Entweder heile zurück oder zahlen. Letzteres ohne Fristsetzung!

BGH, Urteil vom 17.07.2013, VIII ZR 334/12

von Life and Law am 01.12.2013

+++ Rückgabemodalitäten beim Leasingvertrag +++ Minderwertausgleichsklauseln +++ Abgrenzung zu Schadensersatzverlangen +++ Qualifikation der Entgeltlichkeit +++ §§ 281, 288 BGB +++

Sachverhalte (verkürzt): In einem zwischen LG und LN zur gewerblichen Nutzung geschlossenen Leasingvertrag über einen Pkw mit Kilometerabrechnung werden folgende Allgemeine Geschäftsbedingungen verwendet:

„1. Die Leasing-Raten, eine vereinbarte Sonderzahlung und eine Mehrkilometerbelastung nach Ziffer XY sind Gegenleistungen für die Gebrauchsüberlassung des Fahrzeugs.

2. Bei Rückgabe muss das Fahrzeug in einem dem Alter und der vertragsgemäßen Fahrleistung entsprechenden Erhaltungszustand, frei von Schäden sowie verkehrs- und betriebssicher sein. Normale Verschleißspuren gelten nicht als Schaden. Über den Zustand wird bei Rückgabe ein gemeinsames Protokoll angefertigt und von beiden Vertragspartnern oder ihren Bevollmächtigten unterzeichnet.

3. Bei Rückgabe des Fahrzeugs nach Ablauf der bei Vertragsabschluss vereinbarten Leasing-Zeit gilt folgende Regelung: Entspricht das Fahrzeug ... nicht dem Zustand gemäß Ziffer 2, ist der Leasing-Nehmer zum Ersatz des entsprechenden Schadens verpflichtet. (...)"

LN gab das Fahrzeug nach Ablauf der regulären Vertragslaufzeit zurück. Ein Übergabeprotokoll wurde nicht erstellt. In der Folgezeit ließ LG das Fahrzeug durch einen Sachverständigen begutachten. Dieser stellte diverse Mängel am Fahrzeug fest, welche zu einem -- rechnerisch richtigen -- Minderwert in Höhe von 3.335,- € führten. Diesen Betrag verlangt LG von LN nebst Zinsen in Höhe von 8 % -Punkten über dem Basiszinssatz, weil LN auf die Aufforderung des LG hin den Betrag nicht zahlte. LG veräußerte sodann den Pkw an D, welcher aufgrund eines bereits zuvor geschlossenen Vertrags den dort vereinbarten Kaufpreis unabhängig von der Mangelhaftigkeit bezahlt.

1. Besteht der Anspruch des LG gegen LN auf Minderwertausgleich? Es ist davon auszugehen, dass die Klauseln wirksam in den Vertrag einbezogen wurden.

2. Unterstellt, Sie kommen bei Frage 1. zum Ergebnis, dass der Anspruch besteht: Hat LG gegen LN einen Anspruch auf Verzugszinsen in der geltend gemachten Höhe?

A) Sounds

1. Dem Anspruch des Leasinggebers auf Min-derwertausgleich bei einem Leasingvertrag mit Kilometerabrechnung kann der Leasingnehmer schadensrechtliche Einwände nicht entgegenhalten.

2. Die Wirksamkeit einer Klausel in einem vom Leasinggeber vorformulierten Leasingvertrag mit Kilometerabrechnung, die den Leasingnehmer zum Minderwertausgleich verpflichtet, wenn er das Leasingfahrzeug nicht in einem dem Alter und der vertragsgemäßen Fahrleistung entsprechenden Erhaltungszustand, frei von Schäden sowie verkehrs- und betriebssicher zurückgibt, scheitert nicht daran, dass die Klausel dem Leasingnehmer kein Recht zur Nacherfüllung einräumt und die Pflicht zum Minderwertausgleich nicht analog § 281 I S. 1 BGB von einer erfolglosen Fristsetzung hierzu abhängig macht.

3. Der Anspruch des Leasinggebers auf Minderwertausgleich bei einem Leasingvertrag mit Kilometerabrechnung ist keine Entgeltforderung im Sinne des § 288 II BGB.

B) Problemaufriss

Um die Problematik im Fall richtig einordnen zu können, ist es zunächst unabdingbar, sich über die Qualifikation des vorliegend zu beurteilenden Leasingvertrages mit Kilometerabrechnung Klarheit zu verschaffen. Beim Kilometerleasingvertrag ist eine bestimmte Kilometerleistung mit der Entrichtung der monatlichen Leasingraten abgegolten. Fährt der Leasingnehmer weniger Kilometer als vertraglich vorgesehen, wird pro Kilometer ein bestimmter Betrag dem LN rückvergütet. Fährt er mehr Kilometer, muss ein bestimmter Betrag nachvergütet werden.

Diese Regