Trickreicher Computerbetrug im bargeldlosen Zahlungsverkehr

BGH, Urteil vom 20.02.2014 -- 3 StR 178/13

von Life and Law am 01.11.2014

+++ Computerbetrug, § 263a StGB +++ Gefälschter Überweisungsträger, § 267 StGB +++ Mitbestrafte Vortat und Nachtat +++ Schadensbestimmung beim Betrug +++

Sachverhalt (vereinfacht): A und B sind Kunden der X-Bank und unterhalten bei dieser je ein Girokonto. T manipulierte einen Überweisungsträger der X-Bank so, dass dieser die Daten des A trug, wobei T die Unterschrift des A -- für Dritte nicht ohne weiteres erkennbar -- auf dem Überweisungsträger imitierte. Ziel dieser Überweisung in Höhe von 1.000,- € war das Konto des B. Weder A noch B wussten von der Überweisung oder kannten T. Weil T mit den Gepflogenheiten der Bank vertraut war, wusste dieser, dass Überweisungen ausschließlich maschinell bearbeitet werden. Dies war auch hinsichtlich der von T veranlassten Überweisung der Fall, sodass es zu einer Gutschrift des Betrags auf dem Konto des B unter gleichzeitiger Belastung des Kontos des A kam. Da es T zuvor unter nicht mehr aufklärbaren Umständen gelungen war, sich die EC-Karte des B samt PIN zu beschaffen, hob er den Geldbetrag noch am Tag des Eingangs vom Konto des B bei der X-Bank in zwei Teilbeträgen von 550,- € und 450,- € innerhalb einer Minute am gleichen Geldautomaten ab. Das so erlangte Geld verwendete T absichtsgemäß für sich.

Strafbarkeit des T nach dem StGB?

A) Sounds

1. Mehrere unberechtigte Zugriffe auf dasselbe Konto in kurzem zeitlichen Abstand und am gleichen Geldautomaten begründen eine einheitliche Tat gem. § 263a StGB.

2. Das Vermögen des Kontoinhabers wird durch eine unberechtigte Überweisung vermindert, weil dieser das Risiko der Entdeckung der Fehlbuchung trägt und Bonitätsnachteile durch den formell zu niedrigen Ausweis des Kontostandes erleidet, obwohl sein Auszahlungsanspruch gegen die Bank materiell voll bestehen bleibt. Dieser Schaden tritt mit der Buchung endgültig ein, sodass es unerheblich ist, dass der Kontostand später durch die Bank aufgrund § 675u S. 2 BGB berichtigt wird.

3. Wegen des Stornorechts der Bank bei internen Fehlüberweisungen erleidet diese keinen tatsächlichen messbaren Schaden. Selbst die Annahme einer schadensgleichen Vermögensgefährdung ist fraglich.

B) Problemaufriss

Bei der Funktionsweise des bargeldlosen Zahlungsverkehrs und der rechtlichen Würdigung der Beziehungen unter den Beteiligten handelt es sich zweifellos um eine der kompliziertesten Materien, mit der Examenskandidaten in Berührung kommen. An der Unsicherheit, die bei der Befassung mit den rechtlichen Problemen des Bankwesens herrscht, hat aus Studentensicht auch die Novelle des Zahlungsverkehrsrechts im Jahre 2009 mit der umfassenden Revision der §§ 675c - 676c BGB1 nur wenig geändert.

Umso diffiziler ist die Behandlung derartiger Probleme, wenn sie abseits der grundlegend bekannten Konstellationen des Vertrags- oder Bereicherungsrechts, nämlich im Strafrecht, auftauchen. Um einen solchen, thematisch schwierigen Fall handelt es sich hier.

Der BGH hatte sich mit Fällen des Computerbetrugs auseinanderzusetzen, für die das Verständnis der zivilrechtlichen Grundlagen des Zahlungsverkehrs Voraussetzung ist. Darauf baut eine Differenzierung des BGH auf, und zwar hinsichtlich der durch den Computerbetrug geschädigten Personen, die vor dem Hintergrund der neuesten, restriktiven Rechtsprechung des BVerfG zum strafrechtlichen Schadensbegriff2 durchaus neue Akzente erfährt. Die Differenzierung des BGH entfaltet ihre Relevanz dabei vor allem bei der Beurteilung der Konkurrenzen, da das Auseinanderfallen der durch die Tat Geschädigten die Annahme von Gesetzeskonkurrenz hindert.

