Ausnutzen von Angst des Opfers bei der Frage nach Geld -- stets strafbar? (1)

BGH, Beschluss vom 25.02.2014 -- 4 StR 544/13 sowie v. 18.02.2014 -- 5 StR 41/13

von Life and Law am 01.09.2014

+++ Raub, § 249 I StGB +++ Diebstahl, § 242 I StGB +++ Nötigung, § 240 I StGB +++ Gefährliche Körperverletzung, §§ 223 I, 224 I StGB +++ Räuberische Erpressung, §§ 253, 255 StGB +++

Sachverhalt (vereinfacht): T suchte seine von ihm geschiedene Ehefrau E auf, um mit dieser zu sprechen. Als er auf E traf, befand sich diese gerade im Keller ihres Wohnhauses, auf dem Weg zu ihrem Auto. T sagte E, dass er ein Messer bei sich führe, welches E auch gesehen hatte, als T es in seine Hosentasche steckte. Im Verlauf des daraufhin stattfindenden längeren Gesprächs entriss T das von E in der Hand gehaltene Handy für diese plötzlich und unerwartet, um es für sich zu behalten. E versuchte aufgrund der Tatsache, dass T ein Messer bei sich führte, gar nicht erst, wieder an das Handy zu gelangen. Daraufhin entwendete T den Schlüsselbund der E. T forderte E auf, zu ihrem Pkw zu gehen und sich in das Fahrzeug zu setzen. Dem kam E nach, da sie sich auf dem Weg zum Pkw eine Fluchtmöglichkeit erhoffte. Versuche, den Schlüsselbund zurück zu erlangen, gab E auf, als T drohte, ihr Gesicht zu „zerschneiden". Zudem beleidigte T die E und schlug ihr mit dem Schlüsselbund gegen den Kopf, was zu heftigen Schmerzen bei E führte. Schließlich erklärte er ihr, dass er sie nun zur Arbeit fahren und später auch wieder abholen werde, worauf sich E zum Schein einließ. Am Arbeitsplatz der E angekommen übergab T ihr wieder -- wie von Anfang an geplant -- den Schlüsselbund, an welchem sich sowohl der Schlüssel für die Arbeitsstelle sowie auch ihrer Wohnung befanden. Sodann „fragte" er sie, ob sie Geld habe, weil er einen Kaffee trinken wolle. Aufgrund des Vorgeschehens verängstigt und aufgrund der Tatsache, dass T das Messer nach wie vor bei sich hatte, übergab sie ihm ihr einziges Bargeld in Form von fünf Euro. Daraufhin stieg E aus dem Pkw aus und entfernte sich. Das gesamte Geschehen erstreckte sich im Zeitraum von etwa einer Stunde.

Strafbarkeit des T nach dem StGB? Auf §§ 185, 239, 239a, 241 StGB sowie § 316a StGB ist nicht einzugehen.

A) Sounds

1. Das bloße Ausnutzen der Angst des Opfers vor erneuter Gewaltanwendung ist für sich genommen noch keine Drohung im Sinne des § 249 StGB.

2. Ein vorangegangener Hinweis auf das Bei-Sich-Führen eines Messers kann nicht durch das bloße Ausnutzen der Angst beim Opfer als fortdauernde Nötigung angesehen werden.

B) Problemaufriss

Die vorliegende Fallgestaltung eignet sich gut als Vorlage für eine Klausur. Das Hauptproblem der Finalität beim Raub ist ein Klassiker. Hier dürfen Sie sich keine Auslegungsfehler leisten.

C) Lösung

Zu prüfen ist die Strafbarkeit des T nach dem StGB.

I. Strafbarkeit des T gem. § 249 I StGB

T könnte sich hinsichtlich des Drohens mit dem in seiner Hosentasche befindlichen und auch von E gesehenen Messer gegenüber E sowie des späteren Entreißens des Mobiltelefons wegen eines Raubes nach § 249 I StGB strafbar gemacht hat.

Anmerkung: In Betracht käme hier auch eine Prüfung des § 250 I Nr. 1a Alt. 2 StGB durch das Bei-Sich-Führen des Messers in der Hosentasche. Hierauf wird jedoch in der vorliegenden Prüfung bewusst nicht eingegangen, da von T nicht einmal der Grundtatbestand des § 249 I StGB erfüllt wurde und es somit für die hier betrachteten Problemschwerpunkte unbedeutend ist.

