Durchsuchung beim Berufsgeheimnisträger -- wann verhältnismäßig?

LG Saarbrücken, Beschluss vom 12.03.2013 -- 2 Qs 15/13

von Life and Law am 01.10.2013

+++ Rechtsschutz gegen strafprozessuale Zwangsmaßnahmen +++ Beschwerde, § 304 StPO +++ Durchsuchung gem. § 103 I StPO +++ Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, § 160a II StPO +++

Sachverhalt (vereinfacht): Gegen G wird wegen Insolvenzverschleppung in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der G-GmbH ermittelt. Der Insolvenzverwalter der G-GmbH teilt der Staatsanwaltschaft mit, dass G dem Steuerberater S vor der Insolvenz der Gesellschaft wichtige Unterlagen hinsichtlich der Finanzsituation der GmbH übergeben hat. Darunter sind Dokumente, mit denen S die laufende Buchführung der GmbH durchführen sollte sowie solche, die zur Erstellung des Jahresabschlusses und der Steuererklärung dienten. Die Unterlagen, die S noch immer im Besitz hat, sind geeignet, als Beweismittel im Verfahren gegen G verwendet zu werden. Die G-GmbH selbst ist mittlerweile aufgelöst und im Handelsregister gelöscht. Um in den Besitz der Unterlagen zu kommen, beantragt die Staatsanwaltschaft beim zuständigen Ermittlungsrichter einen Durchsuchungsbeschluss. Ziel ist das Auffinden der Unterlagen in der Kanzlei des S mit dem Ziel, sie als Beweismittel zu beschlagnahmen, um G zu überführen. Der Ermittlungsrichter erlässt den Beschluss wie von der Staatsanwaltschaft beantragt.

Nachdem die Durchsuchung durch die Polizei erfolgreich durchgeführt wurde, möchte S gerichtliche Schritte gegen den Durchsuchungsbeschluss unternehmen. Er trägt vor, dass die Durchsuchung nicht nötig gewesen sei. Er wäre auch ohne diese Maßnahme auf Nachfrage zur Herausgabe der Dokumente bereit gewesen, da er die Arbeiten an der Buchführung und den Steuererklärungen der liquidierten G-GmbH längst abgeschlossen hat. Zudem sei die Maßnahme geeignet, das Vertrauensverhältnis zu seinen Mandanten zu zerstören und daher höchst geschäftsschädigend.

Hat ein formgemäß beim zuständigen Gericht eingelegter Rechtsbehelf des S gegen den Durchsuchungsbeschluss Aussicht auf Erfolg? Auf die Vorschriften §§ 97 I Nr. 3, 160a II S. 1 StPO wird hingewiesen.

A) Sounds

1. Unterlagen beim Steuerberater, die nicht mehr zum Zweck der Buchführung, Abschlusserstellung oder Bearbeitung von Steuererklärungen benötigt werden, sind nicht gem. § 97 StPO beschlagnahmefrei. Der Schutz des § 97 StPO endet mit Erledigung des Auftrages und ist damit enger als das Zeugnisverweigerungsrecht des § 53 StPO.

2. § 160a II StPO ist auch dann anwendbar, wenn § 97 StPO nicht mehr erfüllt ist.

3. Im Rahmen des § 160a StPO ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz mit Blick auf das Zeugnisverweigerungsrecht gem. § 53 I StPO in besonderem Maße zu beachten.

4. Eine Durchsuchung gem. § 103 I StPO ist dann unverhältnismäßig, wenn schon ein Herausgabeverlangen gem. § 95 I StPO erfolgversprechend ist, also weder das Risiko einer Verfahrensverzögerung noch des Beweismittelverlusts besteht.

B) Problemaufriss

Die Entscheidung des LG Saarbrücken ist in mehrfacher Hinsicht beachtenswert. Sie gibt einerseits Anlass zur allgemeinen Wiederholung der Rechtsschutzmöglichkeiten gegen strafprozessuale Zwangsmaßnahmen.

Auf der anderen Seite befasst sie sich mit anspruchsvollen Problemen des Rechts der Durchsuchung, deren Lösung einen hohen Grad an Argumentationsvermögen erfordert. Hervorzuheben ist die Frage des Endes der Beschlagnahmefreiheit gem. § 97 StPO. Über § 97 StPO wird auch die Brücke zu § 53 StPO und dem Recht der Zeugnisverweigerung von Berufsträgern am Fall eines Steuerberaters geschlagen. Bei der abschließenden Abwägung im Rahmen der Verhältnismäßigkeit der Zwangsmaßnahme gilt es § 160a II StPO zutreffend anzuwenden.

C) Lösung

Ein Rechtsbehelf des S gegen die Durchsuchungsanordnung hat Aussicht auf Erfolg, wenn er zulässig und begründet ist.

I. Zulässigkeit

Der Rechtsbehelf des S ist zulässig, wenn alle Sachentscheidungsvoraussetzungen vorliegen.

1. Statthaftigkeit

Statthafter Rechtsbehelf könnte die Beschwerde gem. § 304 I StPO sein. Eine Beschwerde ist nach § 304 I StPO insbesondere statthaft gegen Beschlüsse des Gerichts und gegen Verfügungen des Richters im Vorverfahren.

Hier begehrt S die Feststellung, dass der Durchsuchungsbeschluss des Ermittlungsrichters (vgl. § 162 StPO) rechtswidrig war. Er wendet sich also nicht gegen die Durchführung der Beschlagnahme durch die Polizei, sondern gegen ihre Anordnung durch den Richter i.S.d. § 105 I S. 1 StPO. Hierbei handelt es sich um eine Verfügung des Richters im Vorverfahren, sodass die Beschwerde gem. § 304 I StPO statthaft ist. Der Durchsuchungsbeschluss ist zudem nicht i.S.d. § 304 I StPO a.E. der Anfechtbarkeit entzogen.

hemmer-Methode: Es empfiehlt sich, beim Rechtsschutz gegen Zwangsmaßnahmen folgende gedankliche Abfolge einzuhalten: Erstens ist zu klären, ob sich der Rechtsschutz gegen eine erledigte oder noch nicht erledigte Maßnahme richtet. Erledigte Maßnahmen nach § 101 I StPO unterliegen nämlich gem. § 101 VII StPO einem nach h.M. abschließenden eigenen Rechtsbehelf. Bei allen anderen erledigten Maßnahmen bedarf es eines besonderen Feststellungsinteresses als Teil des Rechtsschutzbedürfnisses. Zweitens ist bei den Maßnahmen, die nicht § 101 StPO unterfallen, zu fragen, ob sich der Rechtsschutz gegen die Anordnung der Zwangsmaßnahme oder aber die Art und Weise der Durchführung richtet. Gegen das „Ob" der Anordnung durch einen Richter ist die Beschwerde gem. § 304 StPO statthaft. In allen anderen Fällen -- Rechtsschutz gegen die Anordnung durch Staatsanwaltschaft oder Polizei sowie Art und Weise der Durchführung bei allen Maßnahmen -- ist § 98 II S. 2 StPO (ggf. analog) der statthafte Rechtsbehelf. Lange war umstritten, ob dies auch für erledigte Maßnahmen gilt oder ob stattdessen eine Fortsetzungsfeststellungsklage gem. § 28 I S. 4 EGGVG zu erheben ist. Die heute ganz h.M. nimmt auch in diesem Fall § 98 II S. 2 StPO an und verweist auf die Subsidiarität des Rechtsschutzes des EGGVG gem. § 23 III EGGVG.1

2. Beschwerdeberechtigung

S ist auch beschwerdeberechtigt. Gem. § 304 II StPO steht die Beschwerdeberechtigung auch anderen Personen als dem Beschuldigten zu, wenn diese durch eine Maßnahme i.S.d. § 304 I StPO betroffen sind. Dies ist bei S, der sich hier mit einer Durchsuchung als Nicht-Beschuldigter gem. § 103 I StPO konfrontiert sieht, der Fall.

3. Rechtsschutzbedürfnis

Allein fraglich ist, ob S hinsichtlich der Beschwerde auch rechtsschutzbedürftig ist. Dies steht in Frage, da sich die angegriffene Maßnahme durch ihre Durchführung erledigt hat. Freilich ist allgemein anerkannt, dass die Erledigung das Rechtsschutzbedürfnis nicht notwendig entfallen lässt. Erforderlich ist aber die Geltendmachung eines besonderen Feststellungsinteresses.2

hemmer-Methode: An dieser Stelle kann auf die aus dem Verwaltungsrecht bekannten Fallgruppen des Feststellungsinteresses zurückgegriffen werden. Anerkannte übertragbare Fallgruppen sind insbesondere: Wiederholungsgefahr, Rehabilitationsinteresse, schwerwiegende und sich kurzfristig erledigende Grundrechtseingriffe.3

Im vorliegenden Fall ergibt sich das Rechtsschutzbedürfnis aus der Schwere des Grundrechtseingriffs bei S. S ist nicht Beschuldigter, muss aber einen tiefgreifenden Eingriff insbesondere in sein Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung gem. Art. 13 GG hinnehmen. Ihm steht auch keine Zeitspanne zur Verfügung, die es erlaubte, sich gegen den Eingriff vor seiner Erledigung zur Wehr zu setzen. Daneben erscheint ein Rehabilitationsinteresse diskutabel. Die Wohnungsdurchsuchung ist nach der Einschätzung des S geschäftsschädigend, sodass anzunehmen ist, dass der Eingriff erhebliche nachteilige Folgen für die Reputation und das berufliche Fortkommen des S zeitigt, die es auch nach Erledigung der Maßnahme zu beseitigen gilt.