Die Beschäftigung mit der Entscheidung ist vor allem deshalb lehrreich, weil sie ein erhebliches Maß an Differenzierungsvermögen verlangt. Dieses steht in Klausuren, die sich schwerpunktmäßig mit den §§ 263 ff. StGB befassen, häufig im Vordergrund, und dessen Fehlen ist einer der Hauptkritikpunkte in derartigen Klausuren. Dieses Differenzierungsvermögen einzuüben, sollte Ansporn der Beschäftigung mit der vorliegenden Entscheidung des BGH sein.

C) Lösung

Zu prüfen ist die Strafbarkeit des T nach dem StGB.

I. Vorüberlegung

Um die Besonderheiten des Falles zu erfassen, bietet es sich an, eine Skizze zu erstellen. Diese könnte etwa wie folgt aussehen:

II. Veranlassung der Überweisung von A an B

Zunächst ist die durch T veranlasste Überweisung von A an B (in der Darstellung t1) zu betrachten.

1. Strafbarkeit gem. § 263a I Var. 2 StGB

T könnte sich gem. § 263a I Var. 2 StGB wegen eines Computerbetrugs strafbar gemacht haben.

a) Objektiver Tatbestand

Der objektive Tatbestand des Computerbetrugs müsste erfüllt sein.

Durch die Eingabe des manipulierten Überweisungsträgers in das interne automatisierte Prüfungssystem der Bank müsste der T unrichtige Daten im Sinne des § 263a I Var. 2 StGB verwendet haben. Die Angaben auf dem Überweisungsträger müssten Daten als kodierte Informationen in einer im Wege automatisierter Verarbeitung nutzbaren Darstellungsform sein.3 Der Begriff der Kodierung wird extensiv dahin verstanden, dass diese auch im Zeitpunkt der Eingabe in das System stattfinden kann.4 Vor diesem Hintergrund enthält der maschinell bearbeitete Überweisungsträger Daten. Hinsichtlich des Begriffes der Daten gelten die Einschränkungen des § 202a II StGB im Falle des § 263a I Var. 2 StGB nicht,5 sodass die visuelle Wahrnehmbarkeit der Angaben auf dem Überweisungsträger nichts an deren Datenqualität ändert. Diese Daten waren zudem unrichtig, da sie den durch sie dargestellten Lebenssachverhalt unzutreffend wiedergeben.6 A wusste nichts von der Überweisung.

Durch diese Beschickung mit unrichtigen Daten hat T auf das Ergebnis eines Datenverarbeitungsvorganges Einfluss genommen, indem er eine maschinell ausgelöste Überweisung -- als Vorgang mit unmittelbarer Vermögensrelevanz7 -- veranlasst hat, die der Computer bei der X-Bank bei korrekter Eingabe der Daten resp. Kenntlichmachung der fehlenden Autorisierung durch A nicht ausgelöst hätte.

Es müsste zudem ein Vermögensschaden eingetreten sein. Als solcher wird jede objektiv-individuell festzustellende Minderung des strafrechtlich geschützten Vermögens -- also ein negativer Vermögenssaldo -- angesehen.8 Auszahlungsansprüche des Bankkunden im Giroverkehr beruhen jedenfalls nach Feststellung des Kontosaldos auf einem abstrakten Schuldanerkenntnis der kontoführenden Bank.9

Anmerkung: Zuvor ergibt sich der Anspruch auf Auszahlung eines gutgeschriebenen Betrages aus §§ 675c I BGB i.V.m. § 667 BGB.

