Ist das Streuen im Winter eine Dienst- oder eine Werkleistung?

BGH, Urteil vom 06.06.2013, VII ZR 355/12, MDR 2013, 960 f.

von Life and Law am 01.10.2013

+++ Vertragliche Übernahme des Winterdienstes +++ Einordnung des Vertragstyps +++ Minderung der Vergütung +++ §§ 611, 631 BGB +++ §§ 634 ff. BGB +++

Sachverhalt (vereinfacht und verkürzt): E ist Eigentümer eines Mietshauses. Damit er sich im Winter nicht um Schneeräumen und Streuen kümmern muss, schließt er mit W einen Vertrag folgenden Inhalts:

„Der Auftragnehmer übernimmt die öffentlich-rechtliche Verpflichtung während des winterlichen Reinigungszeitraums vom 1. November bis zum 30. April, ... die vertraglich vereinbarten Reinigungsflächen ... gemäß den Pflichten des Straßenreinigungsgesetzes des jeweiligen Bundeslandes bzw. der jeweiligen kommunalen Satzung von Schnee- und Eisglätte freizuhalten und bei Winterglätte mit abstumpfenden Stoffen zu bestreuen."

Das Entgelt richtete sich nach der entsprechenden Quadratmeterzahl.

W führte die Arbeiten in der Folgezeit aus; allerdings kam es gehäuft zu Situationen, in denen trotz Räumens und Streuens erhebliche Schneemengen auf den vertraglich betroffenen Flächen liegen blieben.

E war insoweit mit der Verrichtung der Tätigkeit nicht einverstanden und kürzte das Entgelt. Er ist der Meinung, dass nur bei ordnungsgemäßer Arbeit das volle Entgelt verlangt werden könne. W steht demgegenüber auf dem Standpunkt, dass das Entgelt für die Tätigkeit als solche geschuldet sei. Wenn ihm die Arbeit nicht passe, könne er ja kündigen bzw. Schadensersatz verlangen.

Erfolgte die Entgeltkürzung durch E zu Recht?

A) Sounds

1. Verpflichtet sich der Unternehmer, eine bestimmte Fläche von Schnee- und Eisglätte freizuhalten, ist Werkvertragsrecht anwendbar.

2. Eine solche Leistung ist grundsätzlich nicht abnahmebedürftig, sodass es gerechtfertigt ist, das Mängelrecht der §§ 634 ff. BGB anzuwenden, wenn der Unternehmer die Leistung in Erfüllung seiner gesamten Verbindlichkeit erbracht hat.

B) Problemaufriss

Kernproblem der Entscheidung ist die Abgrenzung zwischen Dienst- und Werkvertrag. Fallentscheidend ist die Abgrenzung deshalb, weil es im Dienstvertragsrecht keine Regelungen zur Mängelhaftung gibt. Zwar ist selbstverständlich auch denkbar, dass eine Dienstleistung schlecht bzw. mangelhaft erbracht wird. Der Gläubiger kann in solchen Fällen entweder den Vertrag kündigen (ggf. -- bei entsprechender Intensität -- sogar außerordentlich aus wichtigem Grund gem. § 626 BGB) oder aber die Rechte geltend machen, welche im Schuldrecht AT für den Fall einer Pflichtverletzung vorgesehen sind. Eine Kürzung des Entgelts durch Minderung ist jedoch im Schuldrecht AT nicht vorgesehen; es handelt sich insoweit um ein spezielles Mängelrecht, welches aber den Regelungen des Schuldrecht BT vorbehalten ist (vgl. §§ 441, 638, 536, 651d BGB), im Dienstvertragsrecht aber eben nicht vorhanden ist.

Nach Schuldrecht AT stünde also dem Gläubiger der Dienstleistung im Falle der Schlechtleistung allenfalls ein Anspruch auf Schadensersatz zu.

