Erfüllungsgehilfe ja, Zurechnung nein: Wie geht das?

BGH, Urteil vom 18.09.2013, VIII ZR 281/12

von Life and Law am 01.01.2014

+++ Leasingvertrag +++ Einschaltung eines Dritten zum Abschluss des Vertrags +++ Zusage der Kostenneutralität durch den Erfüllungsgehilfen +++ §§ 535, 278 BGB +++

Sachverhalt (verkürzt und leicht abgewandelt): Die Bank B fungiert als Leasinggeber bzgl. der Nutzung von Telekommunikationsanlagen, welche sie bei der V-GmbH erwirbt und dann verleast. X ist Geschäftsführer der V-GmbH und von B damit betraut, Interessenten für Leasingverträge zu akquirieren und ggf. Leasingverträge abzuschließen.

X ist gleichzeitig Geschäftsführer der M-GmbH. Deren Geschäftsinhalt besteht darin, medizinische telefonische Beratung gegen Entgelt anzubieten. X schließt im Namen der M-GmbH einen Kooperationsvertrag mit der Ärztin A, welche sich für medizinische telefonische Beratung in ihrem Fachgebiet für Kunden der M-GmbH bereit halten soll. Dafür enthält sie ein monatliches Honorar von 685,- € netto sowie für jede Gesprächsminute zusätzlich 1,- € netto.

Voraussetzung für die Vertragsdurchführung zwischen A und der M-GmbH war der Erwerb einer speziellen Telekommunikationsanlage (T-Anlage) auf Kosten der A. Hierzu legte X ein Informationsblatt der M-GmbH vor, nach dem das Geschäft für die A bei einer Finanzierung der Anlage durch B mindestens kostenneutral ausgestaltet werden könne. Ein Risiko, bei der Anschaffung der T-Anlage Verluste zu erleiden, bestehe damit nicht.

A unterzeichnete daraufhin einen von X vorgelegten Leasingvertrag mit B über eine T-Anlage, welche B zum Preis von 28.000,- € bei der V-GmbH erwirbt. Danach sollte A während der achtundvierzigmonatigen Laufzeit monatliche Leasingraten von 691,60 € netto erbringen. Einen Hinweis auf den zwischen der A und der M-GmbH geschlossenen Kooperationsvertrag enthielt der Leasingvertrag nicht, wohl aber folgenden fettgedruckten Passus:

1Der Lieferant ist nicht bevollmächtigt, im Namen der B Erklärungen abzugeben oder Vereinbarungen zu treffen, die nicht in diesem Vertrag niedergelegt sind."

Die Verträge wurden in der Folgezeit durchgeführt, bis die M-GmbH zahlungsunfähig wurde und die Vergütung für die telefonische medizinische Beratung durch die A nicht mehr entrichten konnte. Daraufhin stellte die A die Zahlung der Leasingraten an B ein.

Diese forderte die A erfolglos unter Fristsetzung zur weiteren Zahlung auf, kündigte sodann den Leasingvertrag fristlos wegen Zahlungsverzugs und rechnete den vorzeitig beendeten Vertrag ab. B verlangt von A die Zahlung der ausstehenden Leasingraten und Ersatz des durch die vorzeitige Beendigung entstandenen Schadens. B steht auf dem Standpunkt, dass sie etwaige Zusagen der M-GmbH, vertreten durch V, nichts angingen. Der Leasingvertrag habe mit dem Kooperationsvertrag nichts zu tun.

Besteht der Anspruch der B-Bank gegen A auf Schadensersatz dem Grund nach?

A) Sounds

Bei der Frage der Zurechnung des Verhaltens eines vom Leasinggeber mit der Vorbereitung des Leasingvertrags betrauten Lieferanten, der weitere Personen einschaltet, die dem Leasingnehmer unter Hinweis auf eine angebliche „Kostenneutralität" des Gesamtgeschäfts ohne Wissen des Leasinggebers den Abschluss eines „Kooperationsvertrags" mit einem Dritten anraten, kommt es darauf an, ob der Lieferant Zusagen macht, die in innerem Zusammenhang mit der Beauftragung stehen.

Ist dies nicht der Fall, handelt der Lieferant nur bei Gelegenheit der Erfüllung einer Verbindlichkeit und sein Verhalten ist nicht zurechenbar.

B) Skizze

C) Problemaufriss

Der Fall beschäftigt sich mit Reichweite und Grenzen der Zurechnung bei Einschaltung von Hilfspersonen. Der obige „Sound" ist insoweit zweitrangig, weil die Reichweite der Zurechnung stets eine Frage des Einzelfalls ist. Insoweit soll der Fall nur exemplarisch für die Problematik sensibilisieren und wurde deshalb in die Life & Law aufgenommen.

