BGB: Ist bei Beschädigung oder Unmöglichkeit der Herausgabe auch entgangener Gewinn ersatzfähig?

BGH, Urteil vom 09.05.2014, V ZR 305/12

von Life and Law am 01.10.2014

+++ Haftung auf Schadensersatz im EBV +++ Umfang der Haftung +++ Voraussetzungen der verschärften Haftung im Bereicherungsrecht +++ §§ 989, 819 I BGB +++

Sachverhalt (abgewandelt und vereinfacht): V handelt mit ausländischen Presseerzeugnissen. B ist ihr Vertriebsleiter. Er veräußerte im Namen von V in den Jahren 2005 bis 2009 ca. 300.000 Zeitschriften aus den Beständen der V an K zu Preisen von zunächst je 1,- € und ab 2007 zu je 0,12 €. Einen weiteren Betrag in Höhe von je 0,05 € je Heft zahlte K auf ein Privatkonto des B. K war dabei klar, dass es sich bei diesem Konto um eine „Schwarzkasse" gehandelt hatte. Er erhielt für die entsprechenden Beträge auch keine Rechnungen von B.

K seinerseits bot die so erworbenen Hefte über eine Internetplattform Dritten zum Verkauf an und erzielte so Gewinne von insgesamt ca. 270.000,- €. Der objektive Wert hätte 400.000,- € betragen.

Bei den von K veräußerten Zeitschriften handelte es sich um Remissionsware, also um Zeitschriften, welche V im normalen Betrieb nicht zu den üblichen Preisen, die zwischen 10,-  und 18,- € pro Heft lagen, veräußern konnte. Pro Heft erhält V aber grundsätzlich eine Rückvergütung von 3,90 €, also mehr als den objektiven Wert eines Remissionsheftes. Dadurch sollte das Vertriebsrisiko des V minimiert werden. V hätte so eine Rückvergütung von ca. 1,2 Mio € erzielen können.

Nachdem V die Belieferung an K durch B aufgedeckt hatte, kündigte sie dem B fristlos.

V verlangt von K Herausgabe der durch diesen erzielten Erlöse in Höhe von 270.000,- € sowie den Ersatz weiterer Schäden bis zum Betrag in Höhe von 1,2 Mio €. Zu Recht?

A) Sound

Die Schadensersatzpflicht des Besitzers nach § 989 BGB ist nicht auf den Wert der herauszugebenden Sache beschränkt, sondern bestimmt sich nach dem subjektiven Interesse des Eigentümers an deren Wiedererlangung.

B) Problemaufriss

Der Fall beinhaltet eine Fülle von examensrelevanten Problemen. Sowohl Fragen des Stellvertretungsrechts als auch des EBV und des Bereicherungsrechts sind Gegenstand der Betrachtung.

Im Vordergrund steht die Frage, ob V vorliegend einen Ersatzanspruch in dem Umfang hat, den er selbst hätte erzielen können durch die Rückgabe der Druckerzeugnisse an seinen Lieferanten.

Problematisch ist, dass der vermeintliche Schuldner des Anspruchs selbst einen weitaus geringeren Erlös erzielen konnte. Sollten die vertraglichen Beziehungen zwischen den Beteiligten unwirksam sein, könnte im Bereicherungsrecht grundsätzlich nur eine Abschöpfung des „Erlangten Etwas" erfolgen. Im EBV ist anerkannt, dass sich der Anspruch gem. § 989 BGB grundsätzlich auf den Substanzschaden beschränkt.

Der BGH beschäftigt sich insbesondere mit der Frage des Umfangs des Anspruchs aus § 989 BGB sowie mit der Frage, ob im Bereicherungsrecht bei Vorliegen der Voraussetzungen der verschärften Haftung auch eine Haftung bestehen kann, die über den Wert des Erlangten Etwas hinausgeht.

Die Vorinstanz1 hatte eine Haftung noch unter Hinweis darauf abgelehnt, dass die zwischen V und K geschlossenen Verträge wirksam seien, weil B die V wirksam vertreten habe. Dies wurde über die Grundsätze der Anscheinsvollmacht begründet. Fraglich ist insoweit allerdings, ob darüber hinaus nicht an eine Nichtigkeit der Verträge aus anderen Gründen zu denken wäre. Damit setzt sich jedenfalls der BGH auseinander.

Der BGH stellt dann auch lapidar fest, dass die Entscheidung jedenfalls mit dieser Begründung nicht aufrecht erhalten werden kann.2

C) Lösung

Zu prüfen ist, ob V von K Zahlung des durch die Veräußerung der Zeitschriften erzielten Erlöses sowie darüber hinaus Zahlung bis zur Höhe des Schadens in Höhe von 1,2 Mio € verlangen kann.

I. Anspruch aus § 816 I BGB auf Zahlung des Erlöses

Möglicherweise hat V gegen K einen Anspruch auf Zahlung des Veräußerungserlöses gem. § 816 I S. 1 BGB.

Voraussetzung dafür wäre, dass K als Nichtberechtigter über die Zeitschriften verfügt hat. Zu prüfen ist daher, ob K das Eigentum wirksam gem. § 929 S. 1 BGB erlangen konnte.

Laut Sachverhalt hat B als Vertreter des V handelnd an K übereignet. Fraglich ist, ob B den V bei Vornahme der dinglichen Einigung wirksam vertreten hat, ob die Einigung nicht aus anderen Gründen unwirksam ist und ob eine Übergabe i.S.d. § 929 S. 1 BGB stattgefunden hat.

