erforderlichen Aufwand im Hinblick auf § 249 II S. 1 BGB grundsätzlich auch fiktiv abrechnen. Dies setzt aber voraus, dass ein erstattungsfähiger Vermögensschaden entstanden ist. Hieran fehlt es im vorliegenden Fall.

1. Nach einer in der Rechtsprechung der Instanzgerichte und in der mietrechtlichen Literatur teilweise vertretenen Auffassung, der auch das Berufungsgericht2 folgt, soll der Verlust eines einzelnen, zu einer Schließanlage gehörenden Schlüssels allerdings zu einem Sachschaden an der Schließanlage führen. Denn die Sachgesamtheit „Schließanlage" sei durch den Verlust des Schlüssels und die damit verbundene Missbrauchsgefahr in ihrer Funktion beeinträchtigt. Der Eigentümer könne deshalb seinen Schaden abstrakt berechnen und die (fiktiven) Kosten eines Austausches der Schließanlage gemäß § 249 II S. 1 BGB als den zur Wiederherstellung erforderlichen Geldbetrag verlangen.3

2. Die Gegenmeinung sieht in dem Verlust eines Schlüssels keine Beschädigung der Schließanlage als Sachgesamtheit.4 Der Verlust eines nachlieferbaren Schlüssels sei kein Eingriff in die Sachsubstanz der Schließanlage.

Die Mietsache erleide durch den Verlust des Schlüssels auch keine Wertminderung. Solange die Schließanlage nicht erneuert worden sei, bestehe kein Schaden, denn allein die Sorge, es könne mit dem verlorenen Schlüssel Missbrauch getrieben werden, sei nicht kommerzialisierbar. Der Austausch der Schließanlage sei eine Maßnahme der Schadensverhütung, für die Schadensersatz erst nach Durchführung verlangt werden könne, da sich der Geschädigte andernfalls die bloße Besorgnis weiterer Schäden in Geld bezahlen ließe.

3. Nach Ansicht des BGH gebührt der letztgenannten Auffassung der Vorzug.

a) Eine Sache oder Sachgesamtheit ist nur dann beschädigt, wenn ihre Sachsubstanz verletzt ist. Der Verlust eines Schlüssels führt aber bei der gebotenen wertenden Betrachtung nicht zu einer - über die hier nicht streitgegenständliche Einbuße des verlorenen Schlüssels hinausgehende -- Beeinträchtigung der Sachsubstanz der Schließanlage.

Dass die Schließanlage in ihrer Sicherungsfunktion beeinträchtigt ist, wenn sich Unbefugte mit dem verloren gegangenen Schlüssel Zutritt verschaffen könnten, ist keine unmittelbare Folge eines Substanzeingriffs. Dies zeigt sich schon daran, dass diese Funktionsbeeinträchtigung durch einen neu angefertigten Schlüssel und die damit verbundene Kompensation der eingebüßten Sachsubstanz nicht beseitigt werden könnte.

b) Soweit das Berufungsgericht die durch den Verlust des Schlüssels bedingte Funktionsbeeinträchtigung als Eingriff in die „substantielle Funktionalität" der Sachgesamtheit „Schließanlage" wertet, vermengt es die Verletzung der Sachsubstanz und die Beeinträchtigung der Sicherungsfunktion der Schließanlage. Während im ersten Fall schon aufgrund der schadensrechtlichen Differenzhypothese vom Vorliegen eines Sachschadens auszugehen ist, bedarf es bei der beschriebenen Beeinträchtigung der Sicherungsfunktion einer wertenden Betrachtung unter Einbeziehung der Verkehrsauffassung, ob sich das wegen einer Missbrauchsgefahr bestehende Sicherheitsrisiko zu einem Vermögensschaden verfestigt hat.

Dies ist nicht der Fall. Das rein abstrakte Gefährdungspotential stellt regelmäßig keinen erstattungsfähigen Vermögensschaden dar. Ein ersatzfähiger Schaden entsteht vielmehr erst dann, wenn sich der Geschädigte aus objektiver Sicht unter den konkret gegebenen Einzelfallumständen zur Beseitigung einer fortbestehenden Missbrauchsgefahr veranlasst sehen darf, die Schließanlage zu ersetzen, und diesen Austausch auch tatsächlich vornimmt. In einem solchen Fall hat sich das Gefährdungspotential in einer Vermögenseinbuße realisiert. An diesen Voraussetzungen fehlt es hier.

Ergebnis: V kann daher von M nicht Ersatz der fiktiven Kosten für den Austausch der Schließanlage verlangen.


  1. Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, 11. Aufl., § 546 BGB, Rn. 35.

  2. LG Heidelberg, Urteil vom 24.06.2013, Az: 5 S 52/12

  3. KG Berlin, NJW-RR 208, 1245 ff. LG Münster, WuM 1989, 508 Lützenkirchen, Mietrecht, § 546 BGB, Rn. 121.

  4. LG Wiesbaden, NZM 1999, 308 , AG Ludwigsburg, WuM 2010, 355 AG Rheinbach, NZM 2005, 822 Drasdo, NJW-Spezial 2011, 161, 162.