Zurechnungsfragen sind letztlich stets und in großem Umfang Gegenstand juristischer Examensklausuren. Der Ersteller einer Klausur braucht Differenzierungspotenzial hinsichtlich der Punktevergabe. Insoweit sind Zwei-Personen-Verhältnisse nicht ergiebig genug.

Wenn Sie sich mit Problemen der zivilrechtlichen Zurechnung auseinandersetzen, müssen Sie sich im Ausgangspunkt stets folgende Fragen stellen: Was soll zugerechnet werden? Über welche Vorschrift erfolgt die Zurechnung?

Bei der Frage, was zugerechnet werden soll, geht es darum, das Handeln des Dritten zu umreißen: Gibt er eine Willenserklärung für einen anderen ab? Befindet er sich bei Abgabe einer Erklärung im Irrtum? Hat er Kenntnis oder schuldhafte Unkenntnis von Umständen, von denen der andere nichts weiß? Handelt er schuldhaft, und geht es um die Frage, ob dieses Verschulden dem anderen zugerechnet werden kann?

Nachdem Sie diese Frage abhängig vom jeweiligen Sachverhalt geklärt haben, ist zu prüfen, nach welcher Zurechnungsvorschrift sich die konkrete Zurechnung richtet, und ob die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Norm erfüllt sind. Diese Arbeit verlangt zunächst danach, ganz generell einen Überblick darüber zu haben, welche Zurechnungsnormen das BGB bereit hält.

Ohne Anspruch auf Vollständigkeit sollen die wesentlichen Normen im Folgenden skizziert werden:

§ 123 II BGB: Hier geht es um die Frage, ob die Täuschung eines Dritten zugerechnet werden kann.

§ 164 BGB: Hier geht es um die Zurechnung von Willenserklärungen.

§ 166 I BGB: Hier geht es um die Zurechnung von Willensmängeln (insbes. Irrtum) und Wissensmängeln (Kenntnis bzw. Kennenmüssen) des Vertreters an den Vertretenen.

§ 278 BGB: Hier geht es um Verschuldenszurechnung im Rahmen schuldrechtlicher Beziehungen.

§ 31 BGB: Diese Norm ist streng genommen keine Zurechnungsnorm, weil das Handeln eines Organs eines Vereins kein „fremdes Handeln" ist. Vielmehr handelt der Verein durch seine Organe selbst. Gleichwohl ist es erlaubt zu formulieren, dass dem Verein das Verhalten seiner Organe zugerechnet wird.

Anmerkung: Diese Einordnung ist nicht ohne Bedeutung. Gem. § 276 III BGB kann die Haftung für Vorsatz nicht im Vorhinein ausgeschlossen werden. Das gilt jedoch bei fremdem Verschulden nicht, vgl. § 278 S. 2 BGB. Da es sich bei § 31 BGB um eigenes Verschulden handelt, kann ein Verein die Haftung für Vorsatz seiner Organe gem. § 276 III BGB nicht ausschließen.

Machen Sie sich die große Relevanz des § 31 BGB klar. Er ist nicht nur relevant beim Verschulden. Die Handlungen der Organe selbst werden dem Verein über diese Norm zugerechnet. Dies ist insbesondere wichtig bei Pflichtverletzungen und Verletzungshandlungen „des Vereins" im Rahmen der §§ 280 I, 823 I BGB.

Darüber hinaus müssen Sie wissen, dass § 31 BGB nicht nur im Vereinsrecht Anwendung findet. Mangels spezieller Regelungen findet die Vorschrift auch Anwendung auf andere juristische Personen, insbesondere auf GmbH und AG.

Analoge Anwendung findet die Vorschrift bei den Personengesellschaften OHG und KG, sowie seit 2003 auch auf die Gesellschaft bürgerlichen Rechts.1

§§ 831, 832 BGB: Hier wird kein Verschulden zugerechnet. Der Geschäftsherr bzw. die Aufsichtspflichtigen haften wegen eigenen (vermuteten) Auswahl- bzw. Überwachungsverschuldens. Zugerechnet wird aber die objektive unerlaubte Handlung des Verrichtungsgehilfen bzw. Aufsichtsbedürftigen.

Im vorliegenden Fall geht es um die Frage, ob die Zusage der Kostenneutralität des X (Geschäftsführer der V-GmbH und der M-GmbH) der B zugerechnet werden kann, d.h. ob diese Zusage zum Inhalt des Leasingvertrags geworden ist.

