Konkludente Umwidmung einer öffentlichen Einrichtung

BayVGH, Beschluss vom 10.10.2013, 4 CE 13.2125

von Life and Law am 01.07.2014

+++ Öffentliche Einrichtung, Art. 21 GO +++ Konkludente (Um-)Widmung +++ Zwei-Stufen-Theorie +++ Einstweiliger Rechtsschutz nach § 123 VwGO +++ Art. 3 GG +++ Art. 18 I StrWG +++

Sachverhalt (vereinfacht und verkürzt): Die Stadt N (Landkreis Rhön-Grabfeld, Regierungsbezirk Unterfranken) ist Eigentümerin eines gebührenpflichtigen Parkplatzes am zentralen Busbahnhof. Dieser wurde von der Stadt N am 15.05.1996 mit Wirkung zum 01.06.1996 als Ortsstraße gewidmet. Ein Teilbereich des Parkplatzes wird im Laufe des Jahres auch für die Durchführung des jährlichen Volks- und Schützenfestes und für die Durchführung von maximal einem jährlichen Zirkus-Gastspiel zur Verfügung gestellt. Dabei wurde die Nutzung des Parkplatzes als Veranstaltungsfläche stets durch privatrechtlichen Vertrag geregelt. Allerdings fanden in den letzten Jahren aufgrund umfangreicher Baumaßnahmen keine Zirkus-Gastspiele mehr auf dem Parkplatz statt. Dementsprechend wurden sämtliche Gastspielanfragen von Zirkusunternehmen abgelehnt. Allein in den letzten fünf Wochen wurden drei Anfragen dieser Art abschlägig beschieden.

Z betreibt in der Nachbargemeinde M seit Generationen ein traditionelles Familienensemble, welches als Zirkusunternehmen zum Zwecke von Gastspielen von Gemeinde zu Gemeinde reist. Am 17.09.2013 stellte der Z bei der Stadt N einen Antrag auf ein Gastspiel und gab als Terminwunsch den Zeitraum vom 18. bis 21.10.2013 an. Die Stadt N lehnte den Antrag noch am gleichen Tag mit der Begründung ab, so kurzfristige Gastspielanfragen könnten nicht befriedigt werden, weshalb der Festplatz nicht für diese Nutzung zur Verfügung gestellt werden könne. Der entsprechende Bescheid geht Z noch am 17.09.2013 per Fax zu.

Gegen diese Ablehnung möchte der Z im Hinblick auf den kurzen Zeitraum zwischen Ablehnung des Antrags und dem geplanten Gastspiel schnellstmöglich gerichtlich vorgehen. Zur Begründung bringt er vor, er habe einen Anspruch auf Überlassung des Parkplatzes aus Art. 21 GO, da der Parkplatz auch für diese Art von Nutzung gewidmet sei. Im Übrigen ergebe sich ein Anspruch auch aus dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 I GG.

Die Stadt N bringt dagegen vor, der Parkplatz sei für diese Nutzung gerade nicht gewidmet. Darüber hinaus müssten die Parkplätze wegen der im Herbst erhöhten Nachfrage für den örtlichen Einzelhandel freigehalten werden, da dies die umsatzstärkste Zeit sei. Daher sei der Platz noch in keinem Herbst an Zirkusunternehmen vergeben worden.

Hat ein entsprechender Antrag des Z Aussicht auf Erfolg? Bei der Bearbeitung ist zu berücksichtigen, dass der Parkplatz in der Zeit vor den umfangreichen Umbauarbeiten regelmäßig auch ortsfremden Zirkusunternehmen zur Verfügung gestellt wurde.

A) Sounds1

1. An die Widmung öffentlicher Einrichtungen sind keine förmlichen Voraussetzungen zu stellen. Die Widmung kann demgemäß nicht nur durch Satzung oder Beschluss des Ge-meinderats ausgesprochen werden, sondern sich auch aus einer vorherigen Vergabe-praxis ergeben.

