Schadensersatzpflicht des Vermieters bei pflichtwidrig verweigerter Erlaubnis zur Untervermietung

BGH, Urteil vom 11.06.2014, VIII ZR 394/13

von Life and Law am 01.09.2014

+++ Wohnraummietvertrag +++ Teilweise Untervermietung +++ Anspruch auf Zustimmung +++ Schadensersatz bei pflichtwidrig verweigerter Zustimmung +++ Vermeidbarer Rechtsirrtum +++ §§ 535, 540, 553 BGB +++ §§ 280 I , 276 BGB +++

Sachverhalt (leicht abgewandelt und verkürzt): M und F haben seit 2001 von V eine Dreizimmerwohnung in Hamburg gemietet.

M studierte vom 01.09.2008 bis 31.08.2009 in Ottawa/Kanada. Zum 01.01.2011 nahm er eine Lehrtätigkeit an der Universität Ottawa auf, wo er inzwischen eine Professur innehat. Sein Arbeitsvertrag ist befristet bis zum 30.06.2014. F ist seit Herbst 2010 arbeitslos und begleitete M nach Kanada. Seit 15.11.2010 halten sich beide Mieter in Kanada auf.

Mit Schreiben vom 19.08.2010 wurde V von M und F von deren Absicht unterrichtet, die Wohnung - mit Ausnahme eines von ihnen weiter genutzten Zimmers - ab dem 15.11.2010 voraussichtlich für zwei Jahre an Frau U unterzuvermieten, weil sie sich in dieser Zeit aus beruflichen Gründen regelmäßig im Ausland aufhalten, die Wohnung aber zum Zwecke kurzer Deutschlandaufenthalte und für später gerne behalten würden. M und F schickten dem V eine Kopie des Personalausweises der künftigen Untermieterin und baten diesen um Zustimmung, zwei der drei Zimmer gegen anteilige Erstattung der Miete überlassen zu dürfen.

Mit Anwaltsschreiben vom 10.11.2010 verweigerte V die Zustimmung zur Untervermietung an Frau U oder an andere Dritte.

Daraufhin erhoben M und F Klage auf Zustimmung zur Untervermietung. Mit rechtskräftigem Urteil des AG Hamburg vom 04.10.2011 wurde V verurteilt, M und F zu erlauben, die beiden Zimmer der Wohnung an Frau U unterzuvermieten.

M und F verlangen nun von V Schadensersatz in Höhe der seit 15.11.2010 entgangenen Untermiete, die Frau U bereit war, für die zwei Zimmer an M und F zu zahlen.

Zu Recht?

A) Sounds

1. Ein mehrjähriger (berufsbedingter) Auslandsaufenthalt des Mieters kann ein berechtigtes Interesse an der Überlassung eines Teils des Wohnraums an einen Dritten begründen.

2. Von einer Überlassung eines Teils des Wohnraums im Sinne des § 553 I BGB ist regelmäßig bereits dann auszugehen, wenn der Mieter den Gewahrsam an dem Wohnraum nicht vollständig aufgibt. Hierfür genügt es, wenn er ein Zimmer einer größeren Wohnung zurückbehält, um hierin Einrichtungsgegenstände zu lagern und/oder um dieses gelegentlich zu Übernachtungszwecken (Urlaub, kurzzeitiger Aufenthalt) zu nutzen.

3. Der Anspruch des Wohnungsmieters auf Erteilung der Erlaubnis zur Untervermietung setzt nicht voraus, dass der Mieter in der Wohnung seinen Lebensmittelpunkt hat.

4. Verweigert der Vermieter die Zustimmung zu Unrecht, so verletzt er eine mietvertragliche Pflicht und ist damit zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

B) Problemaufriss

Das Problem der Untervermietung ist ein „Dauerbrenner", mit dem sich die Gerichte zu beschäftigen haben. Auch die Examensrelevanz dieser Frage ist als hoch einzustufen.

Durch die Untervermietung entsteht ein Mietverhältnis zwischen dem Mieter (sog. Hauptmieter) und dem Untermieter.1

Damit besteht sowohl zwischen dem Vermieter und dem Mieter als auch zwischen dem Mieter und dem Untermieter ein Mietvertrag.

hemmer-Methode: Da der Untermieter somit eigene vertragliche Ansprüche gegen den Mieter (= Untervermieter) hat und damit nicht schutzbedürftig ist, ist der Untermieter auch nicht in den Schutzbereich des Mietvertrags zwischen Vermieter und Mieter einbezogen.2

Anhand einer Skizze lassen sich die vertraglichen Beziehungen wie folgt darstellen:

Eine gesetzliche Regelung findet sich in § 540 BGB. Für Wohnraummiete gilt ergänzend § 553 BGB. Während sich § 540 BGB ganz allgemein auf die Untervermietung bezieht, wird dem Dritten nach § 553 BGB lediglich ein Teil der Wohnung überlassen.