Folglich ist S rechtschutzbedürftig.

Zwischenergebnis: Die Beschwerde gem. § 304 StPO ist damit zulässig.

II. Begründetheit

Die Beschwerde ist begründet, soweit die Durchsuchung bei S rechtswidrig war und S in seinen Rechten verletzte. Fraglich ist zunächst, ob die Anordnungsvoraussetzungen für eine Durchsuchung nach § 103 I StPO vorgelegen haben.

1. Anfangsverdacht

Es bestand der für § 103 I S. 1 StPO erforderliche Anfangsverdacht gegen einen Dritten i.S.e. konkret durch Tatsachen gestützten Möglichkeit, dass eine verfolgbare Straftat vorliegt.4 Laut Sachverhalt bestand die Möglichkeit, dass G eine Insolvenzverschleppung begangen hat.

2. Tatsachenbasierte Auffindensvermutung

Nach den Aussagen des Insolvenzverwalters konnte die Staatsanwaltschaft auch davon ausgehen, dass sie die Unterlagen in den Räumen der Kanzlei des S auffinden würde, was letztlich auch geschah. Die tatsachenbasierte Auffindensvermutung des § 103 I StPO war bei Anordnung der Maßnahme gegeben.

3. Kein Beschlagnahmeverbot

Die Buchführungs- und Steuererklärungsdokumente der G-GmbH dürften zudem keinem Beschlagnahmeverbot bei S unterliegen. Ein solches könnte sich aus § 97 I Nr. 3 StPO i.V.m. § 53 I S. 1 Nr. 3 StPO ergeben. Die in der Kanzlei des S beschlagnahmten Dokumente befinden sich in Übereinstimmung mit § 97 II S. 1 StPO in seinem Alleingewahrsam. Sie könnten somit grundsätzlich dem Beschlagnahmeverbot des § 97 I Nr. 3 StPO unterfallen. S kann sich als Steuerberater auf ein Zeugnisverweigerungsrecht gem. § 53 I S. 1 Nr. 3 StPO berufen. Die Voraussetzungen des § 97 I Nr. 3 StPO sind also auf den ersten Blick erfüllt.

Hieran ergeben sich aber Zweifel. Zunächst ist problematisch, dass die Unterlagen dem S teils nur zur Erledigung der laufenden Buchführung übergeben wurden und diese nicht zum spezifischen Aufgabenbereich eines Steuerberaters gehört. Es ist umstritten, ob derartige Unterlagen den Anwendungsbereich des § 97 StPO eröffnen. Während eine Ansicht generell Beschlagnahmefreiheit annimmt, geht die Gegenansicht stets von der Möglichkeit der Beschlagnahme von Buchhaltungsunterlagen aus. Eine vermittelnde Auffassung schließlich differenziert anhand des Verwendungszweckes und nimmt Beschlagnahmefreiheit an, wenn die Unterlagen der Erfüllung des Mandatsvertrages dienen. Sie macht aber eine Ausnahme bei reinen Buchhaltungsunterlagen.5

Dabei sprechen die besseren Argumente für die erstgenannte Ansicht. Das Beschlagnahmeverbot des § 97 I Nr. 3 StPO flankiert das Zeugnisverweigerungsrecht der Berufsgeheimnisträger gem. § 53 StPO und bezweckt damit den Schutz des Vertrauens in deren Integrität.6 Tätigkeiten, die dieses Verhältnis nicht berühren, also solche, die nicht spezifisch zum Aufgabenkreis des Geheimnisträgers gehören, bedürfen dieses Schutzes unter teleologischen Gesichtspunkten nicht. Sie nehmen daher nicht am durch die Norm geschützten Vertrauensverhältnis zwischen Berufsgeheimnisträger und Mandant teil. Jedenfalls für die steuererklärungsrelevanten Unterlagen ist dagegen eindeutig vom grundsätzlichen Eingreifen des § 97 I Nr. 3 StPO auszugehen. Diese Unterlagen betreffen gerade das Vertrauensverhältnis zwischen Steuerberater und Mandant.

hemmer-Methode: Der dargestellte Streit ist sehr speziell. In einer Klausur wird an dieser Stelle kaum jemals mehr als eine nachvollziehbare Argumentation anhand von Wortlaut sowie Sinn und Zweck der einschlägigen Vorschriften erwartet.