Die Kontobelastung erfolgt aufgrund eines Aufwendungsersatzanspruches der die Kundenanweisung ausführenden Bank gem. § 675c I BGB i.V.m. § 670 BGB. Bei diesen Anspruchspositionen handelt es sich jedenfalls um einen Teil des strafrechtlich geschützten Vermögens,10 sodass sich allein die Frage stellt, ob und bejahendenfalls in wessen Vermögen ein objektiv negativer Vermögenssaldo eingetreten ist.

In Betracht kommen der vermeintlich überweisende A und die X-Bank. Für die treffende Zuordnung des Schadens kommt es entscheidend auf die zivilrechtliche Bewertung der Überweisung an. Da diese nicht von A selbst stammte, sondern auf einer Manipulation des T beruhte, war der Zahlungsvorgang nicht autorisiert. In diesem Fall hat A gegen die X-Bank einen Erstattungsanspruch gem. § 675u S. 2 BGB. Hiernach wäre der Schaden bei der Überweisung bei der X-Bank eingetreten. Damit wäre den Besonderheiten des vorliegenden Falles jedoch nicht ausreichend Rechnung getragen. Es ist nämlich zu beachten, dass der Geldbetrag für die X nicht verloren ist. Das Buchgeld bleibt bei der Bank. Denn der vorliegende Fall zeichnet sich durch die Besonderheit aus, dass sowohl A als auch der Überweisungsempfänger B jeweils Kunden der X sind. In diesem Fall hat X hinsichtlich der Gutschrift bei B ein Stornorecht gem. Nr. 8 II AGB-Banken. X kann die Buchung somit rückgängig machen, sodass ihr Vermögen nicht gemindert wird.

Allenfalls ist bei der X daher eine Vermögensgefährdung gegeben. Diese jedoch ist jedenfalls anhand der zu berücksichtigenden restriktiven Positionierung des BVerfG zu einer darauf gestützten Schadensbegründung11 nicht einem Schaden gleichzustellen. X kann die Überweisung ohne ersichtliche Schwierigkeiten rückgängig machen. Denn B als Berechtigter der Gutschrift als abstraktes Schuldanerkenntnis kann der Stornierung nicht widersprechen. Bei X ist kein Schaden eingetreten.

Anmerkung: Wären im Fall auf Seiten von A und B unterschiedliche Banken beteiligt, handelte es sich also um eine bankexterne Fehlbuchung, würde Nr. 8 II AGB-Banken nicht eingreifen. In diesem Fall hätte die Bank des vermeintlich Überweisenden einen Schaden erlitten.

Jedoch könnte A einen Schaden i.S.d. obigen Definition erlitten haben. Dies ist problematisch. Eine nicht autorisierte Belastungsbuchung begründet keinen Aufwendungsersatzanspruch der Bank, die die Überweisung ausführt. Der materiell verfügbare Betrag des Kontoinhabers verändert sich nicht. Nur der formell ausgewiesene Kontostand ist falsch.12 Im Übrigen besteht ein Anspruch gem. § 675u S. 2 BGB auf Wiederherstellung des ursprünglichen Kontostandes, der für den Kontoinhaber A vorliegend nicht mit einem erheblichen Durchsetzbarkeitsrisiko behaftet ist. Gleichwohl lässt sich vorliegend ein Schaden des A durch die unberechtigte Überweisung durch T begründen. Der Kontoinhaber trägt zum einen das Risiko, den Verlust des Geldes nicht zu bemerken. Zum anderen entsteht ein wirtschaftlicher und quantifizierbarer Nachteil dadurch, dass der Kontoinhaber bis zur Rückbuchung faktisch nicht in der Lage ist, über den materiell eigentlich verfügbaren Betrag zu verfügen und seine Bonität so faktisch gemindert ist.13 Auch Folgeschäden durch die temporäre Minderung des ausweislich verfügbaren Betrags sind denkbar: Womöglich können Schecks zu Lasten des Kontos mangels Deckung nicht eingelöst und Überweisungen nicht durchgeführt werden. Der Kontoinhaber kann unter diesen Umständen regresspflichtig werden.14

Hiernach ist wegen der unberechtigten Überweisung nicht bei der X-Bank, aber beim Kontoinhaber A ein Schaden eingetreten. Aufgrund der vertraglichen Beziehung zwischen der X-Bank und A besteht auch eine hinreichende Nähebeziehung, sodass insoweit ein Dreiecksbetrug angenommen werden kann.

hemmer-Methode: Merken Sie sich, dass Irrender und Verfügender personenidentisch sein müssen, der Verfügende und der Geschädigte aber auseinanderfallen können (sog. Dreiecksbetrug).