1. Wirksame Stellvertretung bei dinglicher Einigung

B hat eine eigene Willenserklärung im Namen des V abgegeben, § 164 I S. 1 BGB, sodass entscheidend ist, ob er mit Vertretungsmacht gehandelt hat oder nicht.

a) Handlungsvollmacht

In Betracht kommt eine Handlungsvollmacht i.S.d. § 54 I HGB. Bei einem Vertriebsleiter ist es naheliegend, zumindest an eine konkludent erteilte Handlungsvollmacht zu denken. Nach Ansicht des BGH ist dies bereits dann der Fall, wenn einem Angestellten Zuständigkeiten und Aufgaben zur eigenverantwortlichen Erledigung in einem Unternehmen übertragen werden.3 Im Hinblick auf V betrifft dies den Aufgabenbereich des Vertriebs der Druckerzeugnisse, mit denen V handelt.

Fraglich ist allerdings, ob die Veräußerung retournierter Zeitschriften noch von der Handlungsvollmacht des B gedeckt gewesen ist. Grundsätzlich ist nicht ausgeschlossen, dass auch die Weiterveräußerung retournierter Zeitschriften zum Vertriebsmodell eines Großhändlers gerechnet werden kann. Vorliegend erscheint dies indes vor dem Hintergrund eher zweifelhaft, als V die Möglichkeit hatte, diese Zeitschriften ohne Verluste an die Lieferanten zurückzugewähren und dies grundsätzlich auch tat. Insoweit scheint die Handlungsvollmacht eher auf die Durchführung „normaler" Vertriebsmaßnahmen beschränkt zu sein.

b) Rechtsscheinvollmacht

Im Ergebnis kommt es darauf jedoch entscheidend dann nicht an, wenn eine wirksame Stellvertretung jedenfalls über die Grundsätze der Rechtsscheinvollmacht legitimiert werden kann.

Nach den Grundsätzen der Anscheinsvollmacht kann nach h.M. eine wirksame Stellvertretung selbst dann gegeben sein, wenn eine Bevollmächtigung zur Vornahme des konkreten Rechtsgeschäfts vollständig fehlt.

Dazu wäre erforderlich, dass V das Handeln des B als Vertreter hätte erkennen können und K schutzwürdig auf eine bestehende Vollmacht vertrauen durfte.

Anmerkung: Der BGH drückt sich vorliegend ein wenig vor einer klaren Zuordnung mit dem nebulösen Satz, dass sich die Grenzen zwischen rechtsgeschäftlich erteilter Handlungsvollmacht mit einer gesetzlich geregelten Rechtsscheinhaftung nach § 54 III HGB und der allgemeinen Rechtsscheinhaftung aus veranlasstem Rechtsschein nicht immer trennscharf ziehen lassen. § 54 HGB beinhaltet nämlich trotz des Erfordernisses der Erteilung einer Handlungsvollmacht einen Rechtsscheintatbestand im Hinblick auf den Umfang der eingeräumten Rechtsmacht, § 54 III HGB. Hier nimmt er sodann die Abgrenzung zur Anscheinsvollmacht vor.

Bei der Anscheinsvollmacht kann sich der Vertretene auf den Mangel der Vertretungsmacht seines Vertreters nicht berufen, wenn er schuldhaft den Rechtsschein einer Vollmacht veranlasst hat, sodass der Geschäftsgegner nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte von einer Bevollmächtigung ausgehen darf und auch von ihr ausgegangen ist, § 173 BGB analog.

hier: Anscheinsvollmacht (+)

Gemessen an diesen Voraussetzungen sprechen der Zeitraum, über welchen der „Handel zwischen B und K" durchgeführt wurde, der hohe Umfang des Geschäftsvolumens und die Art der Abwicklung für einen verständigen Beobachter eher für das Bestehen entsprechender Vertretungsbefugnisse. Da K über einen über Jahre dauernden Zeitraum wiederholt mit Zeitschriften beliefert wurde, durfte er darauf vertrauen, dass B diesbezüglich vertretungsbefugt war.

Er durfte darauf vertrauen, dass V im Rahmen dieser Geschäfte interveniert hätte, wenn ein Einverständnis damit nicht bestand.

Der Umstand, dass V gegen die Geschäfte nicht eingeschritten ist, obwohl ihm dies bei ordnungsgemäßer Überwachung der Geschäftstätigkeiten des B möglich gewesen wäre, macht den gesetzten Rechtsschein zudem zurechenbar.

Nach h.M. ist daher von einer wirksamen Vertretung auszugehen.4

2. Unwirksamkeit der dinglichen Einigung gem. § 138 I BGB

Unabhängig von einer wirksamen Vertretung könnte die dingliche Einigung aber gem. § 138 I BGB unwirksam sein.

Die Tatsache, dass B als Vertreter des V für die einzelnen Hefte gesonderte Zahlungen erhielt, könnte ein Indikator für die sittenwidrige Gesinnung sein.

Allerdings sind Provisionszahlungen für Vertretergeschäfte nicht vollkommen atypisch.

Es müssten demnach zusätzliche Umstände hinzutreten, die auf eine sittenwidrige Gesinnung schließen lassen. Das wäre der Fall, wenn B mit K bewusst in arglistiger Weise zum Nachteil der V zusammengewirkt hätte, um die nicht mehr zum Verkauf bestimmte Remissionsware zu erwerben.

Der Sachverhalt gibt für ein derart kollusives Verhalten jedoch keine Anhaltspunkte. Insbesondere war für K nicht erkennbar, dass B nicht zur Veräußerung der Ware befugt gewesen ist.

3. Keine Treuwidrigkeit auf Seiten des K, § 242 BGB

Fraglich ist, ob es seitens des K treuwidrig ist, sich auf die Wirksamkeit der Übereignung zu berufen. Dann müsste ein Fall unzulässiger Rechtsausübung (§ 242 BGB) vorliegen.

Dies wäre dann der Fall, wenn K den Missbrauch der Vertretungsmacht zwar nicht erkannt hat, aber den Umständen nach hätte erkennen können.

Anmerkung: Der eine oder andere Leser ist vielleicht irritiert, warum die Ausführungen, die unter 2. und 3. erfolgen, nicht unter dem Aspekt der wirksamen Vertretung diskutiert wurden. Dies ist durch eine strikt rechtsfolgenorientierte Rechtsprechung bedingt. Wenn der Vertreter Vertretungsmacht hat, ist ein Vertretergeschäft grundsätzlich wirksam, selbst wenn er seine Befugnisse im Innenverhältnis überschreitet. Der BGH misst einer solchen Überschreitung keine Relevanz dergestalt zu, dass der Vertrag (hier die dingliche Einigung) an der Wirksamkeit der Stellvertretung scheitern würde. In den Ausnahmefällen der Kollusion und Evidenz geht der BGH zwar u.U. davon aus, dass eine Bindung nicht besteht. Dies wird dogmatisch aber anders begründet.

(1.) Im Falle der Kollusion ist der Vertrag nichtig gem. § 138 I BGB.

(2.) Im Fall der Evidenz kann der Vertretene den Einwand unzulässiger Rechtsausübung erheben.

(3.) Eine andere Ansicht vertritt die Literatur für den Fall der Evidenz. Danach sollen die §§ 177 ff. BGB analog herangezogen werden, sodass der Vertrag schwebend unwirksam wäre und durch den Vertretenen genehmigt werden könnte.

Da jedoch grundsätzlich der Vertretene das Risiko des Missbrauchs der Vertretungsmacht zu tragen hat, setzt der Einwand einer unzulässigen Rechtsausübung gegenüber dem Geschäftsgegner eine auf massiven Verdachtsmomenten beruhende Evidenz des Missbrauchs der Vertretungsmacht voraus.5

Gerade weil über einen längeren Zeitraum ohne Widerspruch des V eine Vertragsdurchführung erfolgte, musste K nicht davon ausgehen, dass die Vertretungsbefugnisse des B im Innenverhältnis überschritten wurden.6

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Tatsache, dass B gesonderte Zahlungen für die Lieferungen erhalten hat. Dieser Aspekt führt allenfalls zur Unwirksamkeit der schuldrechtlichen Verträge, lässt die Wirksamkeit der dinglichen Einigung aber unberührt, weil die -- wenn überhaupt insoweit gegebene -- Sittenwidrigkeit nicht den Leistungsaustausch als solchen betrifft. Anders formuliert: Die Zahlungen an K waren lediglich Gegenstand der Bedingungen für den Leistungsaustausch, nicht jedoch Gegenstand des Leistungsaustausches selbst.

Anmerkung: Wegen dieser (zutreffenden) Erwägung des BGH liegt im Falle der Sittenwidrigkeit gem. § 138 I BGB in aller Regel keine Fehleridentität vor. Der Vorwurf schlägt nicht durch auf das dingliche Geschäft. Die Sittenwidrigkeit basiert in aller Regel auf einer Betrachtung des schuldrechtlichen Vertrags und der dort geregelten Frage, welche Konditionen für den Leistungsaustausch gelten sollen. Achten Sie aber darauf, dass § 138 II BGB die Fehleridentität anordnet für den Fall des Wuchers. Konkret gilt dies bezogen auf die Leistung, die dem Wucherer gegenüber erbracht wird („gewähren lässt").

Zwischenergebnis: Demnach lag bei den hier relevanten Belieferungen jeweils eine wirksame dingliche Einigung vor.

4. Übergabe

Voraussetzung für eine wirksame Übereignung an K wäre zudem eine Übergabe i.S.d. § 929 S. 1 BGB.

Voraussetzung für eine Übergabe in diesem Sinne ist der vollständige Besitzverlust auf Veräußererseite und die Erlangung zumindest mittelbaren Besitzes auf Erwerberseite, was auf einer Veranlassung des Veräußerers beruhen muss.

V hat den Besitz vollständig verloren in dem Moment, als sein Besitzdiener B die Zeitschriften dem K aushändigte, welcher dadurch die tatsächliche Sachherrschaft, also unmittelbaren Besitz, erlangte, § 855 BGB.

Problematisch ist einzig, ob diese Besitzerlangung auf Veranlassung des Veräußerers erfolgte. Dabei geht es insbesondere um eine Abgrenzung zu den Fällen, in denen der „Erwerber" den Besitz aufgrund verbotener Eigenmacht erlangt, was für eine Übergabe i.S.d. § 929 S. 1 BGB gerade nicht genügen würde.