Wenn Sie entsprechend obiger Darstellung das „Was" und „Wie" der Zurechnung geklärt haben, geht es nur noch darum, an welcher Stelle im Klausuraufbau die Frage Relevanz erlangt. Vgl. Sie dazu die Ausführungen in der Fallbesprechung.

D) Lösung

Zu prüfen ist, ob der B-Bank dem Grunde nach ein Anspruch auf Schadensersatz gegen A im Zusammenhang mit der Kündigung des Leasingvertrags zusteht.

I. Anspruch auf Ersatz des sog. Kündigungsschadens

Ein Anspruch auf Schadensersatz der B-Bank gegen A könnte sich aus §§ 280 I, III 281 BGB ergeben, wenn zwischen den beiden ein wirksamer Leasingvertrag zustande gekommen ist, A trotz Fälligkeit nicht gezahlt hat und die sonstigen Voraussetzungen der Norm vorliegen.

Anmerkung: Der sog. Kündigungsschaden ist ein Schaden, der statt der Leistung ersetzt wird. Das Interesse des Gläubigers auf Ersatz des Schadens besteht alternativ zum Leistungsinteresse, denn er verlangt so gestellt zu werden, wie er bei ordnungsgemäßer Erfüllung stehen würde. Bei ordnungsgemäßer Erfüllung wären die monatlichen Leasingraten geflossen. Zusätzlich hätte man das Leasinggut zurückerhalten und zum Preis „X" veräußern können. Aufgrund der vorzeitigen Kündigung bekommt man das Leasinggut zwar früher zurück und kann ggf. einen höheren Erlös erzielen als bei späterer Rückgabe. Demgegenüber besteht aber infolge der Kündigung kein Anspruch mehr auf Zahlung der weiteren Leasingraten, sodass rechnerisch auf jeden Fall ein Schaden bei LG bestehen wird. Diesen Schaden führt letztlich zwar der Kündigende selbst herbei, indem er die Kündigung ausspricht. Er darf sich dazu aber herausgefordert fühlen, wenn die Kündigungsvoraussetzungen vorliegen. Diese Problematik der Haftungsausfüllung ist vorliegend ausgeklammert worden, sodass die Darstellung hier verkürzt in einer Anmerkung erfolgt.

Der BGH zitiert als Anspruchsgrundlage einfach § 280 I BGB, ohne auf eine Abgrenzung des Schadensersatzes statt der Leistung zum sog. Begleitschaden überhaupt einzugehen. Das dürften Sie sich in der Klausur nicht erlauben!

1. Wirksamer Leasingvertrag als Schuldverhältnis

Zwischen A und der B-Bank bestand ein Leasingvertrag, welcher auf Seiten der Bank durch X zustande gebracht wurde. Da X mit der Vornahme derartiger Verträge betraut wurde, ist vom Vorliegen einer entsprechenden wirksamen Bevollmächtigung auszugehen. Sonstige Unwirksamkeitsgründe sind vorliegend nicht zu erblicken.

2. Tatbestand des § 281 I S. 1 BGB

Laut Sachverhalt hat A die Zahlung der Leasingraten in dem Moment eingestellt, in dem seitens der M-GmbH eine Zahlung der Vergütung für die erbrachten medizinischen telefonischen Dienstleistungen unterblieben ist.

Grundsätzlich waren die Leasingraten jedoch gleichwohl fällig.

a) Bestand Zahlungsverpflichtung?

Möglicherweise bestand aber gleichwohl keine Zahlungsverpflichtung. Dies ist dann der Fall, wenn A der Zahlung den Einwand unzulässiger Rechtsausübung gem. § 242 BGB entgegenhalten könnte.

aa) Vereinbarung über Kostenneutralität?

Vorliegend könnte sich ein solcher Einwand aus der Vereinbarung der „Kostenneutralität" zwischen der M-GmbH und A ergeben.

Nach dem Inhalt dieser Vereinbarung sollte für A im Zusammenhang mit dem Leasing der T-Anlage kein Verlustrisiko bestehen. Dies sollte dadurch erreicht werden, dass jedenfalls in Höhe der monatlichen Leasingraten der A eine Vergütung für die erbrachten telefonischen medizinischen Dienstleistungen zufließt. Die Vereinbarung kann für einen verständigen Leser nur so verstanden werden, dass bei Ausfall der Vergütung auch keine Leasingraten mehr gezahlt werden müssten.

