Natürliche Handlungseinheit

Mehrere im Wesentlichen gleichartige Verhaltensweisen werden von einem einheitlichen Willen getragen und sind aufgrund ihres räumlich-zeitlichen Zusammenhangs derart eng miteinander verbunden, dass das gesamte Tätigwerden objektiv auch für einen Dritten bei natürlicher Betrachtungsweise als ein einheitliches, zusammengehöriges Tun erscheint.

Der Amoklauf des Küchengesellen

Plötzlich schwingt er sein Messer und ersticht, mit rasendem Blick, den Küchenchef. Entgeistert rennt er vor die Tür der Küche, die auf eine kleine Hinterhofgasse hinausgeht. Er läuft schnell weiter, unter den vielen zwischen den Häusern aufgespannten Wäscheleinen hindurch, und kommt nach kurzer Zeit an die Hauptstraße. Ohne zu zögern läuft er auf einen Motorradfahrer zu, blickt ihn ebenso rasend an wie zuvor in der Küche, und sticht auch diesen nieder.

Ein Pressephotograph, der zufällig auf der anderen Straßenseite steht, bannt die Szene geistesgegenwärtig auf Film. Eine große Touristengruppe blickt erschrocken auf das Geschehen und drängt sich schreiend eng zusammen, als der wild wütende Täter vorbeiläuft, ohne sie eines Blickes zu würdigen.

Erläuterung:

=> Der Messerstich in der Küche und auf der Hauptstraße: Im wesentlichen gleichartige Verhaltensweisen

=> Die rasenden Blicke bei den Stichen: Von einem einheitlichen Willen getragen

=> Der schnelle Lauf und die Nähe zur Hauptstraße: Räumlich-zeitlicher Zusammenhang

=> Die Wäscheleinen: Eng miteinander verbunden

=> Die Kamera des Fotografen: Objektiv

=> Der stehende Fotograf: Für einen Dritten

=> Die schafgleichen Blicke der Menschenmenge: Natürliche Betrachtungsweise

=> Das gemeinsame Kreischen und Zusammenrücken: Einheitliches, zusammengehöriges Tun

Problem:

„Ist eine Annahme von natürlicher Handlungseinheit möglich, wenn höchstpersönliche Rechtsgüter verschiedener Personen verletzt werden?“