Abweichung vom Antrag -- sollte deutlich gemacht werden!

BGH, Urteil vom 14.05.2014, VII ZR 334/12, NJW 2014, 2100 ff.

von Life and Law am 01.08.2014

+++ Annahme unter Änderungen +++ Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben +++ §§ 150 II, 242 BGB +++

Sachverhalt (abgewandelt und vereinfacht): B verlangt von A Zahlung der Vergütung für erbrachte Bauleistungen in Höhe von 50.000,- €. Dem Abschluss des Bauvertrags ging Folgendes voraus:

Nach einem Angebot der B vom 30. Juni 2010 über die auszuführenden Arbeiten übersandte A der B per E-Mail am 10. August 2010 einen Auftrag zur Unterzeichnung. Darin war u.a. festgelegt:

„Zahlungen werden in folgender Weise geleistet: Abschläge in Höhe von 90 % auf die erbrachten Leistungen, 5 % nach Fertigstellung, Schlussrechnung und Abnahme. 5 % Sicherheitseinbehalt auf die Dauer der Gewährleistung."

Mit Schreiben vom 18. Oktober 2010 übersandte B an A das von ihr unterzeichnete Auftragsschreiben vom 10.  August 2010 mit folgendem Wortlaut:

„Anbei erhalten Sie die beiden Exemplare des Bauvertrags unterschrieben zu Ihrer weiteren Verwendung zurück. Wir möchten Sie bitten, ein Exemplar unterschrieben an uns zurückzusenden."

Die B hatte den Vertragsinhalt geändert. Sie hatte die Bestimmungen zur Zahlungsweise und zum Sicherheitseinbehalt gelöscht und an deren Stelle mit identischem Schrifttyp stattdessen folgenden Text eingefügt:

„Der Auftraggeber verpflichtet sich, die gesamte Summe an den Auftragnehmer auszuzahlen."

A bemerkte die Änderungen nicht und übersandte ein gegengezeichnetes Formular an B. Nach Fertigstellung und Abnahme zahlte A nur 95 % der Auftragssumme aus. 5 % (= 50.000,- €) behielt A ein.

Hat B im Jahr 2014 einen durchsetzbaren Zahlungsanspruch in Höhe von weiteren 50.000,- €?

A) Sounds

1. Die Grundsätze von Treu und Glauben erfordern, dass der Empfänger eines Vertragsangebots seinen davon abweichenden Vertragswillen in der Annahmeerklärung klar und unzweideutig zum Ausdruck bringt.

2. Diese Anforderungen können im Einzelfall nicht gewahrt sein, wenn der Empfänger eines schriftlichen Angebots an Stelle des ursprünglichen Textes die von ihm vorgenommenen wesentlichen Änderungen mit gleichem Schriftbild so in den Vertragstext einfügt, dass diese nur äußerst schwer erkennbar sind, und in einem Begleitschreiben der Eindruck erweckt wird, er habe das Angebot unverändert angenommen.

B) Problemaufriss

Der Fall betrifft eine Standardproblematik des BGB AT. Wird ein Antrag unter Abweichungen angenommen, stellt dies eine Ablehnung des Antrags, verbunden mit einem neuen Antrag dar, § 150 II BGB. Wird dieser angenommen, kommt der Vertrag zu den geänderten Bedingungen zustande.

Anmerkung: Eine wichtige Ausnahme zu diesem Grundsatz stellt § 2 S. 1 KSchG dar. Macht der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer im Zusammenhang mit dem Ausspruch einer Kündigung ein Angebot auf Fortsetzung des Arbeitsvertrags zu veränderten Bedingungen (sog. Änderungskündigung), kann der AN diesen Antrag unter dem Vorbehalt (= Änderung) annehmen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial gerechtfertigt ist. Gem. § 150 II BGB stellte dies eigentlich ein neues Angebot dar, welches nun der Arbeitgeber annehmen müsste, damit sich der Vorbehalt des AN durchsetzt. Gem. § 2 S. 1 KSchG setzt sich hier der AN jedoch mit seinem Vorbehalt durch. Der Gesetzgeber räumt ihm also ein „einseitiges Antragsänderungsrecht" ein.

Problematisch ist, dass derjenige, der den Antrag ursprünglich gemacht hatte, bei der Unterzeichnung von der Änderung nichts wusste. Daher musste er wohl davon ausgehen, dass der Vertrag schon zustande gekommen war und er mit seiner Unterschrift den Vertragsschluss nur deklaratorisch bestätigt.

C) Lösung

Zu prüfen ist, ob B im Jahr 2014 einen durchsetzbaren Anspruch auf Begleichung der Restwerklohnforderung in Höhe von 50.000,- € gegen B hat.

I. Anspruch aus § 631 BGB

Der Zahlungsanspruch könnte sich aus § 631 BGB ergeben.

Voraussetzung dafür wäre zunächst, dass die Parteien einen wirksamen Werkvertrag geschlossen haben.

Der Vertrag kommt zustande durch Antrag und Annahme, §§ 145 ff. BGB.

1. Antrag durch A

Nachdem man sich über die Vertragsbestandteile verständigt hatte, übersandte A am 10. August per E-Mail einen Auftrag zur Unterzeichnung an B. Darin ist ein Antrag auf Abschluss eines Bauvertrags zu erblicken.

2. Annahme durch B?

Diesen Vertragsentwurf unterschrieb B und sandte ihn mit dem Bemerken zurück, A bekomme ihn zur weiteren Verwendung zurück; man bat um Überlassung eines gegengezeichneten Exemplars.

Die Rücksendung mit einer derartigen Anmerkung kann ein verständiger Empfänger nur so verstehen, dass der zuvor gemachte Antrag angenommen werden soll, §§ 133, 157 BGB.

3. Ggf. Annahme nur mit Änderungen, daher neuer Antrag des B gem. § 150 II BGB?

Fraglich ist allerdings, wie es sich auswirkt, dass B im Hinblick auf die Zahlungsmodalitäten Änderungen vorgenommen hatte.

Nach diesen Änderungen sollte die Vergütung vollständig nach Bauausführung fällig werden; ein Sicherheitseinbehalt ist nicht vorgesehen.

a) A unterzeichnet Änderung, grundsätzlich Annahme der Änderung

Grundsätzlich liegt eine Annahme eines Antrags nur dann vor, wenn dem Antrag vorbehaltslos zugestimmt wird. Enthält die Annahme Änderungen, liegt darin die Ablehnung des Antrags, verbunden mit einem neuen Antrag, § 150 II BGB. Diesen könnte wiederum A mit seiner Unterzeichnung angenommen haben. Dies hätte zur Konsequenz, dass die Bausumme in vollem Umfang nach Abnahme fällig geworden wäre, der Anspruch also unmittelbar durchsetzbar wäre.

b) Problem: A wusste nichts von der Änderung

Dem A waren die Änderungen im Vertragstext allerdings nicht bekannt, als er das Dokument unterzeichnete.

Zwar ist dies grundsätzlich unbeachtlich für die Wirksamkeit einer Willenserklärung, weil es für den Inhalt auf den objektiven Empfängerhorizont ankommt, §§ 133, 157 BGB. Ein verständiger Empfänger darf aber grundsätzlich davon ausgehen, dass der Absender vor der Zustimmung Kenntnis vom Inhalt des Antrags genommen hat. Dies gilt umso mehr, wenn es sich um einen schriftlich ausformulierten Antrag handelt.

Etwas anderes könnte sich jedoch dann ergeben, wenn dem Empfänger klar sein musste, dass dem Absender die inhaltlichen Abweichungen nicht bekannt waren.

Auch im Rahmen von § 150 II BGB sind die Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB) anzuwenden. Diese erfordern, dass der Empfänger eines Antrags, wenn er von dem Vertragswillen des Anbietenden abweichen will, dies in der Annahmeerklärung klar und unzweideutig zum Ausdruck bringt. Erklärt der Vertragspartner seinen vom Angebot abweichenden Vertragswillen nicht hinreichend deutlich, kommt der Vertrag nach Ansicht des BGH zu den Bedingungen des Angebots zustande.1

Vorliegend hat B ihren Willen, vom Angebot des A abweichen zu wollen, nicht hinreichend zum Ausdruck gebracht. Sie hat vielmehr die von ihr gewünschten vertraglichen Bestimmungen anstelle des ursprünglichen Textes mit gleichem Schriftbild so in den Vertragsentwurf des A eingefügt, dass der verbliebene Text lediglich ganz geringfügig, und damit äußerst schwer erkennbar, verschoben wurde.

Zudem wählte B einen Begleittext im Anschreiben zu dem Vertragstext, der suggeriert, man habe das Angebot des A vorbehaltlos angenommen. Man bat lediglich um die Gegenzeichnung, sodass A nicht deutlich gemacht wurde, dass Anlass besteht, den Vertragstext vor Unterzeichnung nochmals gegenzulesen.