Anmerkung: Dieser Effekt ist dem des Einwendungsdurchgriffs bei verbundenen Verträgen gem. § 359 BGB vergleichbar. Dort stellt der Gesetzgeber selbst den Zusammenhang zwischen den zwei Rechtsgeschäften her. Vorliegend geht es um die Frage, ob eine derartige Verknüpfung rechtsgeschäftlich erreicht wurde.

Problematisch ist, dass die B-Bank diese Vereinbarung mit A selbst nicht getroffen hat. Möglicherweise wurde die B-Bank dabei aber wirksam von X vertreten.

Grundsätzlich wurde X von der B-Bank mit dem Abschluss von Leasingverträgen betraut, sodass vom Vorliegen entsprechender Vertretungsbefugnisse ausgegangen werden muss.

Fraglich ist jedoch, ob X auch Vertretungsbefugnis dafür hatte, eine Vereinbarung hinsichtlich der Kostenneutralität zu treffen, also zu Lasten der B-Bank dem Kunden (A) eine Einrede zu gewähren, solange die Vergütung aus dem Kooperationsvertrag zwischen A und der M-GmbH nicht fließt.

Anmerkung: Auf diese Frage geht der BGH mit keiner Silbe ein; er thematisiert die Zurechnungsfrage nur bei einem Gegenanspruch auf Vertragsaufhebung der A gegen die B-Bank aus §§ 280 I, 311 II, 241 II BGB. Die Ergebnisse decken sich insoweit; dogmatisch ist die Vorgehensweise des BGH aber nicht überzeugend, weil sich die Frage der Zurechnung bereits im Zusammenhang mit dem Vertragsinhalt stellt.

Grundsätzlich hat der Vertretene bei Einschaltung eines Vertreters das Risiko zu tragen, dass der Vertreter die erteilte Vertretungsbefugnis in einer Art und Weise einsetzt, welche nicht den Vorgaben im Innenverhältnis entspricht, sog. Missbrauch der Vertretungsmacht.

Davon abzugrenzen sind jedoch die Fälle, in denen der Vertreter schon gar keine Vertretungsmacht hat, bestimmte Vertragsinhalte mit Wirkung für und gegen den Vertretenen zu vereinbaren.

Vorliegend sprechen die Angaben im Sachverhalt eher dafür, dass X schon keine Vertretungsmacht hatte im Hinblick auf die Vereinbarung der Kostenneutralität. Dies ergibt sich insbesondere aus dem im Sachverhalt abgedruckten Passus aus dem Leasingvertrag, wonach klargestellt wird, dass sich die Vollmacht nur auf den im Leasingvertrag selbst niedergelegten Inhalt bezieht. Die B-Bank überlässt dem V vorgefertigte Vertragsformulare, sodass zwar eine Abschlussvollmacht besteht, nicht jedoch eine Vollmacht dahingehend, auf den Formulartext einzuwirken. X handelt daher als sog. Vertreter mit gebundener Marschrichtung. Die Vereinbarung der Kostenneutralität ist daher der B-Bank nicht zurechenbar, sondern war zunächst schwebend unwirksam gem. §§ 177 ff. BGB. Da die B-Bank durch ihr Zahlungsbegehren bekundet, die Vereinbarung nicht zu wollen, wurde diese auch nicht genehmigt und ist daher endgültig unwirksam.

Anmerkung: Geht man vorliegend -- wohl nur schwer vertretbar -- von einem Fall des Missbrauchs der Vertretungsmacht aus, ergäbe sich letztlich kein anderes Ergebnis. Zwar geht der Missbrauch grundsätzlich zu Lasten des Vertretenen. Vorliegend läge aber die anerkannte Ausnahme der Evidenz vor. A musste aufgrund der o.g. Klausel bei Abschluss des Leasingvertrags bewusst sein, dass X in der beschriebenen Art und Weise nicht handeln durfte. Rechtsfolge der Evidenz ist nach h.L. die analoge Anwendung der §§ 177 ff. BGB, sodass sich am Ergebnis nichts ändert. Der BGH gewährt dem Gebundenen einen Einwand aus § 242 BGB, von deren Erhebung durch die B-Bank vorliegend auszugehen wäre.2

Da die Vereinbarung der Kostenneutralität nicht Inhalt des Leasingvertrags geworden ist, steht A insoweit auch keine Einrede gegen die Zahlung der Leasingraten zu.

bb) dolo-agit Einwand wegen Gegenanspruch aus c.i.c.?

Eine unzulässige Rechtsausübung könnte in dem Zahlungsbegehren aber auch dann zu sehen sein, wenn der A gegen die B-Bank ein Anspruch auf Aufhebung des Leasingvertrages zustehen würde. Ein solcher Anspruch könnte sich aus §§ 280 I, 311 II, 241 II BGB ergeben.