2. Entsprechendes gilt für nachträgliche Erweiterungen oder Einschränkungen der Widmung. Der durch die Vergabepraxis gegenüber einem Gemeinderatsbeschluss erweiterte Widmungsumfang einer öffent-lichen Einrichtung kann durch Änderung der Vergabepraxis auf den ursprünglichen Wid-mungszweck zurückgeführt werden.

B) Problemaufriss

Der Anspruch auf die Benutzung öffentlicher Einrichtungen aus Art. 21 (Bay)GO bzw. den entsprechenden Vorschriften der jeweiligen Gemeindeordnung ist ein zentraler Anspruch aus dem Bereich des Kommunalrechts. Insofern ist es auch nicht verwunderlich, dass dieser Themenkomplex äußerst problembehaftet und klausurrelevant ist. Zum einen stellt sich hier regelmäßig die Frage, ob für Streitigkeiten im Zusammenhang mit Art. 21 GO überhaupt der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist, was letztlich mit der sog. Zwei-Stufen-Theorie zu klären ist.

Zum anderen tritt häufig die Situation auf, dass eine Gemeinde eine ihrer öffentlichen Einrich-tungen aus verschiedensten Gründen nicht für eine beantragte Nutzung zur Verfügung stellen möchte. Dabei gibt es zahlreiche Wege, wie die Gemeinde ihr Ziel erreichen kann. Ein Ansatzpunkt ist dabei das Merkmal der Widmung, also der Zweckbestimmung der Einrichtung.

Die damit verbundenen Probleme, und insbe-sondere die Frage, ob und inwieweit eine konkludente Widmung bzw. Umwidmung von öffentlichen Einrichtungen möglich ist, bilden den Schwerpunkt des vorliegenden Falles.

C) Lösung

Der Antrag hat Aussicht auf Erfolg, soweit die Sachentscheidungsvoraussetzungen vorliegen und er im Übrigen auch begründet ist.

I. Sachentscheidungsvoraussetzungen

Sachentscheidungsvoraussetzungen eines Antrags nach § 123 I VwGO

I. Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs

II. Statthaftigkeit

  1. § 123 V VwGO: Abgrenzung zu § 80 V VwGO
  2. Abgrenzung Sicherungs-/Regelungsanordnung

 

III. Antragsbefugnis Möglichkeit von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund

IV. Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis

V. Zuständigkeit des Gerichts

VI. Beteiligten- und Prozessfähigkeit

1. Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs

Zunächst müsste der Verwaltungsrechtsweg gem. § 40 I S. 1 VwGO eröffnet sein. Voraussetzung hierfür ist, dass es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit handelt. Dies könnte hier insofern problematisch sein, da die Vergabe des Parkplatzes als Festplatz in der Vergangenheit stets durch privatrechtlichen Vertrag geregelt wurde. Daher könnte es sich auch um eine zivilrechtliche Streitigkeit handeln, die auf dem ordentlichen Rechtsweg zu entscheiden wäre. Es kommt jedoch auch der öffentlich-rechtliche Zulassungsanspruch aus Art. 21 I GO in Betracht.

Im Bereich der Zulassung zu öffentlichen Einrichtungen richtet sich die Rechtsnatur der Streitigkeit nach der sog. Zwei-Stufen-Theorie. Nach dieser ist das „Ob" der Zulassung stets öffentlich-rechtlich zu bewerten, während das „Wie" sowohl privatrechtlich als auch öffentlich-rechtlich ausgestaltet werden kann.

Anmerkung: Sinn und Zweck der Zwei-Stufen-Theorie ist es, eine „Flucht ins Privatrecht" zu verhindern. Müsste nämlich der öffentlich-rechtliche Zulassungsanspruch aus Art. 21 GO vor den Zivilgerichten geltend gemacht werden, würde dieser erheblich entwertet werden. Dies folgt zum einen daraus, dass ein Kontrahierungszwang im Zivilrecht, anders als im öffentlichen Recht, nicht anerkannt ist. Zum anderen findet im Verfahren vor den Zivilgerichten der Beibringungsgrundsatz Anwendung, während in der VwGO der Amtsermittlungsgrundsatz gilt, vgl. § 86 VwGO.