Bsp.: Anwalt A wird von B mit der Geltendmachung eines Anspruchs gegen C betraut. Anwalt A erhebt die Klage vor einem unzuständigen Gericht, weshalb sie abgewiesen wird. Daraufhin kündigt B dem A das Mandat und wendet sich an Anwalt D, welcher den Anspruch erneut, jetzt aber erfolgreich, geltend macht. B verlangt von A Bezahlung des Anwaltshonorars für D sowie die Begleichung der durch den Erstprozess verursachten Kosten.

Bei der Beauftragung eines Anwalts handelt es sich um einen Geschäftsbesorgungsvertrag in Form des Dienstvertrags, §§ 675 I, 611 ff. BGB. Der Anwalt schuldet keinen Erfolg, sondern nur das fachgerechte Bemühen um die Geltendmachung der Rechte des Mandanten.

Die Erhebung der Klage vor einem unzuständigen Gericht stellt eine Schlechtleistung und damit eine Pflichtverletzung i.S.d. § 280 I BGB dar. Eine Exkulpation gelingt dem A nicht.

Fraglich ist, ob die Schäden des B allein über § 280 I BGB, oder nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des Schadensersatzes statt der Leistung ersetzt werden (§ 280 III BGB).

Bei den Kosten des Erstprozesses handelt es sich um einen klassischen Begleitschaden. Der B hat hier ein kumulatives Interesse. Er möchte die ordnungsgemäße Leistung und Schadensersatz und nicht nur Ersatz anstelle der Leistung.

Im Hinblick auf die Beauftragung des neuen Anwalts handelt es sich um ein Deckungsgeschäft, etwaige Mehrkosten werden nur unter den Voraussetzungen des Schadensersatzes statt der Leistung ersetzt.1 Gerade deshalb, weil der Anspruch des A nicht (auf Null) gemindert ist, weil es im Dienstvertragsrecht kein Recht zur Minderung gibt, muss B zwei Anwälte bezahlen.

Der Ersatzanspruch richtet sich hier also nach §§ 280 I, III, 281 BGB, weil die Leistungserbringung noch möglich war. Zwar hat B keine Frist gesetzt, jedoch ist dies aufgrund der Zerstörung des Vertrauensverhältnisses zwischen Anwalt und Mandant gem. § 281 II Alt. 2 BGB entbehrlich. Aus demselben Grund durfte sich B auch zur Beauftragung des D herausgefordert fühlen, so dass ein kausaler Schaden gegeben ist.

Im vorliegenden Fall kann E den Vergütungsanspruch des W also allenfalls dann kürzen, wenn es sich bei dem abgeschlossenen Vertrag um einen Werkvertrag handelt. Hier besteht -- bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen -- ein Minderungsrecht gem. §§ 634 Nr. 3, 638 BGB.

C) Lösung

Zu prüfen ist, ob die Kürzung der Vergütung zu Recht erfolgte. Das ist dann der Fall, wenn dem E gegenüber W ein Minderungsrecht zustand.

I. Minderungsrecht gem. §§ 634 Nr. 3, 638 BGB

Ein Minderungsrecht könnte dem E gegenüber W gem. §§ 634 Nr. 3, 638 BGB zustehen.

Voraussetzungen des Minderungsrechts nach §§ 634 Nr. 3, 638 BGB

(1) Vorliegen eines Werkvertrags

(2) Vorliegen eines Mangels i.S.v. § 633 BGB zum Zeitpunkt der Abnahme

(3) Ablauf einer gesetzten Frist bzw. Entbehrlichkeit der Fristsetzung

(4) Kein Haftungsausschluss i.S.v. § 639 BGB

(5) Kein Ausschluss gemäß § 635 III BGB oder § 640 II BGB

(6) Keine Unwirksamkeit gem. §§ 638 I, 634a IV S. 1, 218 BGB

(7) Zugang einer Minderungserklärung

1. Werkvertrag

Zwischen E und W müsste ein Werkvertrag zustande gekommen sein. Die Willenserklärungen von W und E sind mangels abweichender Angaben im Sachverhalt wirksam. Fraglich ist jedoch, ob diese Willenserklärungen auch auf den Abschluss eines Werkvertrags gerichtet waren. Möglicherweise wollten E und W vielmehr einen Dienstvertrag schließen, bei welchem eine Entgeltkürzung mangels entsprechender Minderungsregelungen von vorneherein nicht in Betracht kommt (vgl. Problemaufriss).