Letztlich könnte dieser Streit aber insgesamt dahinstehen, wenn § 97 StPO aus anderen Gründen ohnehin nicht einschlägig ist.

Dies ist tatsächlich der Fall: Gegenstände sind nur dann nach § 97 I Nr. 3 StPO beschlagnahmefrei, wenn sie für Zwecke, aus denen sich das Vertrauensverhältnis zwischen Berufsgeheimnisträger und Mandant ergibt, noch benötigt werden. Dies entspricht wiederum dem Sinn und Zweck des § 97 StPO. Wenn die vertrauensbezogene Tätigkeit beendet ist, fungiert der Berufsgeheimnisträger nur mehr als Verwahrer der Unterlagen.7 Dann muss eine Beschlagnahme ohne die Restriktionen des § 97 StPO möglich sein. So liegt der Fall hier. Die G-GmbH ist vollbeendet und im Handelsregister gelöscht. Die Unterlagen bei S werden von ihm nicht weiter benötigt, da er laut Sachverhalt die Arbeiten für die GmbH längst abgeschlossen hat. Folglich ist § 97 I Nr. 3 StPO nicht einschlägig.

Die Dokumente unterliegen somit keinem Beschlagnahmeverbot.

4. Verhältnismäßigkeit

Schließlich müsste die Durchsuchungsanordnung gegenüber S -- wie alle strafprozessualen Zwangsmaßnahmen -- im Einklang mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit stehen.

Dabei gilt es zunächst den konkreten Prüfungsmaßstab der Verhältnismäßigkeit zu ermitteln. Vorliegend gilt ein strenger Maßstab. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass die Durchsuchung beim Nichtverdächtigen gem. § 103 StPO ohnehin erhöhte Rechtfertigungsanforderungen gegenüber der Durchsuchung beim Verdächtigen gem. § 102 StPO impliziert.8 Zum anderen könnte der Maßstab der Verhältnismäßigkeitsprüfung durch § 160a II S. 1 StPO weiter beschränkt sein. Dies setzt allerdings voraus, dass § 160a II S. 1 StPO überhaupt anwendbar ist. An sich ist die Norm tatbestandlich erfüllt. S hat hinsichtlich der Unterlagen ein Zeugnisverweigerungsrecht gem. § 53 I S. 1 Nr. 3 StPO zugestanden. Dieses endet anders als das Beschlagnahmeverbot des § 97 I Nr. 3 StPO nicht mit dem Ende des Mandatsverhältnisses.9

Fraglich ist aber, ob das fehlende Beschlagnahmeverbot gem. § 97 StPO die Anwendbarkeit des § 160a II S. 1 StPO hindert. Wortlautgemäß muss dies verneint werden, da § 160a II StPO nur auf das Bestehen eines Zeugnisverweigerungsrechts und nicht auf § 97 StPO abstellt. Demnach gilt vorliegend der strenge Verhältnismäßigkeitsmaßstab des § 160a II S. 1 StPO.

Die Anordnung der Durchsuchung bei S wird den derart konturierten Anforderungen der Verhältnismäßigkeit nicht gerecht. Zwar ist die Durchsuchung ein geeignetes Mittel, ihre Erforderlichkeit ist aber zweifelhaft. S hätte vor Erlass der Durchsuchungsanordnung gem. § 95 I StPO zur Herausgabe der Unterlagen aufgefordert werden können. Dieses Herausgabeverlangen ist ein im Vergleich zur Durchsuchungsanordnung milderes Mittel, sodass es einer Durchsuchungsanordnung grundsätzlich vorgeht.10

Dies gilt indes nur, wenn die Voraussetzungen des § 95 I StPO vorlagen und die Maßnahme voraussichtlich erfolgversprechend gewesen wäre. § 95 I StPO ist tatbestandlich erfüllt, da der Alleingewahrsam des S feststand. Das Zeugnisverweigerungsrecht des S gem. § 53 I S. 1 Nr. 3 StPO ändert hieran nichts. Im Umkehrschluss zu § 95 II S. 2 StPO führt dieses nur dazu, dass gegen S kein Ordnungsgeld festgesetzt werden darf. Das Herausgabeverlangen darf gleichwohl an ihn gerichtet werden.11 Ein auch in diesem Rahmen zu berücksichtigendes Beschlagnahmeverbot gem. § 97 StPO besteht nicht (s.o.).12 Wenn also eine Maßnahme nach § 95 I StPO möglich gewesen wäre, stellt sich die Frage, ob eine solche auch Erfolg versprochen hätte. Umstände, die diesen vereiteln könnten, sind im Fall nicht ersichtlich. Die Durchsuchungsanordnung war weder aus Gründen der Verfahrensbeschleunigung noch aufgrund einer bestehenden Verdunklungsgefahr geboten. Ebenso wenig bestand die Gefahr eines Beweismittelverlusts. Im Gegenteil war S zur Herausgabe der Dokumente auf Nachfrage bereit.

