Konfliktmanagement

Grundfall (nicht nur) für Anfangssemester, Strafrecht

von Life and Law am 01.07.2014

+++ Beteiligung an einer Schlägerei, § 231 StGB +++ Strafbarkeitsvoraussetzungen, orientiert am Sinn und Zweck der Vorschrift +++

Sachverhalt: Armin und Bernd beginnen eine tätliche Auseinandersetzung. Daraufhin tritt Charlie heran und versucht den Streit zu schlichten, wobei er sich auf Maßnahmen der Schutzwehr beschränkt. Daraufhin steigt auch Dieter begeistert ins Kampfgeschehen ein. Emil dagegen beschränkt sich darauf, den Dieter von außen anzufeuern. Im Verlauf der Schlägerei wird Dieter von Armin ein Auge ausgeschlagen. Anschließend wirft sich noch der hinzugekommene Fridolin in das Kampfgetümmel.

Bearbeitervermerk: Haben sich die Beteiligten gem. § 231 StGB strafbar gemacht?

A) Sound

Eine Schlägerei ist der tätliche Streit mit gegenseitigen Körperverletzungen zwischen mindestens drei Personen.

Eine Beteiligung i.S.v. § 231 I StGB setzt voraus, dass der Täter bei der Schlägerei anwesend ist und physisch oder geistig in feindseliger Weise dazu beiträgt, dass geschlagen wird.

Für eine Bestrafung gem. § 231 I StGB ist es ohne Bedeutung, wenn der Täter selbst das Opfer der schweren Körperverletzung ist.

Es kommt nicht darauf an, zu welchem Zeitpunkt der Täter sich an der Schlägerei beteiligt.

B) Lösung

Zu prüfen ist die Strafbarkeit der Beteiligten gem. § 231 StGB.

Strafbarkeit von A und B gem. § 231 I StGB

A und B könnten sich aufgrund ihres Verhaltens wegen einer Beteiligung an einer Schlägerei strafbar gemacht haben.

1. Objektiver Tatbestand

a) Eine Schlägerei ist der tätliche Streit mit gegenseitigen Körperverletzungen zwischen mindestens drei Personen.

hemmer-Methode: Ein von mehreren verübter Angriff ist die in feindlicher Absicht gegen den Körper des Opfers gerichtete Einwirkung von mindestens zwei Personen.

Solange sich nur A und B schlugen, lag noch keine Schlägerei vor.

Als Charlie (C) hinzukam, waren zwar drei Personen in den Streit verwickelt. Da C aber nur versuchte, den Kampf zu beenden, also nicht aktiv Körperverletzungshandlungen vornahm, war insoweit noch keine Schlägerei entstanden.

Erst als auch Dieter (D) ins Kampfgeschehen einstieg, lag eine Schlägerei vor.

b) Eine Beteiligung i.S.v. § 231 I StGB setzt voraus, dass der Täter bei der Schlägerei anwesend ist und physisch oder geistig in feindseliger Weise dazu beiträgt, dass geschlagen wird.

Da A und B zu einem Zeitpunkt, als die Schlägerei vorlag, am Tatort anwesend waren und in feindseliger Weise an den Tätlichkeiten teilnahmen, beteiligten sie sich an der Schlägerei.

Der objektive Tatbestand ist erfüllt.

2. Subjektiver Tatbestand

Der im Rahmen des subjektiven Tatbestandes zu prüfende Vorsatz muss neben der willentlichen Mitwirkung die Kenntnis derjenigen Tatumstände umfassen, aus denen das Vorliegen einer Schlägerei folgt.

A und B handelten vorsätzlich, da sie wussten, dass eine Schlägerei stattfand und sie sich hieran willentlich beteiligten.

3. Objektive Bedingung der Strafbarkeit

Die Verursachung des Todes eines Menschen oder einer schweren Körperverletzung i.S.v. § 226 StGB durch die Schlägerei ist i.R.d. § 231 StGB als eine objektive Bedingung der Strafbarkeit ausgestaltet, sodass insoweit kein vorsätzliches oder fahrlässiges Verhalten erforderlich ist. § 18 StGB ist nicht anwendbar. Dabei ist ohne Bedeutung, ob die Bedingung bei einem Beteiligten oder einem außenstehenden Dritten eingetreten ist.

Aufgrund der Schlägerei verlor der Dieter ein Auge. Dies ist eine schwere Körperverletzung i.S.v. § 226 I Nr. 1 Var. 1 StGB.

Damit ist die objektive Bedingung der Strafbarkeit eingetreten. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass sie nur von A unmittelbar verursacht worden ist.

Auf einen Zurechnungszusammenhang zwischen den Handlungen des B und dem Eintreten der schweren Körperverletzung kommt es bei § 231 StGB für seine Strafbarkeit gerade nicht an.

hemmer-Methode: Anders ist dies bei den §§ 226 bzw. 227 StGB. Hier müssen hinsichtlich der schweren Folge ein Unmittelbarkeits­zusammenhang und zumindest Fahrlässigkeit vorliegen. Fehlt es an einer dieser Voraussetzungen, ist an § 231 I StGB zu denken.

4. Rechtswidrigkeit und Schuld

Rechtswidrigkeit und Schuld liegen vor. Insbesondere wurden A und B nicht in die Schlägerei hineingezogen, ohne dass ihnen das vorzuwerfen wäre, § 231 II StGB.

hemmer-Methode: Die dogmatische Einordnung des § 231 II StGB ist nicht unumstritten. Einerseits wird er als Rechtfertigungsgrund aufgefasst. Andere sehen ihn als Tatbestandsausschlussgrund.

Im Ergebnis wirken sich diese unterschiedlichen Ansichten regelmäßig nicht aus, sodass sich eine Erörterung dieses Streites erübrigt.