hemmer-Methode: Es gibt also Klausuren, in denen die Abgrenzung zwischen Dienst- und Werkvertrag fallentscheidend ist. Dann hat eine entsprechend ausführliche Auseinandersetzung mit der Problematik stattzufinden. Das muss aber nicht immer so sein. Hätte z.B. W den E im Rahmen der Räumarbeiten verletzt, könnte E von W Schadensersatz gem. § 280 I BGB wegen Pflichtverletzung gem. § 241 II BGB verlangen, gleich ob es sich um einen Dienst- oder Werkvertrag handelt. Auch wenn die Abgrenzung dann nicht fallentscheidend ist, sollten Sie in der Klausur die Diskussion zumindest führen. Zulässig wäre es dann allerdings -- anders als im vorliegenden Fall --, den Streit im Ergebnis (!) dahinstehen zu lassen.

LG Berlin: Dienstvertrag

Nach Ansicht der Vorinstanz (LG Berlin) handelt es sich bei dem zwischen E und W geschlossenen Vertrag um einen Geschäftsbesorgungsvertrag mit überwiegend dienstvertraglichem Charakter.2

Zwar schulde W in gewisser Weise einen Erfolg, nämlich an entsprechenden Tagen ein den Anforderungen des Straßenreinigungsgesetzes entsprechendes Räumergebnis vorzulegen. Wie dieses hergestellt und wann sie tätig werde, liege aber allein in der Hand der W. Entscheidend sei, dass sie die Verkehrssicherungspflicht des E übernommen habe. Sie schulde vor allem die Überwachung der Wetterlage und der vereinbarten Flächen. Hinzu komme, dass die Vergütung auch dann geschuldet sei, wenn kein Winterdienst notwendig werde.

BGH: Winterdienstvertrag ist Werkvertrag

Der BGH geht demgegenüber davon aus, dass es sich bei dem vorliegenden Winterdienstvertrag um einen Werkvertrag handelt.

Gemäß § 631 II BGB kann Gegenstand eines Werkvertrags auch ein durch Arbeit oder Dienstleistung herbeizuführender Erfolg sein. Für die Abgrenzung von Dienst- und Werkvertrag ist der im Vertrag zum Ausdruck kommende Wille der Parteien maßgebend. Es kommt darauf an, ob eine Dienstleistung als solche oder als Arbeitsergebnis deren Erfolg geschuldet wird.3

Nach der getroffenen Vereinbarung hatte W - unter Übernahme der Pflichten des Straßenreinigungsgesetzes - die vereinbarten Flächen von Schnee- und Eisglätte „freizuhalten". W schuldete danach ein bestimmtes Arbeitsergebnis. Es kam den Vertragsparteien darauf an, dass die vereinbarten Flächen in der Wintersaison gefahrlos benutzt werden konnten. Vertragsgegenstand war die erfolgreiche Bekämpfung von Schnee- und Eisglätte.

Das Berufungsgericht hat als entscheidend angesehen, dass W auch die Verkehrssicherungspflicht des E übernommen hat. Um dem nachzukommen, so meinte das Berufungsgericht, schulde W vor allem die Überwachung der Wetterlage und vereinbarten Fläche, sodass der Vertrag überwiegend dienstvertraglichen Charakter habe.4

Diese Sichtweise entspricht nach überzeugender Ansicht des BGH nicht der Interessenlage der Parteien. Die Übernahme der Verkehrssicherungspflicht ändert nichts an der Rechtsnatur des Vertrags. Diese wird maßgeblich durch den Werkerfolg geprägt, der darin besteht, dass die Gefahrenquelle beseitigt wird.

Wetterbeobachtungen und -prognosen dienen lediglich dazu, den Zeitpunkt zu bestimmen, zu dem ein Winterdienst notwendig ist.