1. Tatbestand

Es müsste der Tatbestand des § 249 I StGB erfüllt sein.

objektive Tatbestand

Zunächst müsste der objektive Tatbestand des § 249 I StGB erfüllt sein. Hierfür müsste T der E eine fremde bewegliche Sache weggenommen haben und ein Nötigungsmittel in Form von Gewalt (Alt. 1) oder der Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (Alt. 2) eingesetzt haben. Zudem müsste zwischen der Wegnahme und dem Nötigungsmittel ein finaler Zusammenhang gegeben sein.

a) Fremde bewegliche Sache

Zunächst müsste eine fremde bewegliche Sache gegeben sein. Bei dem entwendeten Mobiltelefon handelt es sich um eine bewegliche Sache, die gänzlich im Eigentum der E stand. Somit handelt es sich hierbei um ein taugliches Tatobjekt in diesem Sinne.

hemmer-Methode: Langweilen Sie den Korrektor bei einem so offensichtlichen Prüfungspunkt nicht mit langen Ausführungen zu nebensächliche Tatbeständen. Die richtige Schwerpunktsetzung ist im Strafrecht von enormer Bedeutung!

b) Wegnahme

Des Weiteren müsste eine Wegnahme gegeben sein. Unter Wegnahme versteht man den Bruch fremden Gewahrsams und das Begründen neuen, nicht notwendigerweise tätereigenen Gewahrsams, wobei Gewahrsam die nach der Verkehrsauffassung zu bestimmende, vom Herrschaftswillen getragene tatsächliche Sachherrschaft ist.1

hemmer-Methode: Lernen Sie in Zusammenhängen: Raub nach § 249 I StGB setzt sich aus einem Diebstahl, § 242 I StGB, und einer (qualifizierten) Nötigung nach § 240 I StGB zusammen. Daher können Sie die hierfür bereits gelernten Definitionen auf den Raub anwenden.

Dies gilt unabhängig davon, ob man insoweit auf das äußere Erscheinungsbild oder auf die innere Willensrichtung der E abstellt, sodass es keiner Entscheidung über die umstrittene Abgrenzung zwischen § 249 StGB einerseits und §§ 253, 255 StGB andererseits bedarf.

Anmerkung: Die Rechtsprechung versteht §§ 253, 255 StGB als Grundtatbestand gegenüber dem spezielleren § 249 StGB. Soweit beide Tatbestände erfüllt sind, grenzt die Rechtsprechung nach dem äußeren Erscheinungsbild ab und entscheidet danach, welche Vorschrift sich auf der Ebene der Gesetzeskonkurrenz durchsetzt.2 Die h.L. hingegen geht bei § 249 StGB und §§ 253, 255 StGB von einem Exklusivitätsverhältnis aus. Sie sieht § 249 StGB als Fremdgefährdungsdelikt an, welches eine Wegnahme erfordert, wohingegen es sich bei §§ 253, 255 StGB um ein Selbstgefährdungsdelikt handelt, welches eine Vermögensverfügung verlangt. Die Abgrenzung nimmt die Literatur anhand der inneren Willensrichtung des Opfers vor.3

Ist der Streit für die Klausur wie an dieser Stelle irrelevant, sollten Sie größere Ausführungen vermeiden und lediglich das Problem kurz anreißen.

T entreißt E ihr Telefon, sodass ein Bruch fremden Gewahrsams stattfindet. Des Weiteren liegt in dem An-Sich-Nehmen des Mobiltelefons eine Begründung neuen, hier vom Täter selbst getragenen Gewahrsams vor, sodass eine Wegnahme in diesem Sinne vorliegt.

c) Qualifizierte Nötigungsmittel

Hierbei müsste T ein qualifiziertes Nötigungsmittel eingesetzt haben. Dies könnte entweder in der Form von Gewalt gegen eine Person (§ 249 I Nr. 1 Alt. 1 StGB) oder durch Drohung mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib und Leben (§ 249 I Nr. 1 Alt. 2 StGB) gegeben sein.

Unter Gewalt gegen eine Person versteht man einen körperlich wirkenden Zwang zur Überwindung eines geleisteten oder erwarteten Widerstands.4 Dies ist in Form von unwiderstehlicher Gewalt (lat.: vis absoluta) oder willensbeugender Gewalt (lat.: vis compulsiva) möglich. Vorliegend kommt jedoch keine Form von Gewalt gegen eine Person in Betracht. Auch wenn der BGH in der Annahme von Gewalt in der Regel recht großzügig ist, kann eine solche im vorliegenden Fall nicht angenommen werden: Zum einen wies T die E nur auf das Messer hin und setzte dieses zu keinem Zeitpunkt ihr gegenüber ein, zum anderen entriss er ihr das Handy mittels einer plötzlichen und unerwarteten Handlung.

hemmer-Methode: Vermischen Sie nicht die einzelnen Geschehensabläufe. Es wäre falsch, hier schon eine Gewaltanwendung auf Grund des Schlages mit dem Schlüsselbund anzunehmen, da dieser erst stattfand, nachdem T das Handy an sich genommen hatte.