Vom Vorliegen eines solchen Falles kann vorliegend allerdings nicht die Rede sein, da maßgeblich insoweit wiederum die Person des B ist. Er ist der rechtsgeschäftlich Handelnde. Liegt die Befugnis zur Stellvertretung bei ihm, kann im Hinblick auf die Besitzerlangung nicht plötzlich auf den Vertretenen abgestellt werden. Dies widerspräche auch den Ausführungen zum Missbrauch der Vertretungsmacht. Denn auf diese Art und Weise hätte der Vertretene dann das Eigentum trotz wirksamer dinglicher Einigung nicht verloren.

Da B dem K die Hefte bewusst aushändigte, liegt insgesamt eine Übergabe i.S.d. § 929 S. 1 BGB vor.

Da V auch Berechtigter war, ist das Eigentum an den Heften auf K übergegangen. Daher hat dieser bei der Weiterveräußerung der Hefte auch nicht als Nichtberechtigter agiert.

Ein Anspruch aus § 816 I S. 1 BGB besteht daher nicht.

II. Anspruch aus § 812 I S. 1 Alt. 1 BGB

Ein Anspruch auf Wertersatz für die veräußerten Hefte könnte der V gegen K allerdings auf Basis der §§ 812 I S. 1 Alt. 1, 818 I, II BGB zustehen.

1. Tatbestand des § 812 I S. 1 Alt. 1 BGB

K müsste einen Vermögensvorteil durch Leistung der V ohne Rechtsgrund erlangt haben.

a) Erlangtes Etwas durch Leistung (+)

K hat Eigentum und Besitz durch Leistung des V erlangt. Zwar hat B die Rechtsgeschäfte vorgenommen, allerdings bestimmt sich das Vorliegen einer Leistung nach dem objektiven Empfängerhorizont, §§ 133, 157 BGB analog. Da B im Namen des V agierte und auch die Lieferungen dann durch V erfolgten, liegt eine Leistung vor.

b) Ohne Rechtsgrund? Problem: § 139 BGB

Fraglich ist allerdings, ob die Lieferungen auch ohne Rechtsgrund erfolgten.

Als Rechtsgrund kommen die zwischen V (vertreten durch B) und K geschlossenen Kaufverträge über die Zeitschriften in Betracht.

Im Hinblick auf die Frage nach einer wirksamen Stellvertretung scheitert die Wirksamkeit des Vertrags nicht (s.o.).

Allerdings könnten die Kaufverträge gem. § 139 BGB unwirksam sein. Dies wäre dann der Fall, wenn die in den Verträgen getroffene Vereinbarung darüber, dass B eine gesonderte Vergütung erhalten sollte, nichtig wäre und sich daraus eine Gesamtnichtigkeit des Vertrags ableiten ließe.

Zu klären ist daher zunächst, ob die „Zusatzvereinbarung" zwischen B und K im Hinblick auf die Zahlung einer Vergütung an B unwirksam ist.

Sofern derartige Vergütungszahlungen ohne Absprache mit dem Geschäftsherrn (hier der V) erfolgen, geht der BGH grundsätzlich von einem Verstoß gegen die guten Sitten aus (§ 138 BGB), wenn die Vereinbarung zu Lasten des Vertretenen dergestalt wirkt, dass dieser aufgrund der Zusatzvereinbarung ein geringeres Entgelt erzielt, als er hätte erzielen können, wenn es die Zusatzvereinbarung nicht gegeben hätte.7

Derartige Vereinbarungen hinter dem Rücken oder zu Lasten des Vertretenen erfüllen den Tatbestand der Sittenwidrigkeit, weil sie einfachsten und grundlegenden Regeln geschäftlichen Anstands und kaufmännischer guter Sitte widersprechen. Eine Verfügung ist demgegenüber sittlich neutral, s.o.

Anmerkung: Vereinbarungen wie vorliegend zwischen B und K sind strikt zu trennen von Fällen, in denen der Vertreter auf Provisionsbasis bezahlt wird. Diese Zahlung erfolgt durch den Verkäufer und soll dem Vertreter Anreiz sein, möglichst geschäftstüchtig zu sein. Zahlungen wie vorliegend erfolgen zu Lasten des Vertretenen. Das wird insbesondere daran deutlich, dass der objektive Wert der Zeitschriften stark unterschritten wurde. Das spricht zwar in gleicher Weise für ein kollusives Zusammenwirken im Hinblick auf die Stellvertretung. Dort müsste aber der Nachweis geführt werden können, dass dem K positiv bekannt war, dass B die Hefte nicht veräußern durfte. Der Nachweis gelang vorliegend nicht.

Fraglich ist jedoch, ob sich aus der Sittenwidrigkeit automatisch auch die Nichtigkeit des gesamten Vertrags ergibt.

Dies ist immer dann der Fall, wenn die Zusatzvereinbarung auch zu einer nachteiligen Regelung für den Vertretenen geführt hat. Wäre der Vertrag unabhängig von der Zusatzvereinbarung zu denselben Konditionen zustande gebracht worden, läge kein Fall des § 139 BGB vor.

Für die Gesamtnichtigkeit spricht grundsätzlich eine Vermutung.8 Diese Vermutung wird noch dadurch gestützt, dass vorliegend nicht eine einmalige „Belohnung" an B gezahlt wurde, sondern wie beim Verkaufspreis selbst eine Sondervergütung pro Heft an B fließen sollte.