Anmerkung: Hier müssen Sie dogmatisch genau arbeiten. Der Anspruch ist (bei Vorliegen der noch zu prüfenden Voraussetzungen) auf Abgabe einer Willenserklärung gerichtet, durch welche der geschlossene Vertrag wieder beseitigt werden soll. Wurde die entsprechende Erklärung bereits abgegeben, besteht der Vertrag nicht mehr, der Anspruch wäre erloschen. Solange die Erklärung aber nicht abgegeben wurde -- und dies dürfte in der Klausur der Regelfall sein --, besteht der Leistungsanspruch aber noch fort.

Allerdings kann er gleichwohl nicht geltend gemacht werden, weil es treuwidrig wäre, eine Leistung zu beanspruchen, welche man (später) nach Vertragsaufhebung wieder zurückgewähren müsste, § 242 BGB. Der BGH diskutiert daher konsequent, ob der Anspruch „wieder entfallen sei".

Machen Sie sich die denkbaren dogmatischen Aufhänger klar, die bei Bestehen eines Gegenanspruchs in Betracht kommen:

Besteht ein gleichartiger Gegenanspruch, erlischt dieser bei Erklärung der rechtsvernichtenden Einwendung der Aufrechnung.

Bei ungleichartigen Ansprüchen müssen drei Fälle auseinandergehalten werden. Bei synallagmatischer Verknüpfung3 erfolgt eine Verurteilung Zug-um-Zug gem. §§ 320, 322 BGB. Bei fehlender synallagmatischer Verknüpfung und bestehender Konnexität erfolgt die Verurteilung Zug-um-Zug aus §§ 273, 274 BGB. Der vorliegende Fall macht deutlich, dass zwar ungleichartige Ansprüche bestehen (Zahlung gegen Vertragsaufhebung). Eine Verurteilung Zug-um-Zug macht hier aber keinen Sinn, weil das Ergebnis ja sein soll, dass gar nicht gezahlt werden soll, sodass der Aufhänger dann der Einwand unzulässiger Rechtsausübung ist. Dieser Einwand hat Einwendungscharakter, wird also berücksichtigt, ohne dass man sich -- wie bei Einreden -- im Prozess darauf berufen müsste.

Bei Bestehen eines Gegenanspruchs aus §§ 311 II, 241 II, 280 I BGB wäre es treuwidrig, die Leasingraten zu verlangen, weil man sie nach Vertragsaufhebung wieder zurückgewähren müsste, § 242 BGB.

(1) Tatbestand der c.i.c.

Fraglich ist, ob der Tatbestand des Anspruchs aus §§ 311 II, 241 II, 280 I BGB zu Lasten der B-Bank verwirklicht wurde.

Ein vorvertragliches, der B-Bank zurechenbares Schuldverhältnis zur A wurde dadurch begründet, dass der von der B-Bank beauftragte X mit A im Namen der B-Bank Vertragsverhandlungen im Hinblick auf den zu schließenden Leasingvertrag geführt hat.

(2) Problem: zurechenbare Pflichtverletzung

Fraglich ist allerdings, ob eine der B-Bank zurechenbare vorvertragliche Pflichtverletzung gegeben ist. Die B-Bank selbst hat durch eigene Mitarbeiter keine Pflichten verletzt. Möglicherweise liegt aber eine schuldhafte Pflichtverletzung des X vor, welche sich die B-Bank gem. § 278 S. 1 Alt. 2 BGB zurechnen lassen muss.

Anmerkung: § 278 BGB ist eine Verschuldenszurechnungsnorm. Allerdings lässt sich das Verschulden nicht von der Pflichtverletzung trennen, sodass Sie die Punkte „Pflichtverletzung" und „Verschulden" zusammenfassen sollten: Dem Schuldner wird eine schuldhafte Pflichtverletzung des Erfüllungsgehilfen zugerechnet!

Eine vorvertragliche Pflichtverletzung des X könnte darin liegen, dass er bei A den Eindruck erweckt hat, der Leasingvertrag beinhalte im Ergebnis kein Kostenrisiko. Der A wurde suggeriert, die mit dem Abschluss des Leasingvertrages einhergehenden finanziellen Belastungen würden durch das ihr aufgrund des Kooperationsvertrags mit der M-GmbH zustehende Honorar vollständig und dauerhaft kompensiert.

Fraglich ist, ob sich die B-Bank dieses Verhalten des X gem. § 278 BGB zurechnen lassen muss.