Der Klassiker zum Thema Untervermietung ist die Frage, ob ein Mieter, der ohne Zustimmung des Vermieters untervermietet und dabei eine höhere Miete erzielt hat, als er selbst zu entrichten hat, den Differenzbetrag an den Vermieter zahlen muss.

Der BGH differenziert dabei zwischen folgenden Zeiträumen: Während eines bestehenden Mietverhältnisses steht dem Mieter die erhöhte Untermiete zu. Im Mietvertrag selbst findet sich für einen Anspruch des Vermieters keine rechtliche Basis. § 280 I BGB ist durch die Untervermietung zwar tatbestandlich verwirklicht, es fehlt aber am kausalen Schaden. § 816 I S. 1 BGB findet keine Anwendung, da die Untervermietung keine „Verfügung" darstellt. § 812 I S. 1 Alt. 2 BGB scheitert am Eingriff in den Zuweisungsgehalt des Eigentums, weil der Vermieter sich der Nutzungsmöglichkeit für die Dauer der Vermietung bereits begeben hat. Die Möglichkeiten des Vermieters beschränken sich darauf, von dem Mieter Unterlassung gem. § 541 BGB zu verlangen bzw. diesem unter den Voraussetzungen des § 543 II Nr. 2 BGB zu kündigen.

Gezogene Untermiete nach Beendigung des Mietverhältnisses muss der Mieter hingegen nach §§ 987, 990 I S. 1 BGB herausgeben, was im Hinblick auf die u.U. abschließende Vorschrift des § 546a BGB umstritten ist.

Nach Rechtshängigkeit der Räumungsklage besteht unstreitig eine Ersatzpflicht des Mieters jedenfalls nach §§ 292 II, 987 BGB.

hemmer-Methode: Lesen Sie dazu zuletzt BGH, Life & Law 07/2014, 499 ff. = MDR 2014, 644 f.

Im vorliegenden Fall befasst sich der BGH mit der Frage, ob ein Mieter, dem nach § 553 I BGB ein Anspruch auf Zustimmung zur Untervermietung zusteht, vom Vermieter Schadensersatz verlangen kann, wenn dieser die Erlaubnis pflichtwidrig verweigert.

C) Lösung

Zu prüfen ist, ob M und F von V die Zahlung von Schadensersatz in Höhe der seit 15.11.2010 entgangenen Untermiete verlangen können.

I. Anspruch auf Schadensersatz gem. §§ 280 I, 535 BGB

In Betracht kommt ein Anspruch auf Schadensersatz gem. §§ 280 I, 535 BGB, wenn V seine mietvertraglichen Pflichten in zu vertretender Weise verletzt hat und dadurch M und F ein Schaden entstanden ist.

1. Schuldverhältnis, § 535 BGB

Zwischen den Parteien besteht seit 2001 ein wirksamer Wohnraumietvertrag, § 535 BGB.

Ein Schuldverhältnis i.S.d. § 280 I BGB liegt damit vor.

2. Verweigerung der Zustimmung zur Untervermietung als Pflichtverletzung

Die Verweigerung der Zustimmung zur Untervermietung müsste eine Pflichtverletzung des V darstellen.

Grundsätzlich ist der Mieter ohne die Erlaubnis des Vermieters zur Untervermietung an einen Dritten nicht berechtigt, vgl. § 540 I S. 1 BGB.

hemmer-Methode: Nicht Dritte in diesem Sinne sind die Familienmitglieder des Mieters, sodass die Aufnahme der Familie in die Wohnung zustimmungsfrei erfolgen kann.3 Angezeigt werden muss dem Vermieter die Aufnahme der Familie aber auf jeden Fall.

Demgegenüber ist der Lebensgefährte des Mieters nach der herrschenden Meinung „Dritter" i.S.d. § 540 BGB als Grundsatzvorschrift und i.S.d. § 553 BGB als Spezialvorschrift für die Wohnraummiete.4

Verweigert der Vermieter die Erlaubnis, so kann der Mieter das Mietverhältnis außerordentlich mit der gesetzlichen Frist kündigen, sofern nicht in der Person des Dritten ein wichtiger Grund vorliegt, der die Versagung der Erlaubnis des Vermieters rechtfertigt, § 540 I S. 2 BGB.