Es könnte jedoch eine Drohung mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib und Leben vorliegen. Eine solche liegt vor, wenn das Inaussichtstellen eines zukünftigen empfindlichen Übels gegeben ist, auf dessen Verwirklichung der Täter Einfluss hat oder zu haben vorgibt, um einen Nötigungserfolg zu erreichen.5

T trug ein Messer bei sich, worauf er E hinwies. Hierin kann durchaus eine Drohung in der Form gesehen werden, dass T das Messer gegen E einsetzen werde, sofern diese nicht kooperiere. Jedoch gilt es zu bedenken, dass zwischen dem Hinweis auf das von T mitgeführte Messer und der Wegnahme des Telefons ein längeres Gespräch zwischen den beiden Seiten stattfand und somit von keiner konkreten Drohung des T gegenüber E mit hinreichendem Bezug auf das Messer ausgegangen werden kann. Mehr noch kann die bloße Ausnutzung der Angst des Opfers vor erneuter Gewaltanwendung für sich genommen noch keine Drohung darstellen. Erforderlich ist gerade, dass der Täter die Gefahr für Leib und Leben dem Opfer deutlich in Aussicht stellt, also durch seine Handlungen dem Opfer erkennbar die Gefahr vor Augen geführt wird. Erwartet das Opfer lediglich, dass es zu einer Schädigung für Leib und Leben kommen kann, genügt dies nicht.

Hier unternimmt T keine weiteren Handlungen, welche für ein Aufrechterhalten der Drohung sprechen würden. Zudem findet auch keine erneute Drohung durch T bis zum Entreißen des Mobiltelefons statt. Daher kann vorliegend nicht von einer Drohung mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib und Leben gegenüber E im Sinne von § 249 I Alt. 2 StGB ausgegangen werden.

Anmerkung: Sofern man anders als hier zu dem Ergebnis käme, dass ein Nötigungsmittel in Form der Drohung mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben gegeben ist, müsste in der darauffolgenden Prüfung auf die Finalität eingegangen werden. Dies bedeutet, dass der Einsatz des Nötigungsmittels von T gerade eingesetzt worden sein muss, um die Wegnahme zu ermöglichen. Hieran bestehen erhebliche Zweifel, da -- wie bereits bei der Drohung mit gegenwärtiger Gefahr dargestellt -- ein längerer Zeitraum zwischen dem Nötigungsmittel und der Tathandlung liegt. Zudem hatte T zum Zeitpunkt der ersten Drohung noch keine Absicht, gerade das Mobiltelefon an sich zu nehmen, sondern fasste diesen Entschluss erst spontan während der Unterhaltung mit E. Somit wäre jedenfalls der Finalzusammenhang zu verneinen.

Zwischenergebnis: Der objektive Tatbestand des § 249 I StGB ist nicht erfüllt.

2. Ergebnis

T hat sich nicht wegen vollendeten Raubes nach § 249 I StGB strafbar gemacht.

II. Strafbarkeit des T wegen Diebstahls nach § 242 I StGB (Handy)

Es könnte eine Strafbarkeit des T hinsichtlich der Wegnahme des Handys nach § 242 I StGB wegen Diebstahls gegeben sein.

1. Tatbestand

Hierfür müsste der Tatbestand des § 242 I StGB erfüllt sein.

a) Objektiver Tatbestand

Fraglich ist, ob der objektive Tatbestand des Diebstahls erfüllt ist. Wie bereits in der Prüfung des § 249 StGB ausgeführt, ist das Handy eine fremde bewegliche Sache, welche auch durch das Entreißen seitens T weggenommen wurde. Daher ist der objektive Tatbestand des Diebstahls erfüllt.

b) Subjektiver Tatbestand

Des Weiteren müsste der subjektive Tatbestand erfüllt sein. Dieser setzt sich bei Diebstahl aus Vorsatz hinsichtlich der objektiven Merkmale, sowie der Absicht, sich oder einen Dritten die Sache rechtswidrig zuzueignen, zusammen.

Der Vorsatz im Sinne von § 15 StGB hinsichtlich der objektiven Merkmale des Diebstahls liegt bei T, der in vollem Bewusstsein hinsichtlich der Wegnahme des Handys gehandelt hat, vor.

