Herstellerverschulden kann Verkäufer nicht zugerechnet werden; Kosten des Sachverständigen zur Mangelermittlung sind aber auch ohne Verschulden nach § 439 II BGB ersatzfähig

BGH, Urteil vom 02.04.2014, VIII ZR 46/13 sowie BGH, Urteil vom 30.04.2014, VIII 275/13

von Life and Law am 01.07.2014

+++ Mängelrecht +++ Widerlegung des Vertretenmüssens +++ Keine Zurechnung des Verschuldens des Herstellers +++ Verschuldensunabhängiger Kostenerstattungsanspruch, §§ 437 Nr. 1, 280 I, 278 BGB +++ § 439 II BGB +++

Sachverhalt (abgewandelt und verkürzt): K kaufte im Jahr 2009 von V Massivholzfertigparkett des Herstellers H.

Nach dem Verlegen in der Wohnung des K traten an dem Parkett Verwölbungen und ein Schrumpfen in den Randbereichen auf. Die von K erhobene Mängelrüge wies V zurück, weil die Veränderungen nach dessen Einschätzung auf einer zu geringen Raumfeuchte beruhten.

K beauftragte daraufhin einen Sachverständigen mit der Begutachtung der Mangelerscheinungen und wandte dafür 1.200,- € an Sachverständigenhonorar auf. Der Gutachter kam zu dem -- zwischenzeitlich unstreitigen -- Ergebnis, dass die Verwölbungen und Schrumpfungen auf einer von H verschuldeten mangelhaften Herstellung des Parketts beruhten. Die Mängel waren für V aber nicht erkennbar gewesen.

K minderte daraufhin den Kaufpreis um 30 %. Der zu viel gezahlte Kaufpreis wurde dem K von V auch erstattet.

Kann K von V zusätzlich Ersatz der Sachverständigenkosten i.H.v. 1.200,- € verlangen?

A) Sounds

1. Beim Kaufvertrag ist der vom Verkäufer eingeschaltete Hersteller der Kaufsache nicht Erfüllungsgehilfe des Verkäufers.

2. § 439 II BGB erfasst verschuldensunabhängig auch Sachverständigenkosten, die einem Käufer entstehen, um die Ursache der Mangelerscheinungen des Kaufgegenstandes aufzufinden und auf diese Weise zur Vorbereitung eines die Nacherfüllung einschließenden Gewährleistungsanspruchs die Verantwortlichkeit für den Mangel zu klären.

3. Stehen der Mangel und die Mangelverantwortlichkeit des Verkäufers fest, besteht der Erstattungsanspruch für die „zum Zwecke der Nacherfüllung" aufgewandten Sachverständigenkosten auch dann fort, wenn der Käufer später zur Minderung übergeht.

B) Problemaufriss

Die nun folgende Besprechung fasst gleich zwei wichtige Entscheidungen des BGH zum kaufrechtlichen Mängelrecht zusammen.

In dem Urteil vom 02.04.2014 hat sich der BGH u.a. mit der Frage befasst, ob sich der Verkäufer ein Verschulden des Herstellers zurechnen lassen muss. Dies lehnt der BGH beim Kaufvertrag ab. Gleiches soll nach Ansicht des BGH beim Werklieferungsvertrag nach § 651 S. 1 BGB gelten (vgl. dazu den hemmer-background im Anschluss an diese Entscheidung).

Anmerkung: In dieser Entscheidung hat sich der BGH auch erneut mit der Reichweite der Nacherfüllung befasst. Beim Verbrauchsgüterkauf steht dem Käufer nicht nur ein Anspruch auf Lieferung einer mangelfreien Sache, sondern auch auf Ausbau der eingebauten mangelhaften Sache zu. Dies folgt aus einer europarechtskonformen Auslegung der Nachlieferung im Lichte der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie, die von Ersatzlieferung spricht. „Ersatz" beinhaltet aber auch ein Austauschelement, welches den Verkäufer eben auch zum Ausbau verpflichtet.