A und B haben sich jeweils gem. § 231 I StGB strafbar gemacht.

Strafbarkeit des C

Auch C könnte sich gem. § 231 I StGB strafbar gemacht haben. C beschränkte sich jedoch nur auf Schutzwehrhandlungen. Dies reicht nicht aus für eine Beteiligung. Vielmehr muss die Schlägerei als solche in irgendeiner Form gefördert worden sein. Bei bloßen Verteidigungshandlungen ist dies zu verneinen. C war somit nicht an der Schlägerei beteiligt. Der objektive Tatbestand ist nicht erfüllt.

Strafbarkeit des D

In Betracht kommt eine Strafbarkeit gem. § 231 I StGB.

1. Tatbestand

D hat sich vorsätzlich an der Schlägerei beteiligt.

2. Objektive Bedingung der Strafbarkeit

Fraglich ist, ob D als Opfer der schweren Körperverletzung gem. § 231 I StGB bestraft werden kann. Dies könnte damit begründet werden, dass es mit den Grundprinzipien des Strafrechts unvereinbar wäre, wenn Täter und Opfer ein und dieselbe Person sind.

Für den BGH kommt es jedoch überhaupt nicht auf die Opferstellung an, solange sich D nur an der Schlägerei beteiligte und die schwere Körperverletzung auf ihr beruhte.

Dies überzeugt, denn der Strafgrund i.R.d. § 231 I StGB ist nicht die Verursachung der schweren Körperverletzung, sondern allein bereits die Schaffung der abstrakten Gefahr bei einer Schlägerei.

Daran war D genauso beteiligt wie die anderen.

hemmer-Methode: Der Tatbestand des § 231 I StGB ist als ein abstraktes Gefährdungsdelikt ausgestaltet. Daher kommt es nicht darauf an, dass der einzelne Beteiligte gegenüber anderen konkret gefährliche Handlungen vorgenommen hat. § 231 I StGB hat damit auch den Sinn, Beweisschwierigkeiten im Einzelfall zu vermeiden.

3. Rechtswidrigkeit und Schuld

Rechtswidrigkeit und Schuld liegen vor. D hat sich gem. § 231 I StGB strafbar gemacht. Auf Rechtsfolgenseite ist an § 60 StGB zu denken.

Strafbarkeit des E

Zu prüfen ist des Weiteren eine Strafbarkeit des E gem. § 231 I StGB. Indem E die anderen anfeuerte, könnte er sich gem. § 231 I StGB strafbar gemacht haben.

1. Objektiver Tatbestand

E war nicht aktiv an der Schlägerei beteiligt und zählte damit auch nicht zu den drei Personen, die das Merkmal einer Schlägerei voraussetzt. Trotzdem konnte er sich nach der h.M. an dieser Schlägerei beteiligen, da hierfür auch die bloß psychische Unterstützung von außen genügt. Der objektive Tatbestand ist damit erfüllt.

2. Subjektiver Tatbestand

E handelte auch vorsätzlich.

3. Objektive Bedingung der Strafbarkeit

Die objektive Bedingung der Strafbarkeit liegt vor.

4. Rechtswidrigkeit und Schuld

Rechtswidrigkeit und Schuld liegen vor. E hat sich gem. § 231 I StGB strafbar gemacht.

Strafbarkeit des F

Schließlich könnte sich F gem. § 231 I StGB strafbar gemacht haben.

1. Objektiver Tatbestand

F war an der Schlägerei beteiligt.

2. Subjektiver Tatbestand

F handelte vorsätzlich.

3. Objektive Bedingung der Strafbarkeit

Zwar ist mit dem Verlust des Auges des D auch die objektive Bedingung der Strafbarkeit eingetreten, jedoch ist dies bereits vor der Beteiligung des F an der Schlägerei geschehen.

Deswegen stellt sich die Frage, ob berücksichtigt werden kann, dass F die Gefahr des Eintritts der schweren Körperverletzung bei D nicht vergrößert hat.

Nach einer Ansicht müsste hier von einer Bestrafung abgesehen werden, weil der Tatbeitrag des F für den Eintritt der schweren Körperverletzung bei D nicht ursächlich gewesen sein kann.

Dies wird damit begründet, dass § 231 I StGB zwar ein abstraktes Gefährdungsdelikt sei, jedoch eine Bestrafung nur dann nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift gerechtfertigt sei, wenn der Tatbeitrag des Einzelnen zur Gefährlichkeit im konkreten Fall beigetragen haben kann.

Nach der h.M. ist es dagegen ohne Bedeutung, zu welchem Zeitpunkt der Täter sich an der Schlägerei beteiligt hat.

Der Zeitpunkt kann insoweit vor, während oder nach dem Eintritt der objektiven Bedingung der Strafbarkeit liegen.

Für die h.M. spricht zum einen, dass § 231 I StGB ein abstraktes Gefährdungsdelikt ist und der Wortlaut nur den Eintritt der schweren Körperverletzung durch die Schlägerei und nicht durch die Beteiligten voraussetzt.

Letztendlich würden ansonsten auch genau die Beweisschwierigkeiten eintreten, die § 231 I StGB verhindern soll.

Demnach ist der h.M. zu folgen, sodass auch hinsichtlich F das Vorliegen der objektiven Bedingung der Strafbarkeit angenommen werden kann.

4. Rechtswidrigkeit und Schuld

Rechtswidrigkeit und Schuld liegen vor. F hat sich gem. § 231 I StGB strafbar gemacht.

C) Zur Vertiefung

  • Zur Beteiligung an einer Schlägerei
  • Hemmer/Wüst, StrafR BT II, Rn. 111.
  • Hemmer/Wüst, Karteikarten StrafR BT II, Karten 32, 33.