Dem Z geht es hier primär darum, ob überhaupt ein Zulassungsanspruch besteht. Wie dieser dann im Einzelfall ausgestaltet wird, ist in diesem Kontext zweitrangig.

Die Zwei-Stufen-Theorie greift allerdings nur dann ein, wenn es sich bei dem Parkplatz um eine öffentliche Einrichtung i.S.d. Art. 21 GO handelt.

Vorliegen einer öffentlichen Einrichtung

Voraussetzungen für das Vorliegen einer öffentlichen Einrichtung sind ein im öffentlichen Interesse liegender Zweck, eine Widmung für diesen Zweck, eine faktischen Indienststellung sowie die Verfügungsbefugnis der Gemeinde.

Ausgehend von diesen Merkmalen, ist der ge-bührenpflichtige Parkplatz der Stadt N grund-sätzlich als öffentlich-rechtliche Einrichtung zu qualifizieren: Der Platz steht im Eigentum der Stadt und er ist ausdrücklich u.a. zur Nutzung für Volksfeste und damit für einen im öffentlichen Interesse liegenden Zweck gewidmet.

Mangels anderweitiger Rechtswegzuweisungen ist der Verwaltungsrechtsweg somit vorliegend nach § 40 I S. 1 VwGO eröffnet.

2. Statthaftigkeit

Da Z eine schnelle Klärung der Situation erreichen will, kommt nur ein Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz in Betracht. Dafür stehen in der VwGO das Verfahren nach § 80 V VwGO sowie das nach § 123 VwGO zur Verfügung. Die Abgrenzung dieser beiden Verfahren ist anhand von § 123 V VwGO vorzunehmen. Demnach genießt das Verfahren nach § 80 V VwGO An-wendungsvorrang, wenn in der Hauptsache die Anfechtungsklage nach § 42 I Alt. 1 VwGO statt-haft ist und diese Klage nach § 80 II VwGO ausnahmsweise keine aufschiebende Wirkung hat. In allen anderen Fällen ist das Verfahren nach § 123 VwGO statthaft. Hier möchte Z die Zulassung zu dem Parkplatz erreichen. Ein entsprechender Antrag wurde von der Stadt N abgelehnt. Um sein Ziel zu erreichen, müsste Z in der Hauptsache eine Verpflichtungsklage nach § 42 I Alt. 2 VwGO in Form der Versa-gungsgegenklage erheben, da es sich bei der begehrten Zulassung zu dem Parkplatz um ein Verwaltungsakt i.S.d. Art. 35 BayVwVfG handelt. Somit ist das Verfahren nach § 123 I S. 2 VwGO auf Erlass einer Regelungsanordnung statthaft.

Anmerkung: Die Abgrenzung zwischen einer Sicherungsanordnung nach § 123 I S. 1 VwGO und einer Regelungsanordnung nach § 123 I S. 2 VwGO kann in der Praxis oft nicht trenn-scharf vorgenommen werden. Als Grundregel lässt sich festhalten, dass die Sicherungsan-ordnung statthaft ist, wenn es um die Erhaltung des status quo geht, während die Regelungsan-ordnung einschlägig ist, wenn der Antragsteller die vorläufige Begründung oder Erweiterung einer Rechtsposition begehrt. Im vorliegenden Fall handelt es sich allerdings eindeutig um eine Regelungsanordnung.

In der Klausur sollte wegen der gesetzlichen Unterscheidung in § 123 I VwGO eine kurze Abgrenzung der beiden Institute vorgenommen werden. Allerdings wird darauf, auch wegen des sehr ähnlichen Prüfprogramms, nur in den seltens-ten Fällen der Schwerpunkt einer Klausur liegen.

3. Antragsbefugnis

Z müsste gem. § 42 II VwGO analog antrags-befugt sein. Dies wäre dann der Fall, wenn zumindest möglicherweise ein Anordnungsan-spruch sowie ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht werden können.