Außerdem kann der Käufer auch den Einbau der mangelfrei nachgelieferten Sache verlangen, da die Richtlinie die Unentgeltlichkeit der Nacherfüllung vorschreibt. Da dies von einer am Wortlaut orientierten Auslegung nicht mehr gedeckt ist, arbeitet der BGH hier mit einer richtlinienkonformen Rechtsfortbildung.1

Außerhalb des Verbrauchsgüterkaufs steht dem unternehmerischen Käufer lediglich ein Anspruch auf Lieferung einer mangelfreien Sache zu, aber nicht der Anspruch auf Ausbau der mangelhaften und auf Einbau der mangelfrei nachgelieferten Sache.2 Die Kosten hierfür kann der Käufer lediglich unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes neben der Leistung verlangen (§§ 437 Nr. 3, 280 I BGB), welcher häufig an der Widerlegung des vermuteten Vertretenmüssens des Verkäufers scheitern wird, wenn dieser den Mangel nicht erkennen musste.

Diese Rechtsprechung bestätigt der BGH in seiner Entscheidung vom 02.04.2014 erneut. Da diese Problematik aber bereits ausführlich in der Life & Law behandelt wurde und das Urteil diesbezüglich nichts Neues bringt, haben wir uns auf eine kurze Zusammenfassung in dieser Anmerkung beschränkt. Lesen Sie daher die angegebenen Life & Law-Fundstellen nach, wenn Sie sich in diesem Bereich noch nicht sicher fühlen!

Im Urteil vom 30.04.2014 befasst sich der BGH mit der Frage, ob ein Verkäufer, der die mangelhafte Lieferung einer Sache nicht zu vertreten hat, auch verschuldensunabhängig zum Ersatz der Kosten verpflichtet ist, die dem Käufer zur Aufklärung der Ursachen für die Mangelhaftigkeit entstanden sind. Der BGH bejaht diese Frage und gewährt dem Käufer einen Anspruch unmittelbar aus § 439 II BGB.

Für die Life & Law wurden diese beiden wichtigen Entscheidungen examenstypisch zu einem großen Fall „zusammengebastelt".

Doch nun der Reihe nach!

C) Lösung

Nachdem dem K der Minderungsbetrag bereits erstattet wurde, stellt sich nur noch die Frage, ob dem K gegen V auch ein Anspruch auf Ersatz der Sachverständigenkosten i.H.v. 1.200,- € zusteht.

I. Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung gem. §§ 437 Nr. 3, 280 I, III, 281 BGB

Die dem K entstandenen Sachverständigenkosten wären als Schaden statt der Leistung ersatzfähig, wenn die Voraussetzungen der §§ 437 Nr. 3, 280 I, III, 281 BGB vorliegen.

1. Der dem K gelieferte Parkettboden war mangelhaft i.S.d. § 434 I S. 2 Nr. 2 BGB, da ein Parkettboden, der nach dem Verlegen Verwölbungen und Schrumpfungen zeigt, keine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist.

2. Fraglich ist, ob es sich um einen Posten des Schadensersatzes neben oder statt der Leistung handelt. In letzterem Falle hätte K zuvor dem V erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung setzen müssen, wenn diese nicht gem. § 281 II BGB entbehrlich gewesen wäre.

Aus dem Sinn und Zweck der Nacherfüllungsfrist als zweite Chance des Verkäufers ergibt sich als grundsätzliches Abgrenzungskriterium, dass alle Schadensposten, die durch eine ordnungsgemäße hypothetische Nacherfüllung entfallen, dem Schadensersatz statt der Leistung zuzuordnen sind.

Die Kontrollfrage lautet daher, ob Nacherfüllung und Schadensersatz nebeneinander denkbar sind (dann Schadensersatz neben der Leistung), oder ob sich Nacherfüllung und Schaden gegenseitig ausschließen (dann Schadensersatz statt der Leistung).

Bei den Kosten des Sachverständigen handelt es sich um eine Position, die durch eine hypothetische Nacherfüllung nicht entfallen würde. Die Kosten sind vielmehr endgültig entstanden, sodass diese nicht vom Schadensersatz statt der Leistung erfasst sind.

II. Anspruch auf Schadensersatz neben der Leistung gem. §§ 437 Nr. 3, 280 I BGB

Fraglich ist, ob die Kosten als Schadensersatz neben der Leistung ersatzfähig sind.

Dies wäre zu verneinen, wenn der Verkäufer die Lieferung des mangelhaften Parkettbodens nicht zu vertreten hätte, ihm also die Widerlegung des vermuteten Vertretenmüssens gelingen würde, § 280 I S. 2 BGB.

1. Kein eigenes Verschulden des V

Laut Sachverhalt war der herstellerbedingte Mangel des Parkettbodens für K nicht erkennbar.