Somit war die Durchsuchungsanordnung unverhältnismäßig.

Zwischenergebnis: Die Durchsuchungsanordnung war rechtswidrig. Hierdurch wurde S in seinen Rechten verletzt. Die Beschwerde ist somit begründet.

III. Ergebnis

Die Beschwerde des S gem. § 304 I StPO ist zulässig und begründet und hat daher Aussicht auf Erfolg.

D) Kommentar

(bb). Die Entscheidung des LG Saarbrücken überzeugt in ihrer Begründung. In einer Klausursituation werden von Ihnen sicherlich keine Detailkenntnisse erwartet. Wichtig ist hier vor allem, dass -- neben einer klaren Gliederung und einer guten sprachlichen Verwertung -- eine juristisch fundierte Verhältnismäßigkeitsprüfung gelingt.

Statthafter Rechtsbehelf für die richterliche Anordnung der Maßnahme war die Beschwerde, § 304 I StPO. Denken Sie an diesen Rechtsbehelf immer dann, wenn eine richterliche Entscheidung auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu untersuchen ist und es sich hierbei um kein Urteil handelt. Liegt hingegen ein Urteil vor, ist an eine Berufung, §§ 312 ff. StPO, oder eine Revision, §§ 333 ff. StPO zu denken. Beachten Sie im Rahmen der Beschwerde auch die Wertung des § 305 S. 1 StPO: Entscheidungen der erkennenden Gerichte, die der Urteilsfällung vorausgehen, unterliegen nicht der Beschwerde (zu den Ausnahmen siehe § 305 S. 2 StPO). Hintergrund für § 305 S. 1 StPO ist, dass fehlerhafte Entscheidungen „auf dem Weg zum Urteil" sich bei entsprechender Beachtlichkeit dahingehend auswirken, dass dann das Urteil selbst fehlerhaft ist. Angesichts der Rechtsmittel Berufung/Revision entsteht daher keine „Rechtsschutzlücke". Überdies dient die Wertung des § 305 S. 1 StPO der Realisierung des Beschleunigungsgrundsatzes.

E) Zur Vertiefung

  • Zur Durchsuchung

Hemmer/Wüst, StPO, Rn. 81 ff.

  • Zur Beschwerde

Hemmer/Wüst, StPO, Rn. 521 ff.

F) Wiederholungsfragen

  1. Welche Rechtsbehelfe sind gegen strafprozessuale Zwangsmaßnahmen

    statthaft?

  2. Welche Besonderheiten im Verhältnismäßigkeitsmaßstab ergeben sich bei der Durchsuchung bei nichtverdächtigen Berufsgeheimnisträgern?

  1. Vgl. BGHSt 44, 265, 265 ff.

  2. Vgl. SK-StPO, § 98 StPO, Rn. 51.

  3. Vgl. Hemmer/Wüst, StPO, Rn. 108; vgl. auch BVerfGE 96, 27, 39 f.

  4. Vgl. zur Definition Joecks, § 152 StPO, Rn. 6.

  5. Vgl. zum Streitstand insgesamt SK-StPO, § 97 StPO, Rn. 82 m.w.N.

  6. Vgl. Meyer-Goßner, § 97 StPO, Rn. 1; bzgl. § 53 StPO siehe Meyer-Goßner, § 53 StPO, Rn. 1.

  7. So die h.M., vgl. Meyer-Goßner, § 97 StPO, Rn. 40 m.w.N.

  8. Vgl. BVerfG, NJW 2003, 2669, 2670

  9. Vgl. allg. Meyer-Goßner, § 53 StPO, Rn. 10.

  10. Vgl. LG Saarbrücken, NStZ 2010, 534, 535 m.w.N.

  11. Bzgl. § 52 StPO vgl. SK-StPO, § 95 StPO, Rn. 33; zudem Meyer-Goßner, § 95 StPO, Rn. 6.

  12. Allg. SK-StPO, § 95 StPO, Rn. 7.