K war im Rahmen einer Gesamtkalkulation offensichtlich bereit, pro Heft den vereinbarten Kaufpreis zzgl. der Zahlungen an B zu leisten. Daher ist davon auszugehen, dass es B gelungen wäre, jedenfalls einen Kaufpreis in Höhe der addierten Beträge pro Heft zu erzielen, wenn er auf die Zusatzvereinbarung verzichtet hätte.

Der Vertreter ist verpflichtet, den Vertrag möglichst zu günstigen Konditionen für den Vertretenen zum Abschluss zu bringen. Diese Pflicht verletzt er -- ersichtlich für die andere Seite --, wenn er stattdessen eine Zahlung an sich selbst verlangt.

2. Rechtsfolge

Auf der Rechtsfolgenseite ist K verpflichtet, das „Erlangte Etwas" wieder herauszugeben.

Fraglich ist, wie es sich auswirkt, dass K dazu nicht mehr in der Lage ist, weil er die Hefte bereits weiterveräußert hat.

Grundsätzlich unterfällt dem § 818 I BGB nicht das rechtsgeschäftlich erlangte Surrogat, sodass V nicht unmittelbar auf den erzielten Erlös zugreifen kann.

Anmerkung: Anders als im Rahmen des § 818 I BGB ist in Fällen des § 285 BGB das rechtsgeschäftlich erlangte Surrogat erfasst. Zwar spricht der Wortlaut der Norm dagegen, weil das rechtsgeschäftliche erlangte Surrogat (schuldrechtlicher Vertrag) nicht aus den Umständen resultiert, die zur Unmöglichkeit führen (Abschluss des dinglichen Vertrags); bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise kann diese formale Erwägung jedoch keine entscheidende Rolle spielen. Diesen Unterschied zwischen § 818 I BGB und § 285 BGB sollten Sie kennen, weil § 285 BGB auch im Bereicherungsrecht Relevanz erlangen kann, wenn der Schuldner verschärft, d.h. nach vertraglichen Grundsätzen, haftet. Dies kann dann der „Clou" des Falles sein, wenn der erzielte Erlös oberhalb des Wertes der Sache liegt. Da § 818 II BGB nur objektiven Wertersatz bietet, könnte bei Bösgläubigkeit bzw. Rechtshängigkeit (§§ 819 I, 818 IV BGB) gleichwohl auf den erhöhten Erlös gem. § 285 BGB zugegriffen werden!

a) Grundsatz: Wertersatz

Gem. § 818 II BGB schuldet K daher objektiven Wertersatz, laut Sachverhalt also 400.000,- €. Mangels abweichender Anhaltspunkte im Sachverhalt ist insoweit von dem Betrag auszugehen, den V für die Remissionsexemplare problemlos noch hätte erzielen können, also 3,90 € pro Heft.

b) Problem: Entreicherung

Fraglich ist, wie es sich auswirkt, dass K aber faktisch nur einen Erlös von ca. 270.000,- € erzielt hat. Das Bereicherungsrecht will -- anders als das Deliktsrecht -- grundsätzlich keinen Ausgleich des Schadens auf Gläubigerseite herbeiführen, sondern nur beim Bereicherungsschuldner das abschöpfen, was dieser ohne Rechtsgrund erlangt hat. Daher beschränkt sich gem. § 818 III BGB die Herausgabepflicht auf den Vermögensvorteil, der im Zeitpunkt der Geltendmachung des bereicherungsrechtlichen Anspruchs noch im Vermögen des Schuldners vorhanden ist.

Nach Veräußerung der Hefte durch K beschränkte sich dessen Vermögensmehrung auf den Erlös, den er durch Weiterveräußerung der Hefte erzielen konnte. In Höhe der Differenz zum realen Wert ist K entreichert, sodass seine Ersatzpflicht grundsätzlich ausgeschlossen ist.

c) Verschärfte Haftung?

Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn sich nach den Grundsätzen der verschärften Haftung ergeben sollte, dass K unabhängig von der Entreicherung trotzdem den Betrag zu ersetzen hätte, welcher dem Interesse der V an der Verwertung der Remissionsexemplare entspricht.

Anmerkung: Der BGH hat das Kunststück fertig gebracht, „ohne Umwege" direkt vom Tatbestand des § 812 BGB in § 819 BGB zu springen. Das dürfen Sie sich in der Klausur auf keinen Fall erlauben. Die Frage nach der verschärften Haftung stellt sich im Hinblick auf das Erlangte Etwas grundsätzlich nämlich erst dann, wenn festgestellt wurde, dass der Bereicherungsschuldner entreichert ist.9 Denn bei der verschärften Haftung geht es vornehmlich um die Frage, ob sich der Schuldner auch auf die eingetretene Entreicherung berufen kann. Prüfen Sie also im § 818 BGB „Absatz für Absatz".

Unabhängig davon ist umstritten, ob die Folge der verschärften Haftung tatsächlich darin besteht, ob die Wertersatzhaftung gem. § 818 II BGB trotz Entreicherung bestehen bleibt, oder ob „nur" -- das ist allerdings unumstritten -- ein eigener Anspruch aus §§ 819 I, 818 IV, 292 I, 989 BGB besteht. Nach überwiegend vertretener Auffassung -- der hier gefolgt wird -- hat die verschärfte Haftung die „doppelte Relevanz". Einmal wird die Wertersatzhaftung gem. § 818 II BGB „konserviert". Zum anderen besteht die Schadensersatzhaftung gem. obiger Anspruchskette.