Anmerkung: Dieses Kündigungsrecht ist v.a. dann wichtig, wenn eine ordentliche Kündigung ausgeschlossen ist. Dies ist z.B. der Fall, wenn im Vertrag wirksam das ordentliche Kündigungsrecht für eine gewisse Dauer (maximal vier Jahre) ausgeschlossen wurde.5 Das gleiche gilt, wenn der Mietvertrag wirksam befristet wurde, wobei bei Wohnraummietverträgen das grds. Befristungsverbot gem. § 575 BGB beachtet werden muss.6

Für den hier vorliegenden Wohnraummietvertrag wird § 540 BGB durch die Vorschrift des § 553 BGB ergänzt.

Entsteht für den Mieter nach Abschluss des Mietvertrags ein berechtigtes Interesse, einen Teil des Wohnraums einem Dritten zum Gebrauch zu überlassen, so kann er nach § 553 I S. 1 BGB vom Vermieter die Erlaubnis hierzu verlangen.

Dies gilt nach Satz 2 der Vorschrift nicht, wenn in der Person des Dritten ein wichtiger Grund vorliegt, der Wohnraum übermäßig belegt würde oder dem Vermieter die Überlassung aus sonstigen Gründen nicht zugemutet werden kann.

Eine Pflichtverletzung läge also dann vor, wenn V gem. § 553 I S. 1 BGB verpflichtet gewesen wäre, M und F die Untermietung zu gestatten.

hemmer-Methode: In Mietverträgen wird häufig das Recht zur (auch teilweisen) Untervermietung ausdrücklich ausgeschlossen.

Grds. ist es auch möglich, die Untervermietung im Mietvertrag generell auszuschließen.7 Dies gilt nach h.M. sogar dann, wenn der Ausschluss in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, also in einem Formularmietvertrag erfolgt.8

Handelt es sich -- wie im vorliegenden Fall -- um einen Wohnraummietvertrag, ordnet § 553 III BGB für das Recht zur teilweisen Untervermietung im Falle des Vorliegens eines berechtigten Interesses des Mieters an, dass eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung unwirksam ist.

a) Berechtigtes Interesse, einen Teil der Wohnung der U zu überlassen

Nach der Rechtsprechung des BGH ist jedes, auch ein höchstpersönliches Interesse des Mieters von nicht ganz unerheblichem Gewicht als berechtigt anzusehen, das mit der geltenden Rechts- und Sozialordnung in Einklang steht.9

Ein Interesse des Mieters im Sinne von § 553 I S. 1 BGB ist schon dann anzunehmen, wenn ihm vernünftige Gründe zur Seite stehen, die seinen Wunsch nach Überlassung eines Teils der Wohnung an Dritte nachvollziehbar erscheinen lassen.

Im vorliegenden Fall haben M und F nach dem Abschluss des Mietvertrages ab 15.11.2010 ihren Lebensmittelpunkt für mehrere Jahre in Ottawa/Kanada begründet. M und F wollten durch die Untervermietung daher die Kosten einer doppelten Haushaltsführung verringern.

Ein berechtigtes Interesse an der Untermietung liegt damit grds. vor.

b) Problem: Lebensmittelpunkt von M und F ist nicht (mehr) in Hamburg

Fraglich ist, ob es am berechtigten Interesse von M und F deshalb fehlt, weil sie mehr als die Hälfte der Wohnung untervermieten wollten und auch den verbleibenden Teil nicht zum Wohnen nutzen wollten, da ihr Lebensmittelpunkt nicht mehr in Hamburg war.

aa) Nach e.A. muss § 553 I BGB einschränkend angewendet werden

In der Rechtsprechung der Instanzgerichte finden sich zahlreiche Bestrebungen, den Anwendungsbereich des § 553 I BGB durch qualitative und/oder durch quantitative Anforderungen an die verbleibende Nutzung durch den Mieter einzuschränken.

Nach der wohl strengsten Auffassung setzt § 553 BGB voraus, dass die Wohnung auch nach der Untervermietung Lebensmittelpunkt des Mieters bleibt.10

Andere Stimmen sehen das entscheidende Kriterium für die Anwendung des § 553 I S. 1 BGB darin, dass der Mieter nach wie vor die Sachherrschaft (Obhut) über die Wohnung behält.11 Bei einer nur marginalen Nutzung, wie etwa bei der Einlagerung von Möbeln oder bei einer gelegentlichen Übernachtung in einem nicht untervermieteten Zimmer einer größeren Wohnung, seien die Voraussetzungen des § 553 I S. 1 BGB von vornherein nicht erfüllt.