Damit kann V nachweisen, dass seine Unkenntnis nicht auf Fahrlässigkeit beruht.

Eine Widerlegung des vermuteten Vertretenmüssens würde dem V aber dann nicht gelingen, wenn er eine Garantie für die Beschaffenheit übernommen und er damit die mangelhafte Lieferung in jedem Fall zu vertreten hätte, vgl. § 276 I S. 1 BGB a.E.

Um eine solche verschuldensunabhängige Einstandspflicht im Wege der Auslegung (§§ 133, 157 BGB) annehmen zu können, müsste V zu erkennen gegeben haben, dass er für die Mangelfreiheit seiner Leistung verschuldensunabhängig haften will.

Da es an einer solchen Vereinbarung fehlt, könnte sich eine verschuldensunabhängige Ersatzpflicht nur aus dem Umstand ergeben, dass ursprünglich eine Gattungsschuld vorlag. Mit Abschluss eines Gattungskaufs erklärt der Verkäufer aber allenfalls eine Garantie, aus der Gattung leisten zu können. Damit geht aber nicht zugleich die Garantie einher, dass die gesamte Gattung als solche bestimmte Qualitäten aufweist.

Nach absolut h.M. gehört zum Beschaffungsrisiko also nur die Verschaffung der Sache selbst. Eine verschuldensunabhängige Haftung für mangelhafte Lieferungen -- also die Beschaffenheit -- wird damit nicht begründet.3

Anmerkung: Der BGH hat diese Frage in seiner Entscheidung gar nicht erwähnt. In einer Klausur würde dies von Ihnen auch nicht zwingend erwartet. Wenn Sie diesen Punkt aber kurz abhaken, wird dies sicher positiv bewertet.

2. Problem: Zurechnung des Herstellerverschuldens

Eine Widerlegung des Vertretenmüssens würde dem V aber dann nicht gelingen, wenn ihm das Verschulden des Herstellers H gem. § 278 S. 1 Alt. 2 BGB zugerechnet werden könnte.

Dies wäre dann der Fall, wenn H als Erfüllungsgehilfe mit dessen Wissen und Wollen des V in dessen Pflichtenkreis gegenüber K tätig geworden ist.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH ist der Vorlieferant des Verkäufers nicht dessen Gehilfe bei der Erfüllung der Verkäuferpflichten gegenüber dem Käufer; ebenso ist auch der Hersteller der Kaufsache nicht Erfüllungsgehilfe des Händlers, der die Sache an seine Kunden verkauft.4

Der in der Literatur teilweise vertretenen Auffassung, die Rechtsprechung des BGH stehe nicht im Einklang mit der seit der Schuldrechtsreform in § 433 I S. 2 BGB geregelten Pflicht des Verkäufers zur Lieferung einer mangelfreien Sache, kann nicht gefolgt werden.5 Nach dieser Vorschrift ist der Verkäufer lediglich zur Verschaffung einer mangelfreien Sache verpflichtet, aber nicht zur Herstellung.

Anmerkung: In der Gesetzesbegründung zu § 433 BGB wird auf die bisherige Rechtsprechung des BGH zu § 278 BGB Bezug genommen und deren Fortgeltung zum Ausdruck gebracht.6 Dort heißt es:

„Die Verpflichtung des Verkäufers, dem Käufer die Sache frei von Sachmängeln zu verschaffen, führt nicht zu einer unangemessenen Verschärfung der Haftung des Verkäufers. .... Die Verpflichtung zur mangelfreien Verschaffung der Sache führt auch nicht etwa auf dem Umweg über die Gehilfenhaftung zu einer grundlegenden Ausweitung von Schadensersatzpflichten des Verkäufers. Eine solche Ausweitung ergäbe sich, wenn der Warenhersteller Erfüllungsgehilfe des Verkäufers wäre. Die Verpflichtung zur mangelfreien Lieferung hat jedoch nicht diese Rechtsfolge. Die Verpflichtung des Verkäufers soll sich auf die mangelfreie Verschaffung der Sache beschränken, soll hingegen nicht die Herstellung der Sache umfassen. Bei der Erfüllung der Verschaffungspflicht bedient sich der Verkäufer nicht des Herstellers, die Herstellung der Sache ist nicht in den Pflichtenkreis des Verkäufers einbezogen. Der Warenhersteller ist deshalb ebenso wenig Erfüllungsgehilfe des Verkäufers, wie nach bisherigem Recht der Hersteller von Baumaterialien Erfüllungsgehilfe des Werkunternehmers ist, der solche Materialien bei der Herstellung des geschuldeten Werks verwendet (BGH, NJW 1978, 1157)."