Zwischen den von T verwirklichten Tatbestandsmerkmalen besteht überdies jeweils ein Kausal- und Zurechnungszusammenhang.

Der objektive Tatbestand des § 263a I Var. 2 StGB ist erfüllt.

b) Subjektiver Tatbestand, Rechtswidrigkeit und Schuld

T handelte hinsichtlich aller Tatumstände vorsätzlich. Darüber hinaus hatte er die Absicht rechtswidriger und stoffgleicher Bereicherung, sodass der subjektive Tatbestand erfüllt ist. Rechtswidrigkeit und Schuld sind gegeben.

Zwischenergebnis: T ist strafbar gem. § 263a I Var. 2 StGB.

2. Strafbarkeit gem. § 267 I Var. 1 StGB

Indem er den Überweisungsträger der X-Bank mit den Daten und der Unterschrift des A versah, hat sich T wegen einer Urkundenfälschung in der Variante des Herstellens einer unechten Urkunde gem. § 267 I Var. 1 StGB strafbar gemacht. Er hat den Überweisungsträger als verkörperte menschliche Gedankenerklärung, die den Kontoinhaber als Aussteller erkennen lässt und die zum Beweis der Autorisierung einer Überweisung dient, körperlich geschaffen, also hergestellt.15 Dieser ist auch i.S.e. Identitätstäuschung unecht,16 weil in ihm A als Aussteller erscheint, obwohl der Urheber tatsächlich T ist. Dabei handelte T hinsichtlich der Tatobjektsqualität mit direktem Vorsatz und betreffend die Tathandlung absichtlich. Auch kam es ihm -- jedenfalls hinreichend17 -- darauf an, mit dem Überweisungsträger eine Täuschung im Rechtsverkehr zu bewirken. T handelte auch rechtswidrig und schuldhaft.

3. Strafbarkeit gem. § 267 I Var. 3 StGB

Bei der Abgabe des Überweisungsträgers bei der X-Bank handelt es sich um ein Gebrauchen der von ihm selbst hergestellten unechten Urkunde durch den T i.S.d. § 267 I Var. 3 StGB. Diese erneute Verwirklichung des § 267 I StGB begründet, weil es sich um den von T von vornherein geplanten Abschluss der Rechtsgutverletzung handelt, jedoch keine weitere Strafbarkeit. Vielmehr ist das Gebrauchen des Überweisungsträgers unter diesen Voraussetzungen nur die materielle Vollendung der Herstellung der unechten Urkunde, deren Unrecht von der Verwirklichung des § 267 I Var. 1 StGB erfasst ist.18

Eine neuerliche Strafbarkeit gem. § 267 I StGB in Form des Gebrauchmachens durch das Einreichen der Überweisung durch T scheidet aus.

Anmerkung: Instruktiv zur Möglichkeit der Verklammerung durch § 267 I StGB vgl. BGH, Beschluss vom 28.01.2014 -- 4 StR 528/13 = Life & Law 2014, 585 ff.

III. Abhebung des Geldes vom Konto des B

T könnte sich des Weiteren durch die Abhebung des Geldes vom Konto des B (in der obigen Darstellung t2) strafbar gemacht haben.