Voraussetzungen des § 278 BGB

Es entspricht zwar ständiger Rechtsprechung des BGH, dass der Leasinggeber nach § 278 BGB haftet, wenn der Verkäufer/Lieferant der Leasingsache schuldhaft den Leasingvertrag betreffende Aufklärungs- oder Hinweispflichten gegenüber dem Leasingnehmer verletzt, sofern der Verkäufer/Lieferant mit Wissen und Willen des Leasinggebers Vorverhandlungen mit dem Leasingnehmer über den Abschluss eines Leasingvertrages führt.4

Dies folgt daraus, dass der Leasinggeber im Interesse der Vereinfachung der Vertragsanbahnung und Vertragsabwicklung einen Dritten - den Verkäufer/Lieferanten - mit Aufgaben betraut, die in seinem Verantwortungsbereich liegen.

Der Umstand, dass der Verkäufer/Lieferant im Zeitpunkt der Vertragsverhandlungen über Leasingantragsformulare der B-Bank und deren Berechnungsgrundlagen für die Bestimmung der Leasingraten verfügte, kann ein Indiz dafür sein, dass die Verhandlungen des Lieferanten mit Wissen und Wollen des Leasinggebers erfolgten.

Im vorliegenden Fall ist jedoch bei dem Vertragsgespräch nicht die Lieferantin V-GmbH tätig geworden, der die B-Bank zu diesem Zweck Antragsformulare überlassen und im Erfolgsfall auch Provisionen gezahlt hat. Für das Verhalten der M-GmbH hätte die B-Bank daher nur dann nach § 278 BGB einzustehen, wenn die Lieferantin V-GmbH ihrerseits - der B-Bank zurechenbar - die M-GmbH zur Erfüllung der ihr übertragenen Aufgaben eingeschaltet hätte und die von dieser gemachten Angaben über die angebliche Kostenneutralität des Leasinggeschäfts zum allgemeinen Umkreis des Aufgabenbereichs gehört hätten, zu dessen Wahrnehmung die Lieferantin bestimmt worden war. Dafür reicht es nicht aus, dass die V-GmbH und die M-GmbH (zufällig) denselben Geschäftsführer haben. Maßgeblich ist, ob die von X im Namen der M-GmbH abgegebene Erklärung vom Umfang der Befugnisse gedeckt ist, welche die B-Bank der V-GmbH gegenüber eingeräumt hat.

Anmerkung: Sie müssen also folgende Zurechnungsverhältnisse trennen: Zunächst einmal wird das Verhalten des X als Geschäftsführer der M-GmbH dieser gem. § 31 BGB zugerechnet. Dann muss diskutiert werden, ob das Verhalten der M-GmbH der V-GmbH zugerechnet wird, um dann zu klären, ob die B-Bank dafür einzustehen hat, was der V-GmbH zugerechnet wird. Da eine Haftung der B-Bank diskutiert wird, ist argumentativ mit dem letzten Schritt zu beginnen. Hier setzt der BGH an:

innerer Zusammenhang zwischen Umfang der Beauftragung und gemachter Zusage

Dies ist nicht der Fall, wenn zwischen der aufgetragenen Verrichtung und der Handlung zwar ein kausaler und zeitlicher Zusammenhang, nicht aber ein innerer, sachlicher Zusammenhang besteht.5

Gemessen hieran ist eine Einstandspflicht der B-Bank für die Angaben der M-GmbH zu verneinen. Dabei kann offen bleiben, ob die V-GmbH sich der M-GmbH nicht nur zur Veräußerung ihrer Geräte, sondern auch zur Vermittlung von Leasingverträgen mit der B-Bank bedient hat. Denn selbst wenn dies der Fall sein sollte, scheiterte eine Zurechnung der von der M-GmbH im Vorfeld der Vertragsunterzeichnung gemachten Angaben zur vermeintlichen Kostenneutralität des Leasinggeschäfts daran, dass diese nicht in einem inneren und sachlichen Zusammenhang mit den von der B-Bank der Lieferantin (V-GmbH) übertragenen Aufgaben erfolgt sind.

Die V-GmbH ist von der B-Bank zwar mit der Betreuung der für die Anbahnung von Leasingverträgen notwendigen Vertragsvorbereitungen betraut worden. Damit ist ihr aber nicht die Aufgabe übertragen worden, durch die Vermittlung von Geschäften mit Dritten Anreize für den Abschluss von Leasingverträgen zu schaffen. Wird einem Leasingnehmer vom Lieferanten oder dessen Gehilfen vorgespiegelt, die Belastungen aus dem Leasingvertrag würden in wirtschaftlicher Hinsicht durch ein mit einem anderen Vertragspartner abzuschließendes Nebengeschäft kompensiert, wird der Lieferant regelmäßig nicht in Ausübung, sondern nur bei Gelegenheit der ihm von der Leasinggeberin übertragenen Aufgaben tätig.