3. Zwischenergebnis

Mangels Vertretenmüssens scheidet ein Anspruch des K gegen V auf Ersatz der Sachverständigenkosten nach §§ 437 Nr. 3, 280 I BGB aus.

III. Verschuldensunabhängiger Anspruch auf Ersatz gem. § 439 II BGB

Die Kosten könnten aber gem. § 439 II BGB ersatzfähig sein.

§ 439 II BGB bestimmt, dass der Verkäufer die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Kosten, insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten zu tragen hat. Ob und unter welchen Voraussetzungen darunter auch Kosten fallen, die der Käufer durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Feststellung des Vorliegens eines Mangels aufwendet, hat der BGH bislang noch nicht entschieden.

Anmerkung: Der BGH hat in anderem Zusammenhang bislang lediglich ausgesprochen, dass es sich hierbei um eine Kostentragungsregelung mit Anspruchscharakter handelt, welche die von Art. 3 III S. 1, IV der Richtlinie geforderte Unentgeltlichkeit der Nacherfüllung gewährleisten soll, dabei aber keine Rückschlüsse auf sonstige Rechte und Pflichten der Kaufvertragsparteien zulässt. So folgt aus der Pflicht, die Transportkosten zu tragen, nicht zugleich, dass der Verkäufer auch den Transport schuldet, vgl. auch § 269 II BGB. Damit enthält § 439 II BGB auch keine Aussage darüber, dass der Leistungsort für die Nacherfüllung der Wohnsitz des Verkäufers ist.7

1. Meinungsstand in der Literatur

Im Schrifttum ist umstritten, ob zu den zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Kosten, die § 439 II BGB zu Gunsten des Käufers ersatzfähig stellt, auch Aufwendungen zählen, die nötig sind, um die Ursache der Mangel­erscheinungen aufzufinden und auf diese Weise zur Vorbereitung eines die Nacherfüllung einschließenden Gewährleistungsanspruchs die Verantwortlichkeit für den Mangel zu klären.

a) Teilweise wird angenommen, dass § 439 II BGB keine Anspruchsgrundlage bilde für Aufwendungen des Käufers, die lediglich der Vorbereitung von Gewährleistungsansprüchen dienten; derartige Aufwendungen seien, da sie mit der Behebung des Mangels nicht zusammenhingen, nur auf der Grundlage von § 280 I BGB ersatzfähig.8

Dessen Voraussetzungen liegen aber im vorliegenden Fall gerade nicht vor (s.o.).

b) Überwiegend wird jedoch die Auffassung vertreten, dass unter § 439 II BGB auch Aufwendungen zur Klärung einer unklaren Mängelursache fielen, weil das damit verbundene Kostenrisiko grundsätzlich dem Verkäufer zugewiesen sei.9

2. Ansicht des BGH

Der BGH folgt der zuletzt genannten Ansicht, wonach § 439 II BGB einen Anspruch auf Ersatz der Kosten zur Mangelermittlung gewährt.

a) § 439 II BGB stellt eine eigenständige Anspruchsgrundlage dar.10

Der Wortlaut lässt es ohne weiteres zu, darunter auch die zur Klärung der Mangelursache erforderlichen Sachverständigenkosten zu fassen. Denn letztere werden mit der Zielrichtung, dem Käufer die Durchsetzung eines daran anknüpfenden Nacherfüllungsanspruchs zu ermöglichen, und damit „zum Zwecke der Nacherfüllung" aufgewandt.

b) Dieses Verständnis als Anspruchsgrundlage für die Kosten zur Klärung der Mangelursache spiegelt sich bereits in der Entstehungsgeschichte der Norm wider.