Hier hat Z möglicherweise einen Zulassungs-anspruch aus Art. 21 GO, sodass ein Anordnungs-anspruch zumindest möglich erscheint.

Ein möglicher Anordnungsgrund ist in einer beson-deren Eilbedürftigkeit zu sehen sein, da zwischen Antragstellung und dem geplanten Zirkusgast-spiel nur ein relativ kurzer Zeitraum liegt.

Z ist mithin antragsbefugt.

Anmerkung: Für die Antragsbefugnis genügt es, dass Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht offensichtlich fehlen.2 Ob sie tatsächlich vor-liegen, ist dagegen eine Frage der Begründetheit.

4. Zuständigkeit des Gerichts

Für den Erlass einstweiliger Anordnungen ist gem. § 123 II VwGO das Gericht der Hauptsache zu-ständig. Dies ist hier gem. §§ 45, 52 Nr. 1 VwGO, Art. 1 II Nr. 5 AGVwGO das VG Würzburg.

5. Frist

Der Antrag nach § 123 VwGO unterliegt keiner Fristbindung.

6. Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis

Das erforderliche allgemeine Rechtsschutzbe-dürfnis liegt ebenfalls vor, da Z vor Beschreitung des Rechtswegs einen entsprechenden Antrag bei der Stadt N gestellt hat.

Anmerkung: In der Regel fehlt das Rechtsschutz-bedürfnis für den Erlass einer einstweiligen Anord-nung nach § 123 VwGO, wenn der Antragsteller sein Anliegen nicht zunächst bei der zuständigen Behörde vorgetragen hat. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn die Sache sehr eilig ist und die Wahrscheinlichkeit einer rechtzeitigen Erledigung der Angelegenheit durch die Behörde als gering anzusehen ist.3

Die vorherige Erhebung der Hauptsacheklage ist nach § 123 I S. 1 VwGO keine Voraussetzung für den Eilantrag. Allerdings darf die Hauptsache nicht verfristet sein. Da ein Eilantrag niemals weitergehen darf als die Hauptsache, fehlt dem Eilantrag das Rechtsschutzbedürfnis, wenn in der Hauptsache Bestandskraft eingetreten ist.

Hier wurde der Ablehnungsbescheid dem Z am 17.09.2013 übermittelt, sodass die Klagefrist nach § 74 II, I S. 2 VwGO i.V.m. § 57 II VwGO, § 222 ZPO, §§ 187 ff. BGB am 17.10.2013 endet. Sollte bis zu diesem Zeitpunkt nicht über den Eilantrag entschieden sein, müsste Z fristwahrend Klage erheben.

7. Beteiligten- und Prozessfähigkeit

Z ist gem. § 61 Nr. 1 Alt. 1 VwGO beteiligten-fähig und gem. § 62 I Nr. 1 VwGO prozessfähig.

Die Stadt N ist gem. § 61 Nr. 1 Alt. 2 VwGO beteiligtenfähig und gem. § 62 III VwGO prozess-fähig. Sie wird vor Gericht durch den Ersten Bürgermeister vertreten, Art. 38 GO.

8. Zwischenergebnis

Da vom Vorliegen der weiteren Zulässigkeitsvor-aussetzungen ausgegangen werden kann, ist der Antrag zulässig.

II. Begründetheit

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen An-ordnung ist begründet, soweit er sich gegen den richtigen Antragsgegner richtet, § 78 VwGO ana-log, und die tatsächlichen Voraussetzungen eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrun-des glaubhaft gemacht sind, § 123 III VwGO, §§ 920 II, 294 ZPO.

Anmerkung: Ähnlich wie im Rahmen des § 80 V VwGO, nimmt das Gericht bei dem Erlass einstweiliger Anordnungen nach § 123 VwGO nur eine summarische Prüfung vor. Da in einer Klausur der Sachverhalt jedoch feststeht, ist von Ihnen immer eine umfangreiche Prüfung der Rechtslage vorzunehmen.