Eine andere Auffassung will dem Mieter nur dann einen Anspruch auf Erteilung einer Untervermietungserlaubnis zubilligen, wenn ihm mindestens die Hälfte des Wohnraums zur Eigennutzung verbleibt.12

Anmerkung: Im Examen wird von Ihnen die Kenntnis dieser Nuancen nicht verlangt.

Sie sollten aber wissen, dass diese Frage in der Rechtsprechung umstritten ist.

bb) Nach a.A. gilt § 553 I BGB, solange Wohnung nicht vollständig aufgegeben wird

Im Gegensatz dazu halten ein Teil der Instanzgerichte und des Schrifttums eine großzügigere Betrachtungsweise für geboten.13

Nach dieser Ansicht soll eine Anwendung des § 553 I BGB nur dann ausscheiden, wenn der Mieter die Wohnung zu Gunsten eines anderen vollständig aufgibt, also die Sachherrschaft endgültig und vollständig verliert.

Daher sei die genannte Vorschrift anzuwenden, wenn der Mieter weiterhin Mitgewahrsam ausübe, etwa indem er ein Zimmer für sich belege, persönliche Gegenstände in der Wohnung belasse oder im Besitz von Schlüsseln sei.

cc) Ansicht des BGH

Der BGH räumt der letztgenannten Auffassung den Vorzug ein.

§ 553 I BGB stellt weder quantitative Vorgaben hinsichtlich des beim Mieter verbleibenden Anteils des Wohnraums noch qualitative Anforderungen bezüglich seiner weiteren Nutzung durch den Mieter auf.

(1) Wortlaut des § 553 I S. 1 BGB

Die Bestimmung des § 553 I S. 1 BGB macht den Anspruch auf Gestattung der Untervermietung lediglich vom Vorliegen eines berechtigten Interesses des Mieters sowie davon abhängig, dass er nur einen Teil des Wohnraums einem Dritten überlässt.

Dass der Mieter mehr als die Hälfte des Wohnraums oder wenigstens einen signifikanten Anteil zur Eigennutzung zurückbehalten müsse, ist dieser Vorschrift nicht zu entnehmen.

(2) Zielsetzung des § 553 BGB

Solche Einschränkungen ergeben sich auch nicht aus der mit § 553 I BGB verfolgten Zielsetzung.

§ 553 BGB soll einen billigen Ausgleich zwischen den Interessen des Vermieters und des Mieters schaffen.

Der Zweck des § 553 I BGB besteht darin, dem Mieter die Wohnung, an der er festhalten will, zu erhalten. Der Mobilität und Flexibilität kommt in der heutigen Gesellschaft eine große Bedeutung zu.

Dies kann es erfordern, an einer anderenorts gelegenen Arbeitsstelle eine weitere Wohnung zu begründen. Bestünde ein Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis zur Untervermietung lediglich hinsichtlich derjenigen Wohnung, in der der Mieter (zur Zeit) seinen Lebensschwerpunkt hat, könnte der Mieter zur Aufgabe der Wohnung gezwungen sein, deren teilweise Untervermietung er begehrt.

Dieser Gesichtspunkt ist maßgebend dafür, dass der Gesetzgeber dem Mieter - anders als in den Fällen des § 540 I BGB - nicht nur ein Sonderkündigungsrecht, sondern einen Anspruch auf Gestattung der Untervermietung gewährt.

Dabei stellt § 553 I S. 1 BGB keine hohen Hürden für einen Anspruch auf Gestattung der Untervermietung auf. Es genügt, dass der Mieter ein nach Vertragsschluss entstandenes berechtigtes Interesse an der Untervermietung vorweisen kann und den Wohnraum nicht vollständig dem Dritten überlässt.

Etwaigen gegenläufigen Interessen des Vermieters wird durch die ergänzenden Regelungen des § 553 I S. 2 BGB und des § 553 II BGB Rechnung getragen. Nach § 553 I S. 2 BGB ist ein Anspruch auf Erteilung einer Untervermietungserlaubnis ausgeschlossen, wenn in der Person des Dritten ein wichtiger Grund vorliegt, der Wohnraum übermäßig belegt würde oder dem Vermieter die Überlassung aus sonstigen Gründen nicht zugemutet werden kann.

In den Fällen, in denen dem Vermieter die Gestattung der Gebrauchsüberlassung an Dritte nur gegen angemessene Erhöhung der Miete zuzumuten ist, sieht § 553 II BGB vor, dass der Vermieter die Erlaubnis von einer entsprechenden Einverständniserklärung des Mieters abhängig machen kann.