Denn es war die Absicht des Gesetzgebers, mit Schaffung des § 439 II BGB den auf das vereinbarte Nachbesserungsrecht bezogenen, ansonsten aber weitgehend wortlautidentischen bisherigen § 476a S. 1 BGB a.F. zu übernehmen und darin aufgehen zu lassen.11

Für diesen war durch die höchstrichterliche Rechtsprechung des BGH geklärt, dass es sich um eine eigenständige, von einem Verschulden des Verkäufers unabhängige Anspruchsgrundlage des Käufers auf Erstattung seiner notwendigen Aufwendungen handelt. Dazu zählen auch Kosten, die für ein die Schadensursache untersuchendes und der Vorbereitung der Nachbesserung dienendes Gutachten aufgewandt werden.12

Dass der Gesetzgeber von dem so geprägten Normverständnis abrücken wollte, ist nicht ersichtlich.

c) Die Literaturansicht, die eine verschuldensunabhängige Haftung für die in § 439 II BGB genannten Aufwendungen verneint und einen Ersatz nur unter dem Gesichtspunkt der Schadensersatzhaftung gem. §§ 437 Nr. 3, 280 I BGB gewährt, verkennt den gegenüber den sonstigen Rechten und Pflichten der Kaufvertragsparteien eigenständigen Anspruchscharakter des § 439 II BGB und die hiermit verbundene Absicht des nationalen deutschen Gesetzgebers, mit dieser Norm die von Art. 3 III S. 1, IV der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie geforderte Unentgeltlichkeit der Nacherfüllung verschuldensunabhängig zu gewährleisten.

hemmer-Methode: Aufgrund der Formulierung „erforderlich" in § 439 II BGB wird man zu fordern haben, dass der Verkäufer den Vorwurf der Mangelhaftigkeit -- wie im vorliegenden Fall -- zuvor zurückgewiesen hat.

3. Kein anderes Ergebnis, wenn K Minderung verlangt

Fraglich ist, ob dem Ersatzanspruch des K aus § 439 II BGB entgegensteht, dass er nach der Erstellung des Privatgutachtens nicht mehr gemäß § 439 I BGB Nacherfüllung verlangt, sondern den Kaufpreis gemäß § 441 BGB gemindert hat.

Der BGH hat nämlich klargestellt, dass die Vorschrift des § 439 II BGB, nach der der Käufer Anspruch auf Übernahme der „zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen" durch den Verkäufer hat, in zeitlicher Hinsicht voraussetzt, dass sich der Vollzug des Kaufvertrags bei Entstehung der Aufwendungen im Stadium der Nacherfüllung gemäß § 439 I BGB befindet.13

Dass der K später Minderung verlangt, ändert aber nach Ansicht des BGH nichts daran, dass die angefallenen Sachverständigenkosten jedenfalls zum Zeitpunkt ihrer für den Ersatzanspruch maßgeblichen Entstehung zumindest auch zum Zwecke der Nacherfüllung als dem anderen Gewährleistungsrechten vorgeschalteten Gewährleistungsrecht aufgewandt worden sind und aus damaliger Sicht zur Klärung der Ursache des Mangels und seiner Zurechnung erforderlich waren.

Ob derartige Aufwendungen anschließend tatsächlich zu einer (erfolgreichen) Nacherfüllung führen, ist für den zuvor bereits wirksam entstandenen Ersatzanspruch ohne Bedeutung.14

III. Ergebnis

K kann von V gem. § 439 II BGB zusätzlich zur bereits erhaltenen Minderung Ersatz der Sachverständigenkosten i.H.v. 1.200,- € verlangen.

D) Kommentar

(mty). Das Ergebnis des BGH erscheint gerecht. Der BGH sagt aber gar nichts zur Frage, wie sich die Vorschrift des § 439 II BGB zu den konkreten Nacherfüllungskosten verhält.

Auch wenn der BGH § 439 II BGB mittlerweile als Anspruchsgrundlage auf Kostenersatz qualifiziert, darf dem Käufer hierüber kein Anspruch auf Ersatz für die Kosten der Mängelbeseitigung gewährt werden.

Denn anderenfalls würde man das Recht zur Selbstvornahme der Mängelbeseitigung bejahen, welches der BGH gerade in gefestigter Rechtsprechung verneint.15

Darauf liefe die Bejahung des § 439 II BGB aber hinaus, wenn K dem V keine Frist zur Nacherfüllung gesetzt hat und diese Fristsetzung auch nicht entbehrlich war.

§ 439 II BGB darf daher nur in den Fällen als Anspruchsgrundlage herangezogen werden, in denen dem Käufer Kosten für Handlungen entstehen, die der Verkäufer im Rahmen der Nacherfüllung nicht geschuldet hat. Dabei kann es eigentlich nur um Kosten für Vorbereitungshandlungen gehen wie z.B. den Transport der Sache zum Verkäufer.