1. Passivlegitimation

Richtiger Antragsgegner ist gem. § 78 I Nr. 1 VwGO analog die Stadt N, da diese für die Entscheidung über die begehrte Zulassung nach Art. 21 I GO zuständig ist.

2. Anordnungsanspruch

Der Z müsste zunächst einen Anordnungsan-spruch glaubhaft machen.

a) Anspruch aus Art. 21 I S. 1 GO

In Betracht kommt hier zunächst der öffentlich-rechtliche Zulassungsanspruch aus Art. 21 I S. 1 GO.

Das Vorliegen einer öffentlichen Einrichtung wurde bereits im Rahmen der Rechtswegeröffnung bejaht.

Dennoch scheidet dieser Anspruch vorliegend aus, weil Z hinsichtlich des Parkplatzes nicht nutzungsberechtigt ist. Nach Art. 21 I S. 1 GO sind lediglich die Gemeindeangehörigen i.S.d. Art. 15 I S. 1 GO, also die Gemeindeeinwohner sowie ortsansässige Vereinigungen, Art. 21 IV GO, dazu berechtigt, die öffentlichen Einrich-tungen der Gemeinde zu benutzen. Da Z jedoch kein Gemeindeangehöriger ist, kann er gem. Art. 21 III GO nur dann einen Nutzungsanspruch haben, soweit er Grundbesitz oder eine ge-werbliche Niederlassung im Gemeindegebiet hat. Dies ist hier nicht der Fall, sodass Z keinen Zulassungsanspruch aus Art. 21 I S. 1 GO hat.

b) Anspruch aus Art. 21 I GO i.V.m. Art. 3 I GG

Dem Z als Inhaber eines ortsfremden Zirkus-unternehmens könnte jedoch möglicherweise ein Zulassungsanspruch aus Art. 21 I GO i.V.m. dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 I GG zustehen, da die Stadt N den Parkplatz in der Vergangenheit regelmäßig auch für Gastspiele auswärtiger Zirkusunternehmen zur Verfügung gestellt hat.

Ein Anspruch auf Gleichbehandlung besteht aber, ebenso wie der orginäre Zulassungsan-spruch aus Art. 21 I GO, nur dann, wenn sich die von Z begehrte Art der Nutzung im Rahmen der Zweckbestimmung der Einrichtung bewegt, der Parklatz also auch für Zirkusgastspiele gewidmet ist.

Anmerkung: Ob Sie dabei die Widmung als eigenen Prüfungspunkt sehen oder als Teil der rechtlichen Grenzen des Art. 21 I GO -- „im Rahmen der bestehenden allgemeinen Vor-schriften" --, spielt keine Rolle!

Hier widmete die Stadt N den Parkplatz am 15.05.1996 mit Wirkung zum 01.06.1996 als Ortsstraße, eine förmliche Widmung für Zirkus-gastspiele ist in diesem Zusammenhang jeden-falls nicht erfolgt.

konkludente Widmung

Der Parkplatz könnte aber konkludent für Zirkus-gastspiele gewidmet worden sein. Dies ist grundsätzlich möglich, da an den Widmungsakt keine besonderen förmlichen Voraussetzungen zu stellen sind. So kann die Widmung durch Satzung oder Gemeinderatsbeschluss ausge-sprochen werden; es genügt allerdings auch eine durch die Vergabepraxis geformte konkludente Widmung.4

In der Zeit vor 2011 wurde der gebührenpflich-tige Parkplatz zum einen für die Abhaltung des Volks- und Schützenfestes zur Verfügung gestellt, zum anderen wurde der Platz auch einmal pro Jahr einem Zirkusunternehmen überlassen, um in der Stadt N ein Gastspiel abhalten zu können.

Es hat sich also insoweit eine Vergabepraxis verfestigt, nach der zumindest einmal jährlich ein Zirkus auf dem Platz gastieren durfte. Dies stellt eine, über die eigentliche Zweckbestimmung hinausgehende, konkludente Widmung des Parkplatzes dar.