Anmerkung: Diese Wendung sollte Ihnen bekannt vorkommen. Im Rahmen des § 831 BGB ist für die Haftung des Geschäftsherrn ebenfalls nicht ausreichend, dass derjenige, der die unerlaubte Handlung begeht, grundsätzlich Verrichtungsgehilfe des Geschäftsherrn ist. Er muss auch in Ausübung der Verrichtungen tätig werden, mit denen er betraut wurde. Verübt er ein Delikt nur bei Gelegenheit der Verrichtung, besteht die Haftung aus § 831 BGB nicht, weil es am inhaltlichen Zusammenhang mit der übertragenen Tätigkeit fehlt. Exakt diese Kriterien sieht der BGH auch vorliegend als maßgeblich an.

Da sich das auf den Abschluss eines solchen Koppelungsgeschäfts gerichtete Verhalten des Erfüllungsgehilfen auf ein außerhalb seines Pflichtenkreises stehendes Geschehen bezieht, ist der Leasinggeber regelmäßig nicht verpflichtet, den Leasingnehmer bei den Vertragsverhandlungen darüber aufklären zu lassen, dass Leasingvertrag und Koppelungsgeschäft nicht zu einem einheitlichen Gesamtgeschäft verknüpft sind und daher die angestrebte Kostenneutralität nicht für die Dauer des Leasingverhältnisses sichergestellt ist.

Der für die Zurechnung des Verhaltens eines Erfüllungsgehilfen erforderliche innere und sachliche Zusammenhang mit dem übertragenen Aufgabenkreis wird also nicht schon dadurch hergestellt, dass dieser beim Leasingnehmer den Eindruck erweckt, durch den zusätzlichen Abschluss eines Koppelungsvertrags sei der Leasingvertrag wirtschaftlich betrachtet für den Leasingnehmer mit keinen Kosten verbunden. Denn ob und welche Verhaltensweisen in einem - für eine Zurechnung erforderlichen - inneren und sachlichen Zusammenhang zum Leasingvertrag stehen, bestimmt sich allein nach den dem Erfüllungsgehilfen vom Leasinggeber übertragenen Aufgaben. Der Erfüllungsgehilfe selbst kann in den Fällen, in denen er außerhalb dieses Aufgabenkreises wirkt, einen inneren und sachlichen Zusammenhang mit den ihm übertragenen Pflichten nicht dadurch herstellen, dass er (oder seine Hilfsperson) die Erledigung dieser Aufgaben mit Geschäften verknüpft, die von dem ihm übertragenen Aufgabenkreis so weit entfernt sind, dass auch aus Sicht eines objektiven Außenstehenden ein innerer Zusammenhang nicht mehr zu erkennen ist.

Hierdurch wird allenfalls ein kausaler, nicht aber ein innerer und sachlicher Zusammenhang mit den für den Geschäftsherrn zu erfüllenden Pflichten begründet.

vorliegend keine Zurechnung -- klarer Hinweis im Vertrag

Dass der von der M-GmbH angebotene Vertrag über medizinische Beratungsleistungen keinen inneren Zusammenhang mit den leasingvertraglichen Rechten und Pflichten aufwies, war für die A bei der Unterzeichnung der Verträge erkennbar. Denn das Antragsformular der B-Bank enthielt keinen Hinweis auf eine solche Vertragsgestaltung, sondern im Gegenteil den drucktechnisch hervorgehobenen Hinweis, dass der Lieferant nicht befugt ist, abweichend vom Inhalt des Formulars Erklärungen abzugeben oder Vereinbarungen im Namen der B-Bank zu treffen. Nach alledem liegt keine der B-Bank gem. § 278 BGB zurechenbare Pflichtverletzung vor.

(3) Auch keine eigene Pflichtverletzung

Möglicherweise muss sich die B-Bank aber einen eigenen Vorwurf machen lassen. Dies wäre dann der Fall, wenn sie sich vorhalten lassen müsste, im vorvertraglichen Bereich nicht darüber belehrt zu haben, dass im Falle einer mit einem Dritten möglicherweise gesondert zustande gekommenen Subventionierungsvereinbarung die beiden Vertragsverhältnisse nicht zu einem einheitlichen Gesamtgeschäft verknüpft wurden.