Die verschärfte Haftung setzt zum einen voraus, dass der Schuldner verklagt wurde (also Rechtshängigkeit eingetreten ist) bzw. bösgläubig war, und zum anderen, dass die Haftung nach den allgemeinen Vorschriften auch tatbestandlich greift.

aa) Bösgläubigkeit gem. § 819 I BGB

Da K im Zeitpunkt der Entreicherung (Veräußerung der Hefte) nicht verklagt war, kommt es auf seine Bösgläubigkeit gem. § 819 I BGB an.

Da die Folge der Bösgläubigkeit eine strenge Haftung nach vertraglichen Grundsätzen ist, sind die Anforderungen, die in der Rechtsprechung an die Norm geknüpft werden, streng. Ausweislich des Wortlauts schadet nur positive Kenntnis. Fahrlässige Unkenntnis vom fehlenden Rechtsgrund schadet demgegenüber nicht.

Zum Schutze des Schuldners genügt anders als gewöhnlich nicht die Kenntnis der Tatsachen, welche zur Nichtigkeit führen. Vielmehr bedarf es einer sog. positiven Rechtsfolgenkenntnis. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies: K muss sowohl Kenntnis von den die Sittenwidrigkeit begründenden Umständen gehabt haben, als auch von der daran anknüpfenden Rechtsfolge der Unwirksamkeit der geschlossenen Kaufverträge.

Den Mangel des Rechtsgrundes kennt dabei jedoch auch derjenige, der sich, um sich die Vorteile aus dem Geschäft zu sichern, bewusst der Einsicht verschließt, dass das Verpflichtungsgeschäft nichtig ist. Der sittenwidrig handelnde Bereicherungsschuldner, der die Tatsachen kennt, aufgrund derer sich die Rechtsgrundlosigkeit seines Erwerbs aufdrängt, verdient keinen Schutz.

Vorliegend wusste K, dass es sich bei dem Konto des B, auf den die gesonderten Beträge flossen, um ein Schwarzkonto handelte. Das musste sich ihm im obigen Sinne zumindest aufdrängen, da er keine Rechnungen für diese Beträge erhielt.

Ein redlich Denkender, der nicht vom Gedanken an den eigenen Vorteil beeinflusst gewesen ist, wäre vor diesem Hintergrund zu der Überzeugung gelangt, dass die für V nachteiligen Kaufverträge nichtig sind. Falls K vortragen sollte, dass ihm dies nicht bekannt war, kann dies nur daran liegen, dass er sich der entsprechenden Einsicht zu versperren gedachte, sodass von der Bösgläubigkeit des K auszugehen ist.

Anmerkung: Und das ist nun der entscheidende Aspekt für die verschärfte Haftung: Wer in dem Bewusstsein, eine erlangte Sache eigentlich herausgeben zu müssen, diese trotzdem weiterveräußert, muss damit rechnen, von dem Gläubiger auf Wertersatz bzw. Schadensersatz in Anspruch genommen zu werden. Es wäre nicht gerechtfertigt, einem solchen Schuldner (ohne weiteres) den Einwand der Entreicherung zur Seite zu stellen.

bb) Haftung nach den allgemeinen Vorschriften

Gem. § 819 I BGB richtet sich die Haftung nach § 818 IV BGB, der wiederum auf die „allgemeinen Vorschriften" verweist. Gemeint sind damit die Normen des Schuldrecht AT (Bereicherungsrecht ist Schuldrecht BT!), sodass die Haftung an vertraglichen Grundsätzen ausgerichtet wird.

Für den Fall, dass ein Anspruch auf Herausgabe aus Vertrag rechtshängig geworden ist (diese Situation wird durch die Gleichstellung in § 819 I BGB simuliert), bestimmt § 292 I BGB, dass sich die Haftung nach den EBV-Normen ergibt, also konkret nach § 989 BGB.10

Zu prüfen ist daher das Vorliegen der Voraussetzungen des § 989 BGB. Dieser verlangt insbesondere, dass die Unmöglichkeit der Herausgabe auf einem Verschulden beruht. Davon ist vorliegend auszugehen, da K die Hefte bewusst und in der Kenntnis weiterveräußert hat, sie eigentlich herausgeben zu müssen.

Die Voraussetzungen des § 989 BGB liegen daher vor, sodass sich K nicht auf Entreicherung berufen kann und jedenfalls in Höhe von 400.000,- € Wertersatz gem. § 818 II BGB schuldet.

III. Anspruch aus §§ 819 I, 818 IV, 285 BGB

Gem. §§ 819 I, 818 IV, 285 BGB kann V von K auch Herausgabe des rechtsgeschäftlich erlangten Surrogats, also Zahlung des Erlöses in Höhe von 270.000,- €, verlangen. Sofern darüber hinaus ein Schadensersatzanspruch bestehen sollte, würde dieser Betrag gem. § 285 II BGB angerechnet werden.

Anmerkung: Da der Erlös unterhalb des objektiven Wertes liegt, ist diese Anspruchsgrundlage vorliegend nicht sonderlich interessant und wird nur der Vollständigkeit halber erwähnt. Wichtig wird die Norm des § 285 BGB immer dann, wenn der Erlös oberhalb des objektiven Wertes liegt, weil die bereicherungsrechtliche Haftung stets auf den objektiven Wert begrenzt ist.