Das Berufungsgericht hat weiter gemeint, es spreche gegen einen Werkvertrag, dass eine Vergütung auch dann geschuldet sein solle, wenn witterungsbedingt kein Winterdienst notwendig wird. Das überzeugt nicht. Ein Werkvertrag liegt auch dann vor, wenn die Leistung des Unternehmers nur unter bestimmten Umständen zu erbringen ist. Der Einordnung eines sogenannten Winterdienstvertrags als Werkvertrag steht auch nicht entgegen, dass der Auftraggeber ein pauschales, nach Zeitabschnitten bemessenes Entgelt zu entrichten hat. Ebenso wenig ist entscheidend, dass der Vertrag auf eine bestimmte Zeitdauer angelegt ist und somit Züge eines Dauerschuldverhältnisses aufweist. Angesichts des auf einen Erfolg bezogenen Vertragszwecks kommt diesen Umständen kein entscheidendes Gewicht zu. Im Ergebnis ist daher vom Vorliegen eines Werkvertrags zwischen W und E auszugehen.

2. Mangel bei Abnahme

Die Werkleistung müsste von W (teilweise) schlecht erbracht worden sein. Laut Sachverhalt wurden die vertraglich betroffenen Flächen nicht immer dergestalt geräumt, dass der geschuldete Erfolg erreicht wurde. Sofern man vorliegend nicht bereits davon ausgeht, dass ein „Freiräumen" vereinbart wurde, und daher ein Mangel im Sinne des § 633 II S. 1 BGB vorliegt, ist die Leistung jedenfalls mangelhaft i.S.d. § 633 II S. 2 Nr. 2 BGB, weil bei objektiver Betrachtung ein Freiräumen der Flächen erwartet werden kann.

Dieser Mangel müsste grundsätzlich bei Abnahme des Werkes vorgelegen haben. Diese Voraussetzung lässt sich zwar nicht unmittelbar dem Wortlaut des § 633 II BGB entnehmen. Es ergibt sich jedoch aus einem Umkehrschluss zu § 644 I S. 1 BGB, denn die Gefahr der (zufälligen) Verschlechterung geht mit Abnahme des Werkes auf den Besteller über.

hemmer-Methode: Die Anwendbarkeit des werkvertraglichen Mängelrechts setzt also nicht nur das Vorliegen eines Mangels voraus, sondern auch, dass dieser bei Abnahme vorgelegen hat. Kommt es nicht zur Abnahme, müsste auch im Werkvertragsrecht die Schlechtleistung mit den Regelungen des Schuldrecht AT behandelt werden. Dies würde bedeuten, dass eine Minderung wiederum nicht in Betracht käme, weil dieses Recht im Schuldrecht AT nicht vorgesehen ist. Dabei handelt es sich jedoch nicht um eine Besonderheit des Werkvertragsrechts. Vielmehr ist dies auch im Kaufrecht so, wenn die Übergabe (noch) nicht stattgefunden hat, und im Mietrecht, wenn die Überlassung der Mietsache noch nicht stattgefunden hat, § 536 I S. 1 BGB. Allein im Reisevertragsrecht entspricht es ganz h.M., dass die besonderen Regelungen über die Schlechtleistung bereits ab Vertragsschluss zur Anwendung kommen sollen.

Fraglich ist, ob vorliegend überhaupt eine Abnahme stattgefunden hat.

Eine Abnahme des von W geschuldeten Winterdienstes scheidet vorliegend jedoch bereits seiner Natur nach aus, vgl. auch § 646 BGB. Sinn und Zweck des Winterdienstvertrags ist es, dass der Auftragnehmer den Winterdienst versieht, ohne dass der Auftraggeber jedes Einsatzergebnis billigen soll. Der Auftraggeber soll gerade davon freigestellt werden, seinerseits die Witterung im Blick zu behalten und bei Schneefall bzw. Eisglätte am Ort der Winterdienstleistung zu erscheinen. Auch zum Ende der vereinbarten Wintersaison ist das Werk nicht mehr abnahmebedürftig. An einer Abnahme zu diesem Zeitpunkt besteht für den Auftraggeber kein Interesse mehr. Denn er kann die Leistung nicht mehr mit dem Ziel als nicht vertragsgerecht zurückweisen, dass eine ordnungsgemäße Erfüllung nachgeholt wird.