Damit war der der Parkplatz zumindest in der Zeit vor dem Jahr 2011 für Zirkusgastspiele gewidmet.

Rückführung auf den ursprünglichen Widmungszweck

Die Stadt N könnte jedoch wieder zu dem ursprünglichen Widmungszweck als Ortsstraße zurückgekehrt sein, sodass der Parkplatz als Veranstaltungsort für ein Zirkusgastspiel des Z ausscheiden würde.

Dabei gelten letztlich dieselben Anforderungen, die auch an eine konkludente Widmung zu stellen sind. Insoweit ist kein ausdrückliches Handeln der Stadt N erforderlich, entscheidend ist vielmehr, dass durch eine (erneute) Änderung der Vergabepraxis der erweiterte Widmungsum-fang einer öffentlichen Einrichtung nachträglich wieder eingeschränkt wird. Eine solche konklu-dente Umwidmung ist aber nur dann als wirksam anzusehen, wenn ab einem gewissen Zeitpunkt allgemein so verfahren wird und nicht nur in Einzelfällen von der bisher angewendeten Vergabepraxis abgewichen wird.5

tatsächliche Änderung der Vergabepraxis

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe lässt sich hier festhalten, dass eine Einschränkung der früher großzügigeren Verwaltungsausübung durch die Stadt N vorgenommen wurde, indem sie die Vergabepraxis geändert hat.

Dies folgt schon daraus, dass die tatsächliche Vergabe des Platzes an Zirkusunternehmen über einen Zeitraum von fast drei Jahren hinweg gänzlich eingestellt wurde. Dies wurde von der Stadt N nach außen hin auch deutlich gemacht, da sämtliche Gastspielanfragen verschiedener Zirkusunternehmen abgelehnt wurden. Dass Aus-nahmen von dieser Vergabepraxis zu Gunsten einzelner Zirkusunternehmen gemacht wurden, ist nicht ersichtlich.

Auch nach Abschluss der umfangreichen Bau-arbeiten vergab die Stadt N den Parkplatz nicht mehr für Zirkusgastspiele. Die zu diesem Zeitpunkt übliche Vergabepraxis wurde mithin beibehalten, sodass eine erneute konkludente Umwidmung des Parkplatzes ausgeschlossen werden kann.

Aus den genannten Gründen ist die früher bestehende konkludente Widmung des Platzes für Zirkusgastspiele entfallen.

sachliche Rechtfertigung der Ablehnung

Unabhängig von der Zweckbestimmung einer öffentlichen Einrichtung, scheidet ein Anspruch aus Art. 21 I GO i.V.m. Art. 3 I GG aus, wenn die Ablehnung des Antrags des Z sachlich gerechtfertigt ist.

In diesem Zusammenhang ist vor allem der Umstand zu beachten, dass der gebührenpflichtige Parkplatz im Herbst wegen der erhöhten Nach-frage für den örtlichen Einzelhandel zur Verfügung stehen muss. Aus diesem Grund wurde der Parkplatz auch im jeweiligen Herbst der vergan-genen Jahre nicht an Unternehmen vergeben, die ein Zirkusgastspiel abhalten wollten.

Insoweit liegt darin ein sachlicher Grund, der eine Einschränkung der Vergabe ohne weiteres rechtfertigen kann.

Da der Parkplatz zum jetzigen Zeitpunkt nicht für Zirkusgastspiele gewidmet ist und die Ableh-nung der Zulassung des Z jedenfalls sachlich gerechtfertigt ist, scheidet ein Zulassungsa-nspruch aus Art. 21 I GO i.V.m. Art. 3 I GG aus.