Ein schutzwürdiges Interesse des Vermieters daran, dem Mieter eine Untervermietung nur dann zu gestatten, wenn er den Wohnraum im Wesentlichen selbst nutzt oder zumindest die Sachherrschaft über den Wohnraum ausübt, besteht nicht. Denn der Vermieter wird ausreichend dadurch geschützt, dass der Untermieter Erfüllungsgehilfe des Mieters hinsichtlich der Obhut über die Mietsache ist und der Mieter demzufolge dem Vermieter gemäß § 278 BGB für Verletzungen der Obhutspflicht haftet.

Darüber hinaus verkennt die Gegenansicht, dass das Wohnraummietrecht dem Mieter generell keine Gebrauchspflicht auferlegt.14 Insbesondere ist ein Mieter nicht verpflichtet, in der Wohnung seinen Lebensmittelpunkt zu begründen; wo er im herkömmlichen Sinn „wohnt", ist seinen persönlichen Vorstellungen und seiner freien Entscheidung überlassen. Weswegen im Falle einer Untervermietung, die gerade der Verwirklichung persönlicher Lebensvorstellungen dienen soll, etwas anderes gelten soll, ist nicht zu erkennen.

hemmer-Methode: Auf gut Deutsch geht es den Vermieter absolut gar nichts an, ob und wie oft sich der Mieter in seiner Wohnung aufhält. Schließlich bekommt er ja nach wie vor die volle Miete.

(3) Nur bei Überlassung der ganzen Wohnung besteht kein Anspruch auf Erlaubnis

Die Auslegung des Tatbestandsmerkmals „Überlassung eines Teils des Wohnraums" hat sich letztlich allein daran auszurichten, dass der Gesetzgeber durch § 553 I S. 1 BGB dem Mieter, der ein nachträglich entstandenes berechtigtes Interesse an einer Untervermietung hat, nur dann eine Untermieterlaubnis verwehren will, wenn er den gesamten Wohnraum an einen Dritten weitergeben möchte.

In einem solchen Fall geht es dem Mieter nicht darum, sich den Wohnraum zu erhalten; seinen Belangen wird in diesem Fall durch das Sonderkündigungsrecht in § 540 I S. 2 BGB ausreichend Rechnung getragen.

Will der Mieter hingegen seine Wohnung behalten, um den Bedürfnissen in der heutigen durch Flexibilität und Mobilität geprägten Gesellschaft vollständig gerecht zu werden, steht ihm, sofern die weiteren Voraussetzungen des § 553 I S. 1 BGB erfüllt sind und keine Ausschlussgründe nach Satz 2 dieser Vorschrift bestehen, ein Anspruch auf Erteilung einer Untervermietungserlaubnis zu. Nur so kann der Mieter seine Wohnung erhalten und eine nötige doppelte Haushaltsführung auch finanzieren.

Zwischenergebnis: In Anbetracht des mieterschützenden Zwecks des § 553 I BGB, dem Mieter den Wohnraum zu erhalten, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen.

Von einer „Überlassung eines Teils des Wohnraums an Dritte" ist daher regelmäßig bereits dann auszugehen, wenn der Mieter den Gewahrsam an dem Wohnraum nicht vollständig aufgibt. Hierfür genügt es, wenn er - wie M und F im vorliegenden Fall - ein Zimmer einer größeren Wohnung zurückbehält, um hierin Einrichtungsgegenstände zu lagern und/oder dieses gelegentlich zu Übernachtungszwecken (Urlaub, kurzzeitiger Aufenthalt) zu nutzen.

c) Anspruchsausschluss gem. § 553 I S. 2, II BGB

Für das Vorliegen von Gründen, die gemäß § 553 I S. 2 BGB einem Anspruch auf Erteilung einer Erlaubnis zur Untervermietung entgegenstehen könnten, enthält der Sachverhalt aber keine Anhaltspunkte.

Weder liegt in der Person der U ein wichtiger Grund für die Versagung der Zustimmung vor, noch wird der Wohnraum übermäßig belegt. Daher greift der Ausschlusstatbestand des § 553 I S. 2 BGB nicht ein.

Wäre dem V die Überlassung nur bei einer angemessenen Erhöhung der Miete zuzumuten, so hätte er nach § 553 II BGB die Erlaubnis davon abhängig machen können, dass M und F sich mit einer solchen Erhöhung einverstanden erklären. Ob dies der Fall war, kann dahinstehen, da V die Zustimmung generell verweigert hat.

Ergebnis: Da V der teilweisen Untervermietung zustimmen musste, liegt in der Verweigerung der Erlaubnis eine Verletzung der mietvertraglichen Verpflichtung nach § 553 I S. 1 BGB.

3. Keine Widerlegung des vermuteten Vertretenmüssens, § 280 I S. 2 BGB

Die Ersatzpflicht wäre nach § 280 I S. 2 BGB ausgeschlossen, wenn V die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hätte.