Dazu passt aber wiederum nicht der Wortlaut der Vorschrift, die auch von den Arbeits- und Materialkosten spricht. Würde man diesbezüglich die Vorschrift des § 439 II BGB auch als Anspruchsgrundlage ansehen, dann wäre das Recht zur Selbstvornahme, das es nach Ansicht des BGH wegen des in § 281 I BGB geregelten Fristsetzungserfordernisses nicht geben darf, tatsächlich doch normiert.

Da das Recht zur zweiten Andienung aber nicht leerlaufen darf, kann § 439 II BGB nicht für alle dort genannten Positionen eine Anspruchsgrundlage sein.

Festzuhalten ist, dass die Rechtsprechung des BGH verworren und widersprüchlich und das Gesetz an dieser Stelle schlecht ist. Insbesondere lässt sich auch keine klare Abgrenzung zum verschuldensabhängigen § 280 I BGB mehr vornehmen.

Der deutsche Gesetzgeber wäre nämlich nicht gehindert gewesen, die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie durch die Übernahme der in § 476a S. 1 BGB a.F. vorgefundenen Regelung überschießend umzusetzen, ohne dabei auf gesetzessystematische Grenzen zu stoßen. Denn Art. 8 II der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie hat es - wie in Erwägungsgrund 24 eigens hervorgehoben ist - den Mitgliedstaaten freigestellt, im Anwendungsbereich der Richtlinie strengere Bestimmungen zu erlassen oder aufrechtzuerhalten, um ein höheres Schutzniveau für die Verbraucher sicherzustellen.

Das schließt es ein, den nach bisherigem Recht gemäß § 476a S. 1 BGB a.F. für das vertraglich vereinbarte Nachbesserungsrecht enthaltenen Schutzstandard beizubehalten und auf das gesetzliche Nacherfüllungsrecht gemäß § 439 I BGB auszudehnen.

Es bleibt zu hoffen, dass der Gesetzgeber bald Klarheit schafft.

E) hemmer-background

Wie im Problemaufriss bereits erwähnt, hat der BGH in seinem Urteil vom 02.04.2014 auch entschieden, dass sich der Verkäufer auch beim Werklieferungsvertrag nach § 651 S. 1 BGB ein Verschulden des Herstellers nicht nach § 278 BGB zurechnen lassen muss.

Diese Passage der Urteilsbegründung soll nun im hemmer-background kurz zusammengefasst werden.

Hersteller ist auch im Fall des § 651 S. 1 BGB kein Erfüllungsgehilfe des Verkäufers

1. Mindermeinung in der Literatur

Teilweise wird vertreten, dass dem Verkäufer das Verschulden des Herstellers nach § 278 BGB zuzurechnen sei, weil der Werklieferungsvertrag insoweit dem Werkvertrag gleichzustellen sei.16

Für die Verschuldenszurechnung eines Dritten könne es nicht darauf ankommen, ob es sich bei dem zugrunde liegenden Vertrag um einen Werkvertrag oder um einen Werklieferungsvertrag handele. Da den Werklieferer ebenfalls eine Pflicht zur Herstellung der Sache treffe, seien Dritte, soweit sie zur Herstellung notwendige Leistungen erbrächten, ungeachtet des Vertragstyps - Werk- oder Werklieferungsvertrag - als Erfüllungsgehilfen anzusehen.

2. Ansicht des BGH

Dieser Ansicht folgt der BGH nicht.

a) Rechtslage vor der Schuldrechtsreform

Der BGH hat bereits vor der Schuldrechtsreform den Grundsatz, dass sich der Verkäufer seines Vorlieferanten nicht als Erfüllungsgehilfen bedient, entsprechend gelten lassen, wenn der Werklieferer einer vertretbaren Sache diese durch einen Dritten hatte bearbeiten lassen.17

b) Rechtslage nach Schuldrechtsreform

Nach der durch die Schuldrechtsreform vollzogenen gesetzlichen Gleichstellung des Werklieferungsvertrags mit dem Kaufvertrag (§ 651 S. 1 BGB) gilt dies erst recht.