Anmerkung: Der BayVGH stellt in seiner Entscheidung deutlich heraus, dass es von entscheidender Bedeutung ist, dass eine konklu-dente Umwidmung nur dann wirksam ist, wenn die geänderte Vergabepraxis einheitlich und ohne Verstoß gegen den Gleichheitssatz aus Art. 3 GG angewendet wird. Im vorliegenden Fall liegen keine Anhaltspunkte für eine willkürliche Abän-derung der Vergabepraxis vor. Dies folgert der BayVGH daraus, dass noch keine Zusagen an andere Zirkusunternehmen für das Jahr 2014 erteilt wurden.

Darüber hinaus habe die Stadt N entsprechend ihrer bisherigen Vergabepraxis stets ein vorgege-benes Vertragsmuster verwendet. Danach waren sowohl das Nutzungsentgelt als auch die Kaution für den Platz immer einen Monat vor der Über-lassung fällig und mussten auf dem Konto der Stadt N eingegangen sein. Andernfalls war der Vertrag unwirksam. Diese Frist konnte hier gar nicht eingehalten werden, da das Gastspiel bereits am 18.10.2013 stattfinden sollte und der ent-sprechende Antrag erst am 17.09.2013 gestellt wurde. Darin zeigt sich, dass die Stadt N auch in der Vergangenheit Wert auf einen gewissen zeit-lichen Vorlauf gelegt hat, worin angesichts der mit der Vergabe einhergehenden weiteren Service-leistungen der Verwaltung und der Versorgungs-unternehmen ebenfalls ein sachlicher Grund liege. Auf kurzfristige und überraschende Anfragen vorbeireisender Zirkusunternehmen muss sich die Stadt N daher im Interesse einer geordneten Verwaltung nicht einlassen, ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz ist darin jeden-falls nicht zu sehen.

c) Anspruch aus Art. 18 I BayStrWG

Möglicherweise hat Z aber einen Anspruch auf die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis aus Art. 18 BayStrWG.

Grundsätzlich ist gemäß Art. 14 I S. 1 BayStrWG jedermann berechtigt, die Straßen innerhalb der Widmung für den Verkehr zu benutzen. Dies wird als Gemeingebrauch bezeichnet. Um Gemeinge-brauch handelt es sich jedoch nach Art. 14 I S. 2 BayStrWG nicht, wenn die Straße nicht vorwiegend zum Verkehr, sondern zu anderen Zwecken benutzt wird.

Hier möchte Z mit seinem Zirkusunternehmen ein Gastspiel auf dem als Ortsstraße gewidmeten Parkplatz abhalten. Darin ist ein verkehrsfremder Zweck zu sehen, sodass hier kein Fall des Gemeingebrauchs gegeben ist.

Nach Art. 18 I S. 1 BayStrWG bedarf es für die Benutzung über den Gemeingebrauch hinaus einer Erlaubnis der Gemeinde.

Allerdings handelt es sich bei Art. 18 I S. 1 BayStrWG um eine Ermessensnorm und nicht um eine gebundene Entscheidung; ein Anspruch auf die Erteilung der Erlaubnis besteht mithin grundsätzlich nicht.

Im vorliegenden Fall war eine Ablehnung des Antrags des Z unter dem Aspekt, dass der Parkplatz im Herbst aufgrund der erhöhten Nach-frage für den örtlichen Einzelhandel zur Verfü-gung stehen muss, zulässig. Ermessensfehler sind insoweit nicht ersichtlich. Des Weiteren sind auch keine Anhaltspunkte für eine Ermessens-reduktion auf Null ersichtlich, sodass Z keinen Anspruch auf die Erteilung einer Sondernutzungs-erlaubnis aus Art. 18 I S. 1 BayStrWG hinsichtlich des Parkplatzes hat.

d) Anspruch aus § 70 I GewO

Ein Anspruch des Z aus § 70 I GewO scheidet mangels Festsetzung einer Veranstaltung i.S.v. § 69 I GewO von vornherein aus.

Anmerkung: Die Ansprüche aus Art. 18 BayStrWG und § 70 GewO sind nicht vom Pflichtfachstoff umfasst. Soweit hier eine Prüfung „gewünscht" ist, müsste der Klausurersteller die entsprechenden Vorschriften im Sachverhalt nennen.