1. Strafbarkeit wegen der Erlangung der EC-Karte samt PIN

Die Umstände der Erlangung der EC-Karte sind unklar. Damit fehlt es an tatsächlichen Anhaltspunkten für die Anknüpfung einer Strafbarkeit.

hemmer-Methode: Dem Klausurersteller bieten sich hier weitere Möglichkeiten der Notendifferenzierung. Typische Delikte, die es in diesem Zusammenhang zu erörtern -- und nicht selten abzulehnen -- gilt, sind: § 202a StGB mit der Frage, ob eine auf die EC-Karte geschriebene PIN den Datenbegriff erfüllt; § 242 I StGB mit dem Problem der Zueignungsabsicht bei Rückführungswillen bezüglich der Karte sowie § 274 StGB, wobei die Nachteilszufügungsabsicht oft problematisch ist.19

2. Strafbarkeit gem. § 263 I Var. 3 StGB

Durch die Abhebung des Geldes vom Konto des B könnte sich der T wegen eines Computerbetrugs gem. § 263a I Var. 3 StGB strafbar gemacht haben.

a) Einheitliche Tat

Obwohl T zwei Auszahlungsvorgänge des Automaten veranlasst, handelt es sich um eine einheitliche Tat im Sinne des § 263a I Var. 3 StGB. Sowohl räumlich als auch zeitlich ist hier eine derartige Nähe der Abhebungen gegeben, dass es nicht gerechtfertigt ist, zwei Tatbestandsverwirklichungen anzunehmen. Vielmehr hat T einen Handlungsentschluss gefasst und diesen iterativ verwirklicht. § 263a I Var. 3 StGB kann damit nur einmal verwirklicht sein.

b) Objektiver Tatbestand

Der objektive Tatbestand des § 263a I Var. 3 StGB müsste erfüllt sein. Indem T die EC-Karte des B und dessen PIN zur Abhebung des auf dem Konto des B zuvor eingegangenen Betrags einsetzt, verwendet er anhand der ganz herrschenden betrugsnahen Auslegung des § 263a I Var. 3 StGB20 unbefugt Daten im obigen Sinne. Unter hypothetischer Abhebung des Geldes bei einem Angestellten am Bargeldschalter der Bank hätte T diesen über die Berechtigung zur Abhebung des Geldes getäuscht und dieser wäre einem entsprechenden Irrtum unterlegen, weil er die Berechtigung des Abhebenden voraussetzt. Eingedenk der Funktion des § 263a I StGB als Pendant des § 263 StGB in automatisierten Bearbeitungsprozessen ist dieses Ergebnis auf § 263a I Var. 3 StGB zu übertragen.21

Hierdurch wird das Ergebnis eines Datenverarbeitungsvorgangs beeinflusst, da der Geldautomat unmittelbar vermögenswirksame Auszahlungen an T veranlasst, die direkt auf der unbefugten Verwendung der Daten des B beruhen.

Es müsste schließlich ein Vermögensschaden eingetreten sein. Es ist auf die bereits oben dargestellten zivilrechtlichen Grundlagen des bargeldlosen Zahlungsverkehrs zurückzugreifen. Die Auszahlungen sind vom berechtigten Kontoinhaber B nicht autorisierte Zahlungsvorgänge. B steht somit gegen seine Bank X ein Erstattungsanspruch gem. § 675u S. 2 BGB zu. Erneut ist der entstandene Schaden so auf den ersten Blick der X zuzuordnen. Im Gegensatz zur Überweisung von A an B bleibt jedoch für eine Korrektur dieses Ergebnisses kein Raum. Da der Buchgeldbetrag vom Konto des B den Innenbereich der Bank verlassen hat, indem T das Geld in bar abgehoben hat, handelt es sich nicht mehr nur um eine bankinterne Fehlbuchung, welche die X unter Anwendung ihres Stornorechts gem. Nr. 8 II AGB-Banken korrigieren kann. Die X ist daher auf einen Regress gegen T angewiesen, der äußerst unsicher und deshalb nicht geeignet ist, den Schaden der Bank zu kompensieren.22 Ob und in welchem Umfang B daneben einen Schaden erlitten hat -- wobei die bereits dargestellten Argumentationstopoi ebenso wie bei A eingreifen könnten --, kann vor diesem Hintergrund, dass jedenfalls die X Geschädigte ist, dahinstehen.

Die Tatbestandsmerkmale sind kausal und zurechenbar verknüpft. Der objektive Tatbestand des § 263a I Var. 3 StGB ist erfüllt.

c) Subjektiver Tatbestand, Rechtswidrigkeit und Schuld

T handelt hinsichtlich aller Tatumstände vorsätzlich und mit der Absicht rechtswidriger und stoffgleicher Bereicherung. Rechtswidrigkeit und Schuld sind gegeben.