Gemäß § 280 I S. 2 BGB wird das Vertretenmüssen des V vermutet.

a) Etwaiger Rechtsirrtum des V vermeidbar

Ein Verschulden des V könnte entfallen, wenn er aufgrund einer unklaren Rechtslage davon hätte ausgehen dürfen, dass er zu einer Gestattung der Untervermietung nicht verpflichtet gewesen ist. Bei einem unvermeidbaren Rechtsirrtum würde dem V die Exkulpation gem. § 280 I S. 2 BGB gelingen.

Die Frage, ob ein Mieter einen Anspruch auf Gestattung der Untervermietung hat, wenn er einen mehrjährigen Auslandsaufenthalt antritt, währenddessen er den ihm verbleibenden Teil des Wohnraums nur sporadisch zu Wohnzwecken nutzen wird, war bislang noch nicht Gegenstand einer höchstrichterlichen Entscheidung gewesen ist und wird in der Rechtsprechung der Instanzgerichte und im Schrifttum uneinheitlich beurteilt.

Fraglich ist, ob dies allein V von seiner rechtlichen Fehleinschätzung entlasten kann.

aa) Rechtsprechung zum Rechtsirrtum des Gläubigers

Eine schuldhafte Verweigerung der Untervermietungserlaubnis könnte unter Verweisung auf die Rechtsprechung des BGH zum Rechtsirrtum des Gläubigers zu verneinen sein.

Nach Ansicht des BGH handelt nämlich ein Gläubiger, der vom Schuldner zu Unrecht eine Leistung verlangt, grundsätzlich nicht schon dann fahrlässig, wenn er nicht erkennt, dass seine Forderung unberechtigt ist.15

Diese Rechtsprechung beruht auf der Erwägung, dass dem Gläubiger die Durchsetzung seiner Rechte unzumutbar erschwert würde, wenn man von ihm verlangte, die sicher nur in einem Rechtsstreit zu klärende Berechtigung einer geltend gemachten Forderung schon im Vorfeld oder außerhalb eines Rechtsstreits vorauszusehen.

Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt entspricht der Gläubiger demgemäß regelmäßig schon dann, wenn er sorgfältig prüft, ob der eigene Rechtsstandpunkt plausibel ist. Dies gilt auch dann, wenn die zu beurteilende Rechtslage unklar ist.

bb) Rechtsprechung zum Rechtsirrtum des Schuldners

Anders liegen die Dinge bei einem Schuldner.

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH trägt der Verpflichtete grundsätzlich das Risiko eines Irrtums über die Rechtslage selbst.16 Daher stellt die höchstrichterliche Rechtsprechung in diesen Fällen an das Vorliegen eines unverschuldeten Rechtsirrtums seit jeher strenge Anforderungen.17

(1) Nur das Vertrauen auf die höchstrichterliche Rechtsprechung begründet unverschuldeten Rechtsirrtum

Ein unverschuldeter Rechtsirrtum liegt bei einem Schuldner regelmäßig nur dann vor, wenn er die Rechtslage unter Einbeziehung der höchstrichterlichen Rechtsprechung sorgfältig geprüft hat und bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt auch mit einer anderen gerichtlichen Beurteilung nicht zu rechnen brauchte.18

Ein solcher Ausnahmefall ist etwa dann anzunehmen, wenn der Schuldner eine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung für seine Auffassung in Anspruch nehmen konnte und eine spätere Änderung derselben nicht zu befürchten brauchte.

(2) Bei möglicher anderer Entscheidung ist Rechtsirrtum vermeidbar

Musste der Schuldner dagegen mit der Möglichkeit rechnen, dass das zuständige Gericht einen anderen Rechtsstandpunkt einnehmen würde als er, ist ihm regelmäßig ein Verschulden anzulasten.19

Dies gilt insbesondere bei einer unklaren Rechtslage. Hier handelt ein Schuldner regelmäßig bereits dann fahrlässig, wenn er sich erkennbar in einem Grenzbereich des rechtlich Zulässigen bewegt, indem er eine von der eigenen Einschätzung abweichende Beurteilung der rechtlichen Zulässigkeit des fraglichen Verhaltens in Betracht ziehen muss.

