Begründung neuen Gewahrsams

Der Täter muss die tatsächliche Herrschaft über die Sache derart erlangt haben, dass ihrer Ausübung keine wesentlichen Hindernisse mehr entgegenstehen.

Supermarkt der Zukunft mit Lichtschranken an den Ausgängen und Wachen an jeder Schranke

Zwar hat der Dieb die Sache eingesteckt, er sieht aber mit mulmigem Gefühl zu der Schranke und den böse blickenden Wachen hin. Er wird nicht ohne Entdeckung durch die Schranke gehen und bei Entdeckung in keinem Fall an den Wachen vorbeikommen können.

Erläuterung:

=> Eingesteckte Sache: tatsächliche Sachherrschaft

=> Magnetschranke und Wachen: wesentliche Hindernisse

Anmerkung 1: Der typische Fall ist der, dass der Dieb den Gegen­stand in seiner Kleidung verbirgt und den Machtbereich ungehindert verlassen kann. Deshalb liegt dort auch schon beim Einstecken (die bekannte „Gewahrsamsenklave“) eine Begründung neuen Gewahrsams vor. Hier aber nicht: Es handelt sich bei der Geschichte um eine Ausnahme von Fall der Gewahrsamsenklave, der bewußt plakativ gestaltet wurde. Es sollte die Notwendigkeit betont werden, dass auch im Fall des Einsteckens der Ware der Ausübung der tatsächlichen Herrschaft keine wesentlichen Hindernisse mehr entgegenstehen dürfen.

Anmerkung 2: Der bekannte Klausurfall der elektromagnetischen Sicherungsetiketten an einer Ware ist anders gelagert: Er ist wichtig für § 243 I S. 2 Nr. 2 StGB („andere Schutzvorrichtungen“) und dort umstritten, weil die Etiketten die Ware nicht gegen die Wegnahme selbst schützen, sondern nur der Wiedererlangung des Gewahrsams dienen (Zur Vertiefung s. Fn. 98). Die Begründung neuen Gewahrsams durch Einstecken ist bei Sicherungsetiketten nahezu immer unproblematisch.
Sensibel sollte man aber werden, wenn in einem dann eher lebensfremd gestalteten Fall ausnahmsweise die Situation der obigen gleicht (Wenn also bereits an den Sicherungsschranken Kaufhausdetektive stehen, um die Kunden im Falle eines Alarmes abzufangen. Dann entfiele § 242 StGB mangels Wegnahme, es könnte sich aber die Diskussion „Regelbeispiele bei Versuch des § 242 StGB“ anschließen.).