Nach § 651 BGB wird für den Werklieferungsvertrag nicht auf das Werkvertragsrecht, sondern - anders als noch vor der Schuldrechtsreform

  • uneingeschränkt auf das Kaufrecht verwiesen. Grund dafür ist die mit der Einführung des kaufrechtlichen Nachbesserungsanspruchs vollzogene Angleichung der Haftung für Sachmängel beim Werkvertrag und beim Kaufvertrag, die das Bedürfnis nach einem gesonderten Typus des Werklieferungsvertrags entfallen lässt und es rechtfertigt, auch Verträge mit einer Herstellungsverpflichtung dem Kaufrecht zu unterstellen.

Nach der Rechtsprechung des BGH, auf die auch die Gesetzesbegründung zur Schuldrechtsreform verweist, ist auch ein Lieferant, der einen Werkunternehmer mit von diesem zu beschaffenden Ausstattungsgegenständen für ein Bauvorhaben beliefert, im Verhältnis zum Auftraggeber nicht Erfüllungsgehilfe des Werkunternehmers; für Fehler der gelieferten Sachen aufgrund eines Verschuldens des Lieferanten hat der Werkunternehmer daher nicht einzustehen.18

Dann muss dies für den Lieferanten des Verkäufers, der aus der gelieferten Sache für seinen Kunden gem. § 651 S. 1 BGB eine bewegliche Sache herstellt, erst recht gelten.

Ergebnis: Auch beim Werklieferungsvertrag ist der vom Verkäufer mit der Bearbeitung der Sache betraute Hersteller der beweglichen Sache nicht Erfüllungsgehilfe des Verkäufers.

E) Zur Vertiefung

  • Nacherfüllung gem. § 439 BGB

Hemmer/Wüst, Schuldrecht BT I, Rn. 154 ff.

F) Wiederholungsfragen

1. Ist der vom Verkäufer eingeschaltete Hersteller der Kaufsache Erfüllungsgehilfe des Verkäufers?

2. Kann der Käufer gem. § 439 II BGB verschuldensunabhängig Ersatz der Kosten für die Ermittlung eines Mangels verlangen?


  1. Vgl. hierzu EuGH, Life & Law 08/2011, 537 ff. = NJW 2011, 2269 ff. BGH, Life & Law 04/2012, 239 ff.

  2. BGH, Life & Law 01/2013, 1 ff.

  3. Lorenz in NJW 2002, 2497, 2502; eine a.A. wird von Graf v. Westphalen vertreten, vgl. ZGS 2002, 154 ff.

  4. BGHZ 48, 118, 121 f. BGHZ 177, 224 BGH, NJW 2009, 1660 BGHZ 181, 317 BGH, NJW 1978, 1157 Lorenz, ZGS 2004, 408, 410.

  5. Schroeter, JZ 2010, 495, 497 ff.; Peters, ZGS 2010, 24, 27; Schmidt in Prütting/Wegen/Weinreich, 8. Aufl., § 437 BGB, Rn. 46; MüKo, § 278 BGB, Rn. 31; Weller, NJW 2012, 2312, 2315.

  6. BT-Drucks. 14/6040, S. 209 f.

  7. BGH, Life & Law 07/2011, 462 ff. = NJW 2011, 2278 ff.

  8. MüKo, § 439 BGB, Rn. 15; BeckOK-BGB/Faust, § 439 BGB, Rn. 21 f.

  9. Staudinger, § 439 BGB, Rn. 16, 90; Palandt, § 439 BGB, Rn. 11; Jauernig, § 439 BGB, Rn. 37; Erman, § 439 BGB, Rn. 7; jurisPK-BGB/Pammler, § 439 BGB, Rn. 51 Reinking/Eggert, Der Autokauf, 12. Aufl., Rn. 757 f.; Martis, MDR 2011, 1218, 1223 f.

  10. BGH, Life & Law 07/2011, 462 ff. = NJW 2011, 2278 ff. BGH, Life & Law 09/2008, 575 ff. = NJW 2008, 2837 ff.

  11. BT-Drucks. 14/6040, S. 205, 231.

  12. BGHZ 113, 251, 261 BGH, NJW-RR 1999, 813 BGH, WM 1979, 724

  13. BGHZ 177, 224

  14. So auch jurisPK-BGB/Pammler, § 439 BGB, Rn. 50

  15. BGH, Life & Law 06/2005, 351 ff. = NJW 2005, 1348 ff. BGH, Life & Law 01/2006, 1 ff. = NJW 2005, 3211 ff.

  16. Wältermann/Kluth, ZGS 2006, 296, 304.

  17. BGHZ 48, 118, 121 f.

  18. BGH, ZfBR 2000, 180