Der Schuldner darf das Risiko einer zweifelhaften Rechtslage nicht dem Gläubiger zuschieben. Entscheidet er sich bei einer unsicheren Rechtslage dafür, die von ihm geforderte Leistung nicht zu erbringen, geht er das Risiko, dass sich seine Einschätzung später als falsch erweist, zumindest fahrlässig ein und hat deshalb seine Nichtleistung zu vertreten, wenn er - wie in einem späteren Rechtsstreit festgestellt wird - zur Leistung verpflichtet war.20

b) Anwaltsverschulden wird über § 278 S. 1 Alt. 2 BGB zugerechnet

Sofern der Schuldner zu einer eigenständigen rechtlichen Beurteilung nicht in der Lage ist, muss er Rechtsrat einholen:

Für ein etwaiges Verschulden seines Rechtsberaters hat er nach § 278 S. 1 Alt. 2 BGB einzustehen, da der Rechtsanwalt Erfüllungsgehilfe seines Mandanten ist.

Für einen unverschuldeten Rechtsirrtum des Rechtsberaters gelten dabei freilich dieselben strengen Grundsätze wie für den Schuldner selbst.

c) Übertragung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall

Nach diesen Maßstäben hat V die gegen ihn sprechende Verschuldensvermutung nicht widerlegt.

Im Gegenteil hätte er bei der gebotenen sorgfältigen Prüfung der Rechtslage schon im Hinblick auf die im BGH-Urteil vom 23.11.200521 angestellten Erwägungen zum mieterschützenden Regelungszweck des § 553 I BGB und zum Vorliegen eines berechtigten Interesses bei berufsbedingtem Wechsel an einen anderen Ort mit der Möglichkeit rechnen müssen, dass M und F gem. § 553 I BGB eine Erlaubnis zur Untervermietung beanspruchen durften.

Denn die genannte BGH-Entscheidung hat die rechtlichen Maßstäbe für die Beurteilung der Zulässigkeit einer Untervermietung wegen eines längeren Auslandsaufenthalts des Mieters vorgezeichnet.

Ergebnis: Da dem V die Exkulpation gem. § 280 I S. 2 BGB nicht gelingt, hat er die Pflichtverletzung auch zu vertreten.

4. Kausaler Schaden

M und F ist durch die pflichtwidrig und schuldhaft verweigerte Erlaubnis zur Untervermietung ein Mietausfallschaden in Höhe des Betrags entstanden, den U ab dem 15.11.2010 an M und F für die zwei Zimmer zu zahlen bereit gewesen wäre.

Bis zur tatsächlichen Gestattung der Untervermietung aufgrund der rechtskräftigen Entscheidung des AG Hamburg liegt daher ein kausaler Mietausfallschaden vor.

hemmer-Methode: An dieser Stelle könnte der Fall kombiniert werden mit dem im Problemaufriss geschilderten Klassiker der höheren Untermiete.

Im bestehenden Mietverhältnis steht die höhere Untermiete dem Mieter zu. Hätten M und F also die beiden Zimmer an U vermietet und dabei von U mehr erhalten, als M und F an V zahlen mussten, so stünde M und F auch dieser Mehrbetrag zu.

Dies klingt ungerecht, entspricht aber der gefestigten Rechtsprechung des BGH zur Erzielung einer höheren Untermiete.

D) Kommentar

(mty). Die Entscheidung des BGH ist richtig.

Den Vermieter geht es im bestehenden Mietverhältnis nichts an, ob und wie oft sich der Mieter in der Wohnung aufhält, solange sich jemand um die Wohnung und deren Erhaltung kümmert.

Warum dies bei einer teilweisen Untervermietung anders sein soll, vermag nicht recht einzuleuchten. Gerade in der heutigen Zeit müssen Mieter berufsbedingt flexibel sein und sind daher relativ häufig zu einem -- oft nur vorübergehenden -- Wohnungswechsel gezwungen. Daher besteht ein Bedürfnis, sich eine angemietete Wohnung zu erhalten. Dies ist die Aufgabe des § 553 I S. 1 BGB.

Die Gegenansicht ist also nicht nur lebensfremd, sondern auch „contra legem".

Die abweichende Auffassung wäre nur für preisgebundenen Wohnraum vertretbar. Hierfür enthält § 21 I S. 1 Wohnungsbindungsgesetz (WoBindG) eine Sonderregelung.22 Nach dieser Bestimmung gelten für den Inhaber einer öffentlich geförderten Wohnung die Vorschriften des Wohnungsbindungsgesetzes entsprechend, wenn dieser die gesamte Wohnung oder mehr als die Hälfte der Wohnfläche an einen Dritten untervermietet.

Auf nicht preisgebundenen Wohnraum ist diese Ausnahmevorschrift nicht übertragbar.

E) Zur Vertiefung

  • Zur Untervermietung

Tyroller, Examensrelevante Fragen rund um den Untermietvertrag, Life & Law 02/2012, 133 ff.