Zwischenergebnis: T ist strafbar gem. § 263a I Var. 3 StGB.

3. Weitere Strafbarkeit

Eine weitere Strafbarkeit ist nicht gegeben: § 265a StGB scheitert bereits an der Tatobjektsqualität, weil es sich beim Geldautomaten um eine Form des Warenautomaten handelt, auf den § 265a StGB nicht anwendbar ist.23

§ 266b StGB erfasst ausschließlich die für Kreditkarten typische Drei-Personen-Konstellation mit Zahlungsempfänger, Karteninhaber und Bank.24 Im Übrigen ist die Norm nur auf den grundsätzlich berechtigten Karteninhaber anwendbar, dem die Karte i.S.d. § 266b StGB überlassen wurde.

Zu problematisieren ist überdies § 242 I StGB, wobei der Tatbestand neben dem Problem der Fremdheit jedenfalls daran scheitert, dass es an einer Wegnahme fehlt. Die Freigabe des Geldes durch den Automaten schließt -- als von der Bank faktisch konsentierter Vorgang -- einen Bruch des Gewahrsams aus. Einer Bedingung dahingehend, dass die Freigabe nur an den Berechtigten erfolgen soll, ist der rein faktisch zu beurteilende Gewahrsamsübergang nicht zugänglich.25

Schließlich scheidet auch eine Strafbarkeit gem. § 246 StGB -- nach e.A. im Tatbestands- oder nach a.A. im Konkurrenzwege26 -- aus, weil der T den Vermögensvorteil der Auszahlung des Geldes bereits durch den Computerbetrug erlangt hat und die Empfangnahme des Geldes allenfalls eine nicht zusätzlich strafbare wiederholte Zueignung ist.

IV. Konkurrenzen

Schließlich stellt sich das Konkurrenzverhältnis der verwirklichten Delikte als problematisch dar. Als Vorüberlegung für die korrekte Beurteilung der Konkurrenzen ist auf die obige Skizze zurückzukommen, wobei die Darstellung um das Ergebnis der Prüfung des § 263a StGB im Hinblick auf den Schadenseintritt ergänzt wurde:

1. Handlungseinheit und -mehrheit

Bei der Überweisung stehen der Computerbetrug gem. § 263a I Var. 2 StGB und die Urkundenfälschung gem. § 267 I Var. 1 StGB in Handlungseinheit. Zumal die Urkundenfälschung durch die Einreichung des Überweisungsträgers ihre materielle Vollendung erfährt und hierin gleichzeitig die für § 263a StGB maßgebliche Handlung liegt, besteht Teilidentität der Ausführungshandlungen, die zur rechtlichen Handlungseinheit führt.27

Dazu steht der durch das Abheben des Geldes verwirklichte § 263a I Var. 3 StGB in Handlungsmehrheit. Die Überweisung und das Abheben des Geldes werden durch zwei selbstständige konkurrenzrechtliche Handlungen verwirklicht, die jeweils einen neuen Handlungsentschluss voraussetzen.

2. Gesetzeskonkurrenz

Fraglich ist, ob zwischen den einzelnen Strafgesetzesverletzungen Gesetzeskonkurrenz besteht.

a) Handlungseinheit bei der Überweisung -- Keine Konsumtion des § 267 StGB

Die im Rahmen der Überweisung (im Zeitpunkt t1) handlungseinheitlich verwirklichte Urkundenfälschung wird nicht durch § 263a I Var. 2 StGB konsumiert. Bei der Urkundenfälschung handelt es nicht um eine typische Begleittat des Computerbetrugs, deren Unrechtsgehalt durch jenen erfasst wäre.28

b) Handlungsmehrheit zwischen Überweisung und Abhebung

Im Verhältnis der Handlungsmehrheit zwischen Computerbetrug bei der Überweisung des Geldes (im Zeitpunkt t1) und der Abhebung vom Konto des B (im Zeitpunkt t2) kann ebenso keine Gesetzeskonkurrenz angenommen werden.