Dies würde jedoch voraussetzen, dass der B-Bank die Praxis der M-GmbH bekannt war. Dies war hier aber nicht der Fall. Insbesondere bestand kein Anlass dafür, im Einzelfall beim potenziellen Leasingnehmer nachzufragen, ob derartige Vereinbarungen an ihn herangetragen wurden. Der Sachverhalt enthält dazu keine Angaben.

Nach alledem hat A gegenüber der B-Bank keinen Anspruch aus §§ 311 II, 241 II, 280 I BGB auf Aufhebung des Leasingvertrags, sodass dem Anspruch auf Zahlung der Leasingraten auch nicht der dolo-agit Einwand (§ 242 BGB) entgegengesetzt werden kann. Der Zahlungsanspruch bestand demnach.

b) Fristsetzung, § 281 I BGB

Die B-Bank hat A eine Frist zur Zahlung der rückständigen Raten gesetzt. Diese Frist ist fruchtlos verstrichen, sodass die Voraussetzungen des Anspruchs auf Schadensersatz statt der Leistung grundsätzlich vorliegen.

c) Einredefreiheit

Zusätzliche Voraussetzung für einen Anspruch aus §§ 280 I, III, 281 BGB ist die Einredefreiheit des Leistungsanspruchs. Steht dem Schuldner eine Einrede gegen den Anspruch zu, kann man ihm nicht vorwerfen, bei Fälligkeit nicht zu leisten.

Anmerkung: Diese ungeschriebene Tatbestandsvoraussetzung besteht in gleicher Weise bei § 286 BGB und § 323 I BGB, sodass der Vorwurf der Nichtleistung in den Fällen des Vorliegens einer Einrede auch dort nicht gemacht werden kann!

II. Anspruch auf Ersatz des Verzögerungsschadens

Der B-Bank steht darüber hinaus dem Grunde nach ein Anspruch auf Schadensersatz neben der Leistung gem. §§ 280 I, II, 286 BGB zu. Die A befand sich unabhängig von einer Mahnung zum jeweils im Vertrag festgesetzten Termin mit der Zahlung der einzelnen Raten in Verzug, § 286 I, II Nr. 1 BGB. Der Anspruch bestand auch einredefrei. Gem. § 288 I, II BGB erfasst der Anspruch zudem eine Zinszahlungspflicht im dort beschriebenen Umfang.

Anmerkung: Die Ersatzfrage sollte insoweit nur dem Grunde nach geklärt werden. Denkbar wäre ein Verzögerungsschaden etwa in Form von Anwaltskosten. Bleiben die Zahlungen aus und setzt der Gläubiger den Schuldner in Verzug, darf er sich sodann herausgefordert fühlen, einen Anwalt mit der Durchsetzung der Ansprüche zu betrauen.

III. Endergebnis

Der B-Bank stehen gegen A dem Grunde nach die geltend gemachten Ansprüche auf Schadensersatz zu.

E) Kommentar

(cda). Eine im Ergebnis überzeugende Entscheidung. Relevant für Sie ist aber weniger das Ergebnis, sondern das Erfassen der Zurechnungsproblematik generell. Es ist wichtig, sich ein Bild über die Reichweite der Zurechnungsnorm des § 278 BGB zu machen.

Nehmen Sie den Fall daher zum Anlass, sich mit den im Problemaufriss benannten Zurechnungsnormen auseinanderzusetzen. Wie bereits erwähnt, handelt es sich bei den Zurechnungsproblemen um eine Thematik mit hoher Examensrelevanz.

F) Zur Vertiefung

  • Zum Leasingrecht

Hemmer/Wüst, Schuldrecht BT II, Rn. 136 ff.

G) Wiederholungsfragen

  1. Was versteht man unter dem Begriff „Kündigungsschaden"?
  2. Was versteht man unter dem Tätigwerden eines Erfüllungsgehilfen „bei Gelegenheit" der Erfüllung einer Verbindlichkeit?

  1. BGH, Life & Law 2003, 385

  2. Vgl. zum Missbrauch der Vertretungsmacht Hemmer/Wüst, BGB AT I, Rn. 284a ff.

  3. Handelt es sich um die Rückabwicklung ungleichartiger bereicherungsrechtlicher Ansprüche, die auf einem (unwirksamen) synallagmatischen Vertrag basieren, erfolgt die Verurteilung Zug-um-Zug wiederum automatisch im Wege der Saldotheorie. Der Unterschied zum Zurückbehaltungsrecht als Einrede besteht darin, dass letztere nicht von Amts wegen berücksichtigt werden!

  4. BGH, NJW 2011, 2877

  5. BGH, NJW-RR 1989, 723