Dies lässt darauf schließen, dass B dem A die abweichenden Vertragsbestimmungen unterschieben wollte. Bei einem derartigen Sachverhalt kommt es auch nicht darauf an, dass die Änderungen des Vertragstextes ohne weiteres hätten erkannt werden können, wenn der A den Text insgesamt durchgelesen und mit seinem Vertragsangebot abgeglichen hätte. Denn zu einer solchen Überprüfung bestand in der vorliegenden Situation keine Veranlassung.

Demnach ist davon auszugehen, dass ein wirksamer neuer Antrag gem. § 150 II BGB nicht vorliegt.

Auch kann B sich nicht darauf berufen, den Antrag des A wegen der vorgenommenen Änderungen abgelehnt zu haben mit der Konsequenz, dass gar kein Vertrag zustande gekommen wäre.

Die Auslegung der Erklärung erfolgt nach dem objektiven Empfängerhorizont. Wie bereits ausgeführt, konnte A nicht von Änderungen seines Antrags ausgehen. Das bedeutet aber gleichzeitig, dass der A von einer vorbehaltlosen Annahme, und damit von einem Vertragsschluss ausgehen konnte und durfte.

Maßgeblich für die Zahlungsmodalitäten sind daher die Ausführungen des A in dessen Vertragsangebot. Danach durfte für den Zeitraum des Laufs der Verjährungsfrist ein Sicherheitseinbehalt in Höhe von 5 % vorgenommen werden. Gem. § 634a BGB gilt bei der Errichtung von Bauwerken eine fünfjährige Verjährungsfrist.

II. Endergebnis

Demnach besteht im Jahr 2014 kein durchsetzbarer Anspruch auf Zahlung der Restsumme in Höhe von 50.000,- €. Die Zahlung wird erst mit Ablauf der Verjährungsfrist für Mängelrechte fällig.2

D) Kommentar

(cda). Die Entscheidung überzeugt im Ergebnis. Selbst wenn man den § 150 II BGB nicht gem. § 242 BGB einschränken würde, wäre wohl kein Vertrag mit den Bedingungen des B zustande gekommen. Dann läge zwar ein neuer Antrag der B vor; diesen hätte aber wiederum A mit seiner Unterschrift nicht angenommen. Denn wenn A davon ausgehen durfte, dass keine Abweichungen zum eigenen Antrag in der Annahme der B vorhanden waren, wollte er mit seiner Unterschrift nur deklaratorisch einen vermeintlich bereits geschlossenen Vertrag bestätigen. Es fehlte also das Erklärungsbewusstsein, weil man nicht mehr rechtlich erhebliche Erklärungen abgeben wollte. Bei Erklärungsfahrlässigkeit würde man zwar gleichwohl von einer wirksamen Willenserklärung ausgehen. Allerdings kann man an dieser Fahrlässigkeit zweifeln, wenn die Änderungen nicht deutlich gemacht wurden. Außerdem würde sich die Frage stellen, ob B überhaupt schutzwürdig wäre. Zu guter Letzt wäre die Erklärung dann auch gem. § 119 I BGB analog anfechtbar.3 Kurzum: Diese Vorgehensweise würde den Interessen der Parteien kaum entsprechen, weil es dann an einem wirksamen Vertrag fehlen würde. Das entspricht aber nicht der Interessenlage der Parteien, die durch die Durchführung des Vertrages ja dokumentieren, dass sie von einem wirksamen Vertragsschluss ausgehen (vgl. auch Wertung des § 154 BGB).

E) Zur Vertiefung

  • §§ 145 ff. BGB

Hemmer/Wüst, BGB AT I, Rn. 132 ff.

G) Wiederholungsfragen

  1. Welche Konsequenz hat es, wenn ein Antrag mit Abweichungen angenommen wird?
  2. Wie wirkt es sich aus, dass der Annehmende seinen Vorbehalt nicht hinreichend deutlich macht?

  1. BGH, NZBau 2010, 628.

  2. Daher verjährt der Werklohnanspruch auch nicht vor Ablauf der Mängelgewährleistungsfrist. Zwar gilt für diesen die Regelverjährung. Jedoch ist für Beginn der Verjährungsfrist gem. § 199  I BGB die Entstehung des Anspruchs erforderlich. Unter Entstehung i.d.S. verstehe man den Zeitpunkt, in dem der Anspruch erstmals erfolgreich geltend gemacht werden könnte. Bevor er nicht fällig ist, ist dies nicht der Fall. Alternativ könnte man auch von einer Hemmung gem. § 205 BGB ausgehen. Der BGH verliert dazu keine Zeile.

  3. Vgl. Sie zu dieser Thematik Hemmer/Wüst, BGB AT I, Rn. 63 ff.