Hemmer/Wüst, Schuldrecht BT II, Rn. 71 ff.

Hemmer-Hauptkurs, Schuldrecht-BT, Fall 9a

F) Wiederholungsfragen

  1. Ist der Anspruch auf Zustimmung zur Untermietung quantitativ

    und/oder qualitativ einzuschränken?

  2. Was ist die Rechtsfolge, wenn der Vermieter zu Unrecht die Erlaubnis verweigert?

  1. Palandt, vor § 535 BGB, Rn. 3; Der Untermietvertrag ist ein echter Mietvertrag und unterscheidet sich hinsichtlich der Rechte und Pflichten der Parteien nicht von einem Mietvertrag zwischen Vermieter und Mieter (Hauptmieter).

  2. Palandt, § 540 BGB, Rn. 16; zur fehlenden Schutzbedürftigkeit vgl. zuletzt BGH, Life & Law 06/2014, 397 ff. = MDR 2014, 589 f.

  3. Vgl. Palandt, § 540 BGB, Rn. 5.

  4. Vgl. BGH, Life & Law 2004, 229 ff. = NJW 2004, 56 ff.

  5. Vgl. BGH, Life & Law 2005, 651 ff. = NJW 2005, 1574 ff. BGH, Life & Law 03/2011, 158 ff. = WuM 2011, 35 ff.

  6. Dieses Befristungsverbot gilt aber nicht für Wohnraum in Studentenwohnheimen, vgl. § 549 III BGB.

  7. BGH, NJW 1990, 3016 ff.

  8. Palandt, § 540 BGB, Rn. 2; offengelassen vom BGH in BGHZ 130, 50 ff.

  9. BGH, Life & Law 08/2006, 525 ff. = NJW 2006, 1200 ff. BGHZ 92, 213 [219]

  10. OLG Hamm, MDR 1998, 1127 f. LG Berlin, GE 1995, 1277, 1279 LG Berlin, ZMR 2002, 49 f. LG Berlin, GE 2005, 126 LG Frankfurt am Main, WuM 2002, 92

  11. LG Berlin, Urteil vom 27.03.2008, Az. 62 S 376/07 MüKo, 6. Auflage, § 553 BGB, Rn. 6; Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, 11. Auflage, § 553 BGB, Rn. 8; jurisPK-BGB/Schur, 6. Auflage, § 553 BGB, Rn. 6

  12. LG Mannheim, WuM 1997, 263 Bamberger/Roth/Ehlert, 3. Auflage, § 553 BGB, Rn. 4; Lammel, Wohnraummietrecht, 3. Auflage, § 553 BGB Rn. 6.

  13. LG Hamburg, WuM 1994, 535 LG Hamburg, NJW-RR 2000, 602 f. Staudinger, § 553 BGB, Rn. 6; Erman/Lützenkirchen, 13. Auflage, § 553 BGB, Rn. 3.

  14. BGH, NZM 2011, 151 ff.

  15. BGH, NJW 2011, 1063

  16. BGH, NJW 2006, 3271

  17. Grundlegend BGH, NJW 1951, 398

  18. Zuletzt BGH, Urteil vom 30.042014, Az. VIII ZR 103/13

  19. BGH, NJW 1974, 1903 BGH, NJW 2011, 3229 BGHZ 131, 346, 353 f.

  20. Vgl. dazu auch Palandt, § 276 BGB, Rn. 22.

  21. BGH, Life & Law 08/2006, 525 ff. = NJW 2006, 1200 ff.

  22. Hinweis für Interessierte: Der Begriff „preisgebundener Wohnraum" wird in § 8 V  WoBindG verwendet und bezieht sich auf öffentlich geförderten Wohnraum im Sinne von § 1 WoBindG. Das Merkmal „preisgebunden" beschreibt die Auswirkung der öffentlichen Förderung auf die Höhe der Miete. Preisgebundener Wohnraum unterliegt einer Mietpreisbindung. Das hat insbesondere zur Folge, dass der Vermieter keine höhere Miete als die Kostenmiete verlangen darf. Dies ist in § 8 I WoBindG geregelt. Wie sich die Kostenmiete zusammensetzt, ist im Wohnungsbindungsgesetz, der Neubaumietenverordnung und der Zweiten Berechnungsverordnung geregelt.

    Die Bindung der Mietpreishöhe hat zur Folge, dass Vereinbarungen, wonach der Mieter in Hinblick auf die Überlassung der Wohnung Waren zu beziehen oder andere Leistungen in Anspruch zu nehmen oder zu erbringen hat, grundsätzlich unwirksam sind und gem. § 8 II WoBinG zurückzuerstatten sind.