Jedoch gilt es im Rahmen des subjektiven Tatbestands des Diebstahls zu beachten, dass neben dem Vorsatz noch die Absicht rechtswidriger Zueignung gegeben sein muss. Diese setzt sich aus einer Aneignungskomponente, also dem Willen des zumindest vorübergehenden Einverleibens in das eigene Vermögen, und der Enteignungskomponente, dem Willen einer dauerhaften Verdrängung des Eigentümers aus seiner bisherigen Herrschaftsposition, zusammen.

T entriss E ihr Telefon in der Absicht, dieses für sich einzubehalten, sodass sowohl der Aneignungswille sowie auch der Enteignungswille gegeben sind. Der subjektive Tatbestand ist somit bei T gegeben.

Anmerkung: Es handelt sich hierbei um ein sogenanntes Delikt mit „überschießender Innentendenz". Dies bedeutet, dass der subjektive Tatbestand zusätzlich zum Vorsatz noch die Absicht rechtswidriger Zueignung des Täters voraussetzt.

2. Rechtswidrigkeit und Schuld

Es sind weder Rechtfertigungs- noch Entschuldigungsgründe ersichtlich.

3. Ergebnis

T hat sich wegen eines Diebstahls hinsichtlich des Handys nach § 242 I StGB strafbar gemacht.

III. Strafbarkeit des T wegen Diebstahls nach § 242 I StGB (Schlüsselbund)

T könnte sich überdies wegen Diebstahls am Schlüsselbund strafbar gemacht haben, indem er diesen der E entriss. Jedoch übergab T diesen der E wieder, wie von Anfang an geplant. Mangels Zueignungsabsicht scheidet somit eine Strafbarkeit wegen Diebstahls insoweit aus.

IV. Strafbarkeit des T wegen Nötigung nach § 240 I StGB

Des Weiteren kommt eine Strafbarkeit des T wegen Nötigung in Betracht, indem er E dazu zwang, mit ihm in das Auto zu steigen.

Wie jedoch bereits ausführlich im Rahmen des § 249 StGB geprüft, liegt keine Handlung vor, welche die Annahme einer Nötigung rechtfertigen würde. Auch insoweit ist beachtlich, dass zwischen dem Hinweis auf das Messer und der späteren Aufforderung, in das Auto zu steigen, eine größere Zeitspanne verging. Ein hinreichender Zusammenhang von Nötigungsmittel und Nötigungserfolg lässt sich somit dem Sachverhalt nicht hinreichend eindeutig entnehmen (Art. 6 II EMRK). Eine Strafbarkeit wegen Nötigung nach § 240 I StGB scheidet somit insoweit aus.

V. Strafbarkeit des T wegen gefährlicher Körperverletzung nach §§ 223 I, 224 I Nr. 2 Alt. 2 StGB

T könnte sich hinsichtlich des Schlages mit dem Schlüsselbund auf den Kopf der E wegen gefährlicher Körperverletzung nach §§ 223 I, 224 I Nr. 2 Alt. 2 StGB strafbar gemacht haben.

Mit dem Schlag auf den Kopf der E liegt eine körperliche Misshandlung (Alt. 1) vor, da eine üble unangemessene Behandlung gegeben ist, die das körperliche Wohlbefinden sowie auch die körperliche Unversehrtheit beeinträchtigt. Mehr noch kommt es hierdurch zum Hervorrufen eines pathologischen, also krankhaften Zustandes in Form der Schmerzen, welche durch das Aufschlagen des Schlüssels auf den Kopf der E entstehen, sodass auch eine Gesundheitsschädigung (Alt. 2) gegeben ist. Der Tatbestand des § 223 I StGB ist somit erfüllt.

Auch ist der Qualifikationstatbestand des § 224 I Nr. 2 Alt. 2 StGB beim Schlagen mit einem Schlüsselbund erfüllt, da dieser auf Grund seiner konkreten Verwendung im Einzelfall -- hier durch den Schlag auf den Kopf der E -- geeignet ist, erhebliche Verletzungen hervorzurufen.6

Zudem handelte T auch vorsätzlich im Sinne von § 15 StGB.

Da weder Rechtfertigungs- noch Entschuldigungsgründe ersichtlich sind, hat T sich wegen gefährlicher Körperverletzung strafbar gemacht.

Anmerkungen: Halten Sie die Ausführungen bewusst kurz, wenn keine besonderen Probleme ersichtlich sind. Gerade im Strafrecht ist die richtige Schwerpunktsetzung von besonderer Bedeutung.