Fraglich ist, welche Konsequenz sich daraus ergibt. Nach überzeugender Ansicht steht dieser Umstand der Anwendung des werkvertraglichen Mängelrechts im vorliegenden Fall nicht entgegen.

In den Fällen, in denen die Abnahme nach der Natur der Sache ausgeschlossen ist und der Unternehmer die Leistung in Erfüllung seiner gesamten Verbindlichkeit erbracht hat, ist es gerechtfertigt, das Mängelrecht der §§ 634 ff. BGB anzuwenden, wenn die Leistung unvollständig ist.5

3. Fristsetzungserfordernis?

Da der Besteller gemäß §§ 634 Nr. 3 Alt. 2, 638 I S. 1 BGB mindern darf „statt zurückzutreten", muss er dem Unternehmer im Regelfall eine Nachfrist zur Nacherfüllung setzen. Dies lässt sich dem Sachverhalt jedoch nicht entnehmen.

Eine Fristsetzung zur Nacherfüllung wegen unzureichender Schnee- oder Glättebeseitigung war hier jedoch gemäß § 323 II Nr. 3 BGB unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der Vertragsparteien aufgrund besonderer Umstände entbehrlich. Für E stand im Vordergrund, dass W bei Bedarf unverzüglich tätig wird. Angesichts des mit einer Nachfristsetzung notwendigerweise verbundenen Zeitverlusts ist es dem Auftraggeber nicht zuzumuten, dem Auftragnehmer zunächst eine wenn auch kurze Nachfrist zu setzen, weil in diesem Zeitraum nicht hinnehmbare Gefahren für die Gesundheit von Anwohnern, Besuchern und anderen Verkehrsteilnehmern entstehen können. Dies ist dem Auftragnehmer auch bewusst. Im Übrigen würde die Gefahr bestehen, dass der Vertragszweck nicht erreicht werden könnte. Denn dieser besteht ja -- wie bereits ausgeführt -- gerade darin, dass E von der Erledigung der Winterdienstarbeiten befreit wird. Eine Frist könnte er aber nur setzen, wenn er an jedem Tag mit winterlicher Witterung die Flächen kontrolliert, um W dann ggfs. anzuhalten, nachzubessern. Das ist ersichtlich nicht gewollt.

4. Sonstige Voraussetzungen

Im Übrigen ist vom Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen des Minderungsrechts auszugehen. Insbesondere wurde die Haftung zwischen den Parteien nicht ausgeschlossen.

Mit dem Einbehalten entsprechender Beträge hat E auch zumindest konkludent die Minderung gegenüber W erklärt, so dass die gestaltende Wirkung der Herabsetzung des Werklohnes eingetreten ist. Zur relevanten Höhe der Minderung kann und muss vorliegend nicht weitergehend Stellung bezogen werden.

II. Ergebnis

Nach alledem stand E ein Minderungsrecht zu, von welchem er wirksam Gebrauch gemacht hat. Das Einbehalten eines Teils der Vergütung erfolgte daher zu Recht.

D) Kommentar

(cda). Eine grundsätzlich überzeugende Entscheidung des BGH, die mustergültig verdeutlicht, wie privatautonom getroffene Vereinbarungen der Parteien ausgelegt werden. Das ist ein Aspekt, der vielen Studenten Schwierigkeiten bereitet. Dabei geht es „nur" darum, den wirklichen Parteiwillen zu erforschen und diesen einem Vertragstyp zuzuordnen. Dabei ist man grundsätzlich nicht gezwungen, eine Zuordnung zu den Typen des BGB vorzunehmen, weil die Privatautonomie auch erlaubt, typengemischte Verträge zu schließen (was auch hier grundsätzlich vertretbar gewesen wäre). Dann müsste für den Fall der Schlechtleistung geprüft werden, welcher Vertragsbestandteil betroffen ist, was letztlich zur selben Prüfung führen könnte, wie sie oben vorgenommen wurde.

