Rechtsprechungsübersicht Zivilrecht (12)

BGH, Urteil vom 18.12.2012, X ZR 2/12, NJW 2013, 1674 f. sowie BGH, Urteil vom 14.05.2013, X ZR 15/11, MDR 2013, 1151 f. = NJW 2013, 3170 ff.

von Life and Law am 01.12.2013

1. Ein Vertrag über die Teilnahme an einer Kreuzfahrt ist als Reisevertrag i.S.d. § 651a I BGB anzusehen.

2. Eine bestimmte Minderungsquote, etwa von 50 %, ist für die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Reise weder notwendig noch ausreichend.

3. Eine hohe Minderungsquote ist jedoch ein Indiz für eine erhebliche Beeinträchtigung.

4. Grundsätzlich gelten für § 651f II BGB dieselben Maßstäbe wie für die Beurteilung der Frage, ob der Reisende wegen einer erheblichen Beeinträchtigung der Reise den Vertrag nach § 651e I S. 1 BGB kündigen kann.

Sachverhalt (stark verkürzt und abgewandelt): K buchte bei B eine Karibikkreuzfahrt.

Wegen diverser Mängel wurde der Reisepreis um 40 % gemindert. Unter anderem sind die einzigen zwei Flugzeugausflüge auf kleine Karibikinseln, die als „die Highlights" angekündigt waren, ausgefallen.

K verlangt nun noch eine angemessene Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit gem. § 651f II BGB. B meint, dies könne K bei einer lediglich 40 %igen Minderung vergessen. Eine erhebliche Beeinträchtigung im Sinne des § 651f II BGB setze nach der Rechtsprechung mindestens eine Minderung von 50 % oder mehr voraus.

Steht K gegen B ein Anspruch aus § 651f II BGB zu?

Lösung: Nach Ansicht des BGH steht der Umstand, dass der Reisepreis nur um 40 % gemindert ist, einem Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit nicht entgegen.

I. Vorliegen eines Reisevertrags im Sinne des § 651a I BGB

Zwischen K und B ist ein Vertrag über die Durchführung einer Kreuzfahrt zustande gekommen. Dabei handelt es sich um einen Reisevertrag im Sinne des § 651a I BGB.

Ein Reisevertrag liegt vor, wenn mindestens zwei Dienstleistungen wie Beförderung, Unterbringung oder andere touristische Dienstleistungen zu einem Gesamtpreis „verkauft" oder zum „Verkauf" angeboten werden und eine Leistung länger als 24 Stunden dauert oder eine Übernachtung einschließt. Es muss also eine Gesamtheit oder Bündelung von Reiseleistungen vorliegen.

Dies ist bei einer Kreuzfahrt der Fall.1 Der Reiseveranstalter hat im Streitfall zwar nicht die Beförderung zum Ausgangsort der Kreuzfahrt übernommen. Gleichwohl sind mehrere Reiseleistungen Bestandteil der Schiffsreise. Dazu gehören die mehrere Tage dauernde Beförderung mit dem Kreuzfahrtschiff, die Unterbringung auf dem Schiff, die Verpflegung, die unter Umständen über die übliche Verpflegung in einem Hotel und damit über eine bloße Nebenleistung hinausgeht und in der Regel weitere Leistungen wie z.B. für die Unterhaltung der Reisenden an Bord vorgesehene Veranstaltungen.

Gegenstand des Vertrags zwischen K und B waren jedenfalls die Leistungen Beförderung und Unterbringung als Gesamtheit, sodass von einem Reisevertrag auszugehen ist.

II. Erhebliche Beeinträchtigung der Reise im Sinne des § 651f II BGB?

Der Entschädigungsanspruch nach § 651f II BGB entsteht außer im Fall der Vereitelung der Reise -- ebenso wie das Kündigungsrecht nach § 651e I S. 1 BGB -- auch dann, wenn die Reise infolge eines Mangels erheblich beeinträchtigt wird.

1. Der unbestimmte Rechtsbegriff „erheblich beeinträchtigt" ist für beide Vorschriften grundsätzlich einheitlich auszulegen.2

Für die Erheblichkeit der Beeinträchtigung kommt es nicht nur darauf an, welchen Anteil der Mangel in Relation zur gesamten Reiseleistung hat. Vielmehr ist auch zu berücksichtigen, wie gravierend sich der Mangel für den Reisenden ausgewirkt hat. Dabei ist das Maß, mit dem ein Mangel die Reise beeinträchtigt, aufgrund einer an Zweck und konkreter Ausgestaltung der Reise sowie Art und Dauer der Beeinträchtigung orientierten Gesamtwürdigung zu beurteilen.3

Diese Gesamtwürdigung ist aus der Sicht eines Durchschnittsreisenden orientiert am Reisezweck und Reisecharakter unter Würdigung aller Umstände vorzunehmen, wobei eine hohe Minderungsquote ein Indiz für eine erhebliche Beeinträchtigung sein kann.4

2. Eine bestimmte Minderungsquote ist nicht Voraussetzung für die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Reise.

Hierfür ergeben sich weder aus dem Wortlaut des § 651f II BGB noch aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift Anhaltspunkte. In dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Reiseveranstaltungsvertrag5 war in § 18 II, dem späteren § 651f II BGB, von einem festen Maßstab für die Bemessung der Entschädigung nicht die Rede.

Der nicht Gesetz gewordene Absatz 2 Satz 2 stellte für die Bemessung vielmehr auf die Umstände des Einzelfalls ab. Nach der Stellungnahme des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags zur vorgeschlagenen Fassung des § 651f II BGB sieht die Vorschrift gerade davon ab, einen starren Maßstab für die Bemessung der Entschädigung festzulegen.

Eine Minderung des Reisepreises tritt ein, wenn die Reise nach § 651c I BGB mangelhaft ist, wenn sie also nicht die zugesicherten Eigenschaften hat oder mit Fehlern behaftet ist, die den Wert oder die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder nach dem Vertrag vorausgesetzten Nutzen aufheben oder mindern. Eine weitere Qualifizierung des Mangels, etwa als erhebliche Beeinträchtigung, hat das Gesetz nicht vorgenommen.

Die Umstände, die der Minderung zugrunde liegen, stimmen deshalb nicht zwingend mit denen einer erheblichen Beeinträchtigung der Reise überein.

Die festgestellte Minderungsquote kann sonach nur Indiz für die Ermittlung einer erheblichen Beeinträchtigung, nicht aber deren alleinige Grundlage sein.

3. Da im vorliegenden Fall die einzigen zwei Flugzeugausflüge auf kleine Karibikinseln, die als „die Highlights" angekündigt waren, ausgefallen sind, kann von einer erheblichen Beeinträchtigung der Reise ausgegangen werden.

Ergebnis: K steht gegen B ein Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit gem. § 651f II BGB zu.

hemmer-Methode: Im Original hatte das Berufungsgericht6 unter Hinweis auf die Minderungsquote unter 40 % die Klage abgewiesen. Der BGH hat das Urteil daher aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.


  1. MüKo, § 651a BGB, Rn. 27; Führich, MDR 2011, 1209; Rodegra, NJW 2011, 1766.

  2. BGH, NJW 2012, 2107 ff. **

  3. BGH, NJW 2009, 287 ff. **

  4. Vgl. OLG Frankfurt am Main, NJW-RR 2005, 132.

  5. BT-Drucks. 8/786 S. 7, 30.

  6. Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen, Urteil vom 24. Januar 2011, Az: 3 U 13/10.