IV. Anspruch aus §§ 819 I, 818 IV, 292 I, 989 BGB

Fraglich ist jedoch, ob V nicht insgesamt einen Ersatzanspruch in Höhe von 1,2 Mio € hat, also in Höhe des Betrags, den V bei Rückgabe der Hefte an die Lieferanten hätte erzielen können.

Anmerkung: An dieser Stelle müssen Sie sich den Unterschied zwischen den Ansprüchen klar machen: Das Bereicherungsrecht kann niemals eine Verpflichtung begründen, über das Erlangte Etwas bzw. dessen Wert hinausgehend zu haften. Das Bereicherungsrecht hat nur Abschöpfungsfunktion. Da sich aber -- wie oben erwähnt -- die Bedeutung der verschärften Haftung nicht darauf beschränkt, die Frage zu klären, ob sich der Schuldner auf Entreicherung berufen kann, sondern daraus eine Schadensersatzhaftung gem. der unter III. benannten Anspruchsgrundlage begründet wird, muss die Anspruchsgrundlage immer jedenfalls dann geprüft werden, wenn der Gläubiger mehr möchte als den Ersatz des objektiven Wertes. Eine davon zu trennende Frage ist die, ob § 989 BGB in seinem Umfang überhaupt über den Wert der Sache hinaus einen Ersatzanspruch gewähren kann. Dies ist die Kernfrage, mit der sich der BGH im vorliegenden Fall auseinandergesetzt hat.

Grundsätzlich wird gem. § 989 BGB der sog. Substanzschaden ersetzt. Es handelt sich beim EBV um ein dingliches Schuldverhältnis, welches rechtliche Folgen in Bezug auf die konkret herauszugebende Sache regelt. Bezugspunkt für die Schadensersatzhaftung muss daher grundsätzlich der Wert der Sache sein, sodass sich auch hier ein Anspruch in Höhe von (nur) 400.000,- € ergäbe.

Fraglich ist, ob § 989 BGB darüber hinaus das subjektive Interesse des Eigentümers (hier „Ex-Eigentümers") an einer eigenständigen Veräußerung der Sache erfasst, also den entgangenen Gewinn, vorliegend den Vertriebsschaden aus der nicht mehr möglichen Rückgewähr an den Lieferanten.

1. Früher vertretener Ansatz: nur Substanzschaden

Nach der früher im Schrifttum herrschenden Auffassung haftete der Besitzer nach § 989 BGB nur auf den objektiven Verkehrswert der Sache. Das wurde damit begründet, dass der Schadensersatzanspruch an die Stelle des Herausgabeanspruchs tritt und daher über den Wert der herauszugebenden Sache nicht hinausgehen kann. Eine weitergehende Haftung auf Ersatz entgangenen Gewinns sollte nicht in Betracht kommen.11

2. Heute h.M.: auch entgangener Gewinn erfasst

Nach heute überwiegend vertretenem Ansatz erstreckt sich die Haftung auf sämtliche Vermögensschäden, die dem Eigentümer daraus entstehen, dass die Herausgabe der Sache nicht mehr möglich ist. Der Eigentümer kann Ersatz des vollen Schadens, einschließlich des entgangenen Gewinns, verlangen.

Diesem Ansatz ist der BGH schon früher gefolgt.12 Er bestätigt ihn in dieser Entscheidung.

Dem verklagten Besitzer ist die Pflicht auferlegt, sich als Verwalter fremder Sache zu betrachten (bis zur Verurteilung) und dafür zu sorgen, dass sie an den Eigentümer herausgegeben werden kann. Verletzt der Besitzer diese Pflicht, haftet er -- wie bei der Verletzung anderer schuldrechtlicher Pflichten -- dem Eigentümer auf Ersatz der diesem daraus entstandenen Vermögensschäden. Der Besitzer hat danach beispielsweise auch Ersatz für eine dem Eigentümer entgangene staatliche Subvention (Milchprämie) zu leisten, die der Eigentümer erhalten hätte, wenn der Besitzer ihm die Sache (Viehbestand) hätte herausgeben können.13

Bezogen auf den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass K der V den Schaden zu ersetzen hat, der dieser dadurch entstanden ist, dass diese die Hefte nicht mehr an den Lieferanten zurückgeben konnte.

Anmerkung: Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus einem Umkehrschluss zu § 990 II BGB. Danach steht die Geltendmachung eines „weitergehenden" Schadens unter dem Vorbehalt des Verzugseintritts. Damit gemeint sind aber sog. Begleitschäden, d.h. Vorenthaltungsschäden, wie z.B. Rechtsanwaltskosten. Für die Ersatzmöglichkeit entgangenen Gewinns lässt sich der Vorschrift nichts entnehmen.

Im Übrigen kann sich K auch nicht darauf berufen, dass der Eintritt dieses Schadens nicht vorhersehbar war, sodass ihm die Schadensfolge nicht mehr als haftungsausfüllend kausal zuzurechnen wäre.

Es ist beim Vertrieb von Presseartikeln und Büchern üblich, nicht mehr absetzbare Exemplare -- etwa wegen Erscheinens einer neuen Auflage -- an den Lieferanten gegen Erstattung des Einkaufspreises zurückgeben zu dürfen. Daher ist der Schadenseintritt auch nicht so fernliegend, dass mit ihm nicht gerechnet werden musste.