3. Zwischenergebnis

Da Z schon keinen Anordnungsanspruch glaub-haft machen kann, ist der Antrag unbegründet.

III. Ergebnis

Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet. Er hat daher keine Aussicht auf Erfolg.

D) Kommentar

(mg). Eine richtige Entscheidung!

Anders als noch die Vorinstanz erkennt der BayVGH, dass der Parkplatz zumindest zeit-weilig auch für Zirkusgastspiele gewidmet war und bewertet auch die später eingetretene Veränderung der Vergabepraxis und die damit einhergehende Umwidmung des Parkplatzes zutreffend. Das Ergebnis ist dann nur logisch: Ein Anspruch aus Art. 21 I GO i.V.m. Art. 3 I GG besteht nicht, sofern sich die begehrte Nutzung nicht innerhalb der Widmung bewegt.

Letztlich ist die konsequente Anwendung der Grundsätze, die zur konkludenten Änderung oder Einschränkung der Zweckbestimmung einer öffentlichen Einrichtung gelten, essentiell. Denn nur so kann sichergestellt werden, dass die Gemeinden nicht jeden aus ihrer Sicht unliebsamen Antrag aufgrund willkürlicher Erwä-gungen und kurzfristig vorgenommener Umwid-mungen ablehnen können. Wäre dem so, käme dies einer faktischen Entwertung des öffentlich-rechtlichen Zulassungsanspruchs aus Art. 21 GO gleich.

Aufgrund der hohen Aktualität und der Vielzahl möglicher Fallgestaltungen kommt dem Themen-kreis der konkludenten Umwidmung einer öffent-lichen Einrichtung eine nicht zu unterschätzende Examensrelevanz zu.

E) Background

Die Thematik der konkludenten Umwidmung öffentlicher Einrichtungen beschäftigt die Ver-waltungsgerichte nicht zum ersten Mal. So hat das BVerwG6 bereits im Jahr 1969 entschieden, dass sich eine Gemeinde, die erst nach Eingang eines Antrags auf Überlassung die bisherige Zweckbestimmung ihrer Einrichtung ändert, dem naheliegenden und schwer zu entkräftenden Verdacht aussetzt, dies nicht aus einem an-zuerkennenden Grund getan zu haben, sondern nur, um einen unliebsamen Antrag ablehnen zu können.

In seinen Entscheidungen vom 17.02.2011, 4 CE 11.287 sowie vom 04.01.2012, 4 CE 11.3002 hat der BayVGH bekräftigt, uneingeschränkt an dieser Rechtsprechung festhalten zu wollen.

F) Zur Vertiefung

  • Zur Einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO

Hemmer/Wüst, Verwaltungsrecht III, Rn. 202 ff.

  • Zu Öffentlichen Einrichtungen

Hemmer/Wüst, Kommunalrecht Bayern, Rn. 130 ff.

G) Wiederholungsfrage

  1. Wann wird die sog. Zwei-Stufen-Theorie relevant und was besagt sie?

  1. Art. 21 GO -- Benutzung öffentlicher Einrichtungen; Tragung der Gemeindelasten

    Alle Gemeindeangehörigen sind nach den bestehenden allgemeinen Vorschriften berechtigt, die öffentlichen Einrichtungen der Gemeinde zu benutzen.

  2. Kopp/Schenke, § 123 VwGO, Rn. 20.

  3. Kopp/Schenke, § 123 VwGO, Rn. 22.

  4. BayVGH vom 11.12.1968, BayVBl. 1969, 102; vom 21.1.1988, BayVBl. 1988, 497; zuletzt vom 4.1.2012 -- 4 CE 11.3002

  5. Hölzl/Hien/Huber, Gemeindeordnung mit Verwaltungs-gemeinschaftsordnung, Landkreisordnung und Bezirks-ordnung für den Freistaat Bayern, Anm. 4 zu Art. 21 GO.

  6. BVerwG vom 28.03.1969, BVerwGE, 31, 368.