VI. Strafbarkeit des T wegen räuberischer Erpressung nach §§ 253 I, 255 StGB

Fraglich ist, ob T sich hinsichtlich des Aufforderns der E, ihm Geld für einen Kaffee zu geben, wegen räuberischer Erpressung nach §§ 253 I, 255 StGB strafbar gemacht hat.

1. Tatbestand

Hierfür müsste der objektive Tatbestand gegeben sein.

a) Erpressungsmittel

Zunächst müsste T ein Erpressungsmittel in Form einer qualifizierten Nötigungshandlung im Sinne von § 255 StGB vorgenommen haben. Dies bedeutet, es müsste Gewalt gegen eine Person (Alt. 1) oder eine Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (Alt. 2) eingesetzt worden sein. Vorliegend hat T gegenüber E sowohl Gewalt in der Form des Schlagens mit dem Schlüssel auf den Kopf der E (Alt. 1), sowie auch eine Drohung mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben, indem er ihr das Messer zeigte und somit sie auf die Gefahr von Übergriffen hinwies (Alt. 2), angewandt. Daher ist der Tatbestand des qualifizierten Nötigungsmittels gegeben.

b) Erpressungserfolg

Des Weiteren übergab E dem T fünf Euro gegen ihren Willen. Somit liegt auch ein tauglicher Erpressungserfolg vor.

c) Erpressungsspezifischer Zusammenhang

Es müsste jedoch ein erpressungsspezifischer Zusammenhang zwischen Erpressungsmittel und dem Erpressungserfolg gegeben sein.

Problematisch ist jedoch wiederum, dass ein längerer Zeitraum zwischen dem Drohen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben sowie dem Schlag mit dem Schlüsselbund und dem dargelegten Erpressungserfolg lag, sodass es bereits zweifelhaft ist, ob eine Erpressungshandlung gegeben ist, auf die sich der Erpressungserfolg stützt. Zwar „fragte" T die E in diesem Zeitraum, ob er von ihr Geld haben könnte. Jedoch ist eine solche Handlung nicht dazu geeignet, eine vorangegangene Drohung aufrecht zu erhalten. Zudem hatte T zum Zeitpunkt der ersten Drohung noch gar keine Bereicherungsabsicht hinsichtlich des Geldes, sondern fasste diese erst zu einem späteren Zeitpunkt. Daher kann hier das Ausnutzen der fortdauernden Angst nicht ausreichen, sofern keine neue Nötigungshandlung hinzutritt. Somit ist vorliegend kein erpressungsspezifischer Zusammenhang gegeben.

Zwischenergebnis: Der objektive Tatbestand der räuberischen Erpressung nach §§ 253, 255 StGB ist nicht erfüllt.

2. Ergebnis

T hat sich nicht wegen räuberischer Erpressung nach §§ 253, 255 StGB strafbar gemacht.7

VII. Endergebnis / Konkurrenzen

T hat sich aufgrund seines Verhaltens wegen Diebstahls in Tatmehrheit mit gefährlicher Körperverletzung strafbar gemacht, §§ 242 I, 223 I, 224 I Nr. 2 Alt. 2, 53 StGB.

D) Kommentar

(bb). Beim bloßen Ausnutzen von bestehender Angst beim Opfer kann es demzufolge zu Strafbarkeitslücken kommen. Hintergrund ist die strikte Anwendung des in-dubio-pro-reo-Grundsatzes, Art. 6 II EMRK.

E) Zur Vertiefung

  • Finalzusammenhang beim Raub

Hemmer/Wüst, Strafrecht BT I, Rn. 60 ff.

F) Wiederholungsfragen

  1. Wie ist das Verhältnis von Raub und räuberischer Erpressung?
  2. Was versteht man unter „Finalzusammenhang" beim Raub?

  1. Vgl. Fischer, § 242 StGB, Rn. 10 f.

  2. Vgl. BGH, NStZ-RR 1997, 321; NStZ 2003, 604 (605)

  3. Vgl. Fischer, § 253 StGB, Rn. 10; MüKo, § 253 StGB, Rn. 13 ff.; BeckOK, § 253 StGB, Rn. 5 ff.

  4. Vgl. Fischer, § 240 StGB, Rn. 8.

  5. Vgl. Fischer, § 240 StGB, Rn. 31.

  6. Andere Ansicht gut vertretbar mit dem Hinweis, dass nähere Angaben zur Schwere des Schlüsselbunds und zur konkreten Art der Ausführung des Schlages fehlen.

  7. Aus denselben Gründen fehlt es auch an einem nötigungsspezifischen Zusammenhang zwischen Mittel und Nötigungserfolg, sodass auch eine Strafbarkeit gem. § 240 I StGB ausscheidet.