III. Endergebnis

V hat gegen K einen Anspruch auf Zahlung von 1,2 Mio € aus §§ 819 I, 818 IV, 292 I, 989 BGB. Bis zur Höhe des objektiven Wertes kann der Anspruch auch auf §§ 812 I S. 1 Alt. 1, 818 II BGB gestützt werden, sowie in Höhe der erlösten 270.000,- € auf §§ 819 I, 818 IV, 285 BGB.

D) Kommentar

(cda). Der BGH hat die Sache im Original zurückverwiesen. Dies u.a. deshalb, weil auf Seiten von V an ein (erhebliches) Mitverschulden zu denken wäre, weil es auf einem Organisationsmangel beruhen kann, dass über Jahre hinweg Lieferungen erfolgen konnten, von denen V selbst angeblich nichts mitbekommen haben will.

Im Übrigen ist die Entscheidung überzeugend. Es ist nicht einzusehen, warum der Anspruch aus § 989 BGB auf den Substanzschaden beschränkt sein soll. Der Ersatzanspruch tritt an die Stelle des Herausgabeanspruchs. Dann muss aber der Eigentümer so gestellt werden, als hätte er die Sache zurückerhalten. Hätte er sie dann (gewinnbringend) veräußern können, muss der nun entgangene Gewinn vom Ersatzanspruch erfasst sein.

E) Zur Vertiefung

  • EBV Haftung auf Schadensersatz Hemmer/Wüst, Skript Sachenrecht I, Rn. 363 ff.
  • Verschärfte Haftung im Bereicherungsrecht Hemmer/Wüst, Skript Bereicherungsrecht, Rn. 504 ff.

F) Wiederholungsfragen

  1. Welche Rechtsfolgen ergeben sich aus dem Missbrauch der Vertretungsmacht?
  2. Umfasst § 989 BGB auch den entgangenen Gewinn?

  1. OLG Frankfurt am Main, AZ 6 U 271/10; Urteil vom 26.04.2012.

  2. Einen kleinen Seitenhieb kann sich der BGH nicht verkneifen. Er weist in einem Nebensatz darauf hin, dass das OLG Frankfurt seine Prüfung nicht einmal an einer konkreten Anspruchsgrundlage ausgerichtet habe. Da sollte sich der BGH allerdings ein wenig zurückhalten, besteht gerade nicht selten auch ein Manko in Urteilsbegründungen des BGH darin, die Vorschriften nicht konkret zu benennen, an welchen sich die Ergebnisse ausrichten. In der Examensklausur gilt unabhängig davon ganz generell: Sie müssen Ihr Ergebnis am Gesetzestext ausrichten!

  3. BGH, NJW 1982, 1389 ff.

  4. Z.T. wird in der Literatur vertreten, die Grundsätze über die Anscheinsvollmacht könnten nicht zur Wirksamkeit des Vertrags führen. Man könne schließlich dem Vertretenen nur Fahrlässigkeit vorwerfen. Diese werde im vorvertraglichen Bereich aber nur durch eine c.i.c.-Haftung sanktioniert, welche auf das negative Interesse gerichtet sei. Die Wirksamkeit eines Vertrages führe faktisch aber zur Haftung auf das positive Interesse. Diese Betrachtung kann jedenfalls beim dinglichen Vertrag nicht überzeugen, weil es hier nicht um Verpflichtungen geht, sondern um die Frage, ob eine wirksame Zuordnungsveränderung stattgefunden hat.

  5. BGH, NJW 2012, 1718 f.

  6. Alles andere ist auch kaum denkbar. Voraussetzung für die Anscheinsvollmacht wäre, dass keine Fahrlässigkeit auf Seiten des Vertragspartners vorliegt, § 173 BGB analog. Wenn diese aber fehlt, kann ein Überschreiten der (gedachten) Vertretungsmacht im Innenverhältnis kaum evident sein.

  7. BGH, NJW 1989, 26 f.

  8. Vgl. BGH, NJW 1989, 26 f. Der BGH wählt für seine Argumentation nicht einmal die Vorschrift des § 139 BGB. Dies möglicherweise aus dem formalen Grund, dass die Zusatzvereinbarung keinen Eingang in die Kaufvertragsurkunden gefunden hat. Dies ändert aber nichts an der inneren Abhängigkeit der Regelungen voneinander, sodass wir den Aufhänger § 139 BGB für die klausurmäßige Lösung des Falles gewählt haben.

  9. Anders ist dies im Hinblick auf Zinsen (§§ 818 IV, 291 BGB), Surrogatsherausgabe (§§ 818 IV, 285 BGB) und Verwendungen auf die Sache (§§ 818 IV, 292 II BGB). Vorliegend ging es aber um die Frage, ob trotz Entreicherung gehaftet wird und dafür muss die Entreicherung erst einmal geprüft werden.

  10. Zitieren Sie § 989 BGB in diesem Fall ohne § 990 BGB, denn die Ausdehnung der Haftung auf die Bösgläubigkeit ist nur dann relevant, wenn die Rechtshängigkeit fehlt. Vorliegend ist wegen der Gleichstellung von Rechtshängigkeit und Bösgläubigkeit im Bereicherungsrecht von Rechtshängigkeit auszugehen!

  11. Statt Vieler Westermann, Sachenrecht, 5. Aufl., S. 152; Wieling, MDR 1972, 645 f.

  12. BGH, NJW 1982, 1751

  13. Nach BGH, NJW-RR 1993, 626 f.