aa) Abheben des Geldes als mitbestrafte Nachtat

Der Computerbetrug durch Abheben des Geldes ist keine mitbestrafte Nachtat im Verhältnis zu § 263a StGB bei der vorherigen Überweisung. Als mitbestrafte Nachtaten, die im Wege der Gesetzeskonkurrenz bei Handlungsmehrheit zurücktreten, sind all jene Delikte zu qualifizieren, durch die der Täter die Vortatposition sichert, ausnutzt oder verwertet. Der Tat darf aufgrund des funktionellen Zusammenhangs mit der Vortat kein eigener Unwertgehalt zukommen, sodass eine selbstständige Bestrafung unnötig ist. Folgerichtig erhebt die Rechtsprechung zur Voraussetzung der mitbestraften Nachtat, dass der Geschädigte der Vortat mit dem Geschädigten der Nachtat identisch ist, kein neues Rechtsgut verletzt wird und der Schaden nicht qualitativ erweitert wird.29 Bereits am ersten dieser einschränkenden Kriterien scheitert die Annahme einer mitbestraften Nachtat. Wie dargestellt fallen die durch die Handlungen Geschädigten auseinander. Die Überweisung schädigt den A (als vermeintlich Überweisenden als Geschädigter in t1) und die Abhebung führt zu einem Schaden der X-Bank (Bank als Geschädigte in t2). Vorher erlitt diese allenfalls eine Vermögensgefährdung. Wegen dieses Auseinanderfallens der Geschädigten wohnt notwendig jeder der beiden Handlungen ein selbstständiger Unwertgehalt inne, wobei es wiederum dahinstehen kann, ob und in welchem Umfang auch B einen Schaden erlitten hat. Die Delikte stehen nicht in Gesetzeskonkurrenz.

bb) Von T veranlasste Überweisung von A an B als mitbestrafte Vortat

Auch unter umgekehrten Vorzeichen ergibt sich nichts anderes. § 263a StGB durch die Überweisung des Geldes ist nicht mitbestrafte Vortat des Computerbetrugs bei Abhebung desselben durch T. Entsprechend dem Gedanken, der auch der Konsumtion bei Handlungseinheit zu Grunde liegt, kann eine mitbestrafte Vortat angenommen werden, wenn die Vortat notwendigerweise oder regelmäßig der Nachtat vorausgeht.30 Dies jedoch ist hier nicht der Fall. Dem Computerbetrug durch unberechtigte Abhebung von einem Bankkonto geht nicht stets oder gewöhnlich die Überweisung auf dieses von einem Drittkonto einher.

V. Ergebnis

T ist strafbar wegen Computerbetrugs gem. § 263a I Var. 2 StGB in Tateinheit mit Urkundenfälschung gem. § 267 I Var. 1 StGB in Tatmehrheit mit Computerbetrug gem. § 263 I Var. 3 StGB.

D) Kommentar

(bb). Die dem Fall zugrunde liegende Entscheidung des BGH überzeugt und berücksichtigt sachgerecht die zivilrechtlichen Wertungen, insbesondere bei der Schadensbestimmung. Etwas ausführlicher als in einer Klausurbearbeitung erwartet, wurden die Konkurrenzen dargestellt. Dies soll es Ihnen ermöglichen, die jeweilige Wertung im Rahmen einer systematischen Darstellung nachzuvollziehen. Merken Sie sich grundlegend zu den Konkurrenzen folgendes (gedankliches) Prüfmodell:

  • Besteht bezüglich verschiedener Strafvorwürfe Handlungseinheit oder Handlungsmehrheit?
  • Treten einzelne Tatbestände in Gesetzeskonkurrenz zurück?
  • Greift ausnahmsweise das Verklammerungsprinzip, so dass bei Handlungsmehrheit ausnahmsweise Tateinheit gem. § 52 StGB anzunehmen ist?31

E) Zur Vertiefung

  • Zur Auslegung des § 263a I Var. 3 StGB Hemmer/Wüst, Strafrecht BT I, Rn. 176 f.
  • Zum Gesetzeskonkurrenz Hemmer/Wüst, Strafrecht AT II, Rn. 387 ff.