E) Background

Eine interessante Folgefrage kann sich ergeben, wenn aufgrund des mangelhaften Räumens ein Passant ausrutscht und dabei Verletzungen erleidet. Grundsätzlich besteht der Anspruch auf Schadensersatz dann gegen den Verkehrssicherungspflichtigen, welcher im Innenverhältnis zu dem Beauftragten dann Freistellung verlangen könnte.

Der BGH hatte jüngst einen Fall zu entscheiden, wo es darum ging, ob bzw. in welchem Umfang sich der Verletzte gem. § 254 I BGB entgegenhalten lassen muss, selbst für den Unfall mitverantwortlich zu sein, wenn erkennbar ist, dass ein Weg nicht ordnungsgemäß geräumt ist.

Das OLG Hamm hatte als Vorinstanz entscheiden, dass einem Fußgänger, der die erhebliche Gefahr erkenne, die bei nicht geräumten Wegen bestehe, ein so großer Vorwurf zu machen sei, dass der Anspruch gem. § 254 I BGB bis auf Null zu kürzen sei.

Dem ist der BGH zu Recht entgegengetreten:6 Allein der Umstand, dass der Geschädigte vor Schadenseintritt die bestehende Gefahrenlage erkannt hat, begründet nicht einen solchen Verursachungsanteil, dem gegenüber der Verursachungsbeitrag des die Gefahr durch eine Pflichtverletzung begründenden Schädigers stets zurücktreten oder auch nur weniger schwer wiegen müsste. Zwar ist der Grad der vom Geschädigten erkannten Gefahr in die Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge einzubeziehen. Indes führt dies nicht stets und automatisch dazu, dass die Gefahrverursachung vollständig in den Hintergrund tritt. Andernfalls führte dies zu dem nicht hinnehmbaren Ergebnis, dass bei einer besonders deutlichen Gefahrenlage, der der Geschädigte nicht ausweichen kann, und einer in solchen Fällen nicht selten besonders schwerwiegenden Verletzung der Räum- und Streupflicht die Pflichtverletzung folgenlos bliebe.

Anmerkung: Anders formuliert: Das Urteil des OLG Hamm würde den Verkehrssicherungspflichtigen dazu animieren, besonders schlecht bzw. gar nicht zu streuen. Dann nämlich wäre die Gefahr besonders erkennbar, und ein Geschädigter müsste sich entgegenhalten lassen, doch besser zu Hause zu bleiben; andernfalls käme es zu einer vollständigen Anspruchskürzung.

Die haftungsrechtliche Gesamtverantwortung für das Unfallereignis würde auf den Geschädigten verlagert, obwohl der Verkehrssicherungspflichtige eine maßgebliche Ursache für das Schadensereignis gesetzt hat.

Auch das „Argument" des OLG Hamm, der Geschädigte habe im konkreten Fall nichts Wichtiges zu erledigen gehabt, sodass er auch auf das Begehen der Straße hätte verzichten können, kann nach zutreffender Ansicht des BGH allenfalls in die Gesamtabwägung einfließen, ist aber nicht geeignet, den Anspruch vollständig entfallen zu lassen.

F) Zur Vertiefung

  • Mängelhaftung im Werkvertragsrecht

Hemmer/Wüst, Schuldrecht BT I,7 Rn. 509 ff.

G) Wiederholungsfragen

1. Warum ist ein Winterdienstvertrag grundsätzlich als Werkvertrag einzustufen?

2. Warum ist eine Fristsetzung im Hinblick auf eine Minderung des Werklohnes in diesen Fällen entbehrlich?


  1. Vgl. Sie dazu und zur generellen Abgrenzung des Schadensersatzes statt und neben der Leistung die Entscheidung des BGH in diesem Heft.

  2. LG Berlin, Urteil vom 27.04.2012, Az.: 50 S 53/11

  3. BGHZ 151, 330, 332 f.

  4. So wurde das auch von einigen anderen Gerichten entschieden, vgl. etwa LG Hamburg, WuM 1989, 622 ff.

  5. Palandt, § 633 BGB, Rn. 8.

  6. BGH, Urteil vom 20.06.2013; AZ III ZR 326/12

  7. Ehemals „Schuldrecht II".