F) Wiederholungsfragen

  1. Warum liegt der Betrugsschaden bei einer fremdveranlassten bankinternen Fehlüberweisung nicht bei der Bank, sondern beim vermeintlich Überweisenden?
  2. Unter welchen Voraussetzungen tritt ein Straftatbestand als mitbestrafte Nachtat in Gesetzeskonkurrenz zurück?

  1. Dazu Palandt, Einf. v. § 675c BGB, Rn. 10.

  2. Vgl. BVerfG, NJW 2009, 2370, 2370 ff.; BVerfG, NJW 2010, 3209, 3209 ff.. Zum Erfordernis, den Gefährdungsschaden zu beziffern, vgl. BVerfG, Beschluss vom 07.12.2011 -- 2 BvR 2500/09 u.a.. = Life & Law 2012, 224 ff.

  3. Vgl. Fischer, § 263a StGB, Rn. 3.

  4. Vgl. Fischer, § 263a StGB, Rn. 3.

  5. Vgl. Schönke/Schröder, § 263a StGB, Rn. 6.

  6. Allg. Schönke/Schröder, § 263a StGB, Rn. 6.

  7. Zur Definition Fischer, § 263a StGB, Rn. 20.

  8. Vgl. Joecks, § 263 StGB, Rn. 113 und § 263a StGB, Rn. 55.

  9. Zum Ganzen instruktiv MK-BGB, § 675f BGB, Rn. 63 ff. sowie § 675t BGB, Rn. 24 ff.

  10. Allg. Fischer, § 263 StGB, Rn. 91.

  11. Dazu vgl. oben Fn. 2.

  12. Vgl. BGHSt 58, 119, 127; BGH, NJW 2001, 3190, 3191

  13. Vgl. BGHSt 58, 119, 127; BGH, NJW 2001, 3190, 3191 f.

  14. Vgl. BGH, NJW 2001, 3183, 3184

  15. Vgl. für den implizit subsumierten Urkundenbegriff Joecks, § 267 StGB, Rn. 16 ff.

  16. Dazu Joecks, § 267 StGB, Rn. 57 ff.

  17. Überwiegend wird direkter Vorsatz als ausreichend angesehen, vgl. Fischer, § 274 StGB, Rn. 9a m.w.N.

  18. Vgl. Lackner/Kühl, § 267 StGB, Rn. 27; vgl. Schönke/Schröder, § 267 StGB, Rn. 99.

  19. Zum Ganzen Jäger, Strafrecht BT, Rn. 224.

  20. Instruktiv zum Streitstand Fischer, § 263a StGB, Rn. 10 ff.; vgl. Lackner/Kühl, § 263a StGB, Rn. 12 f. mit überzeugender Argumentation für die h.M.

  21. Vgl. Fischer, § 263a StGB, Rn. 12 m.w.N.

  22. Vgl. BGH, NStZ 2008, 396, 397

  23. Vgl. Fischer, § 265a StGB, Rn. 14.

  24. Vgl. Fischer, § 266b StGB, Rn. 3.

  25. Für das Fehlen der Wegnahme mit der h.M. Fischer, § 242 StGB, Rn. 27; zum Problem der Fremdheit Jäger, Strafrecht BT, Rn. 224.

  26. Vgl. zum Streitstand Joecks, § 246 StGB, Rn. 31.

  27. Vgl. Schönke/Schröder, § 52 StGB, Rn. 4/5, 9.

  28. Vgl. im Ergebnis Schönke/Schröder, § 263a StGB, Rn. 43.

  29. Zum Ganzen BGH, NStZ 2008, 396, 396 m.w.N. vgl. Fischer, Vor § 52 StGB, Rn. 65.

  30. Vgl. Fischer, Vor § 52 StGB, Rn. 64.

  31. Ausführlich zu den Konkurrenzen vgl. Berberich/Löper, Life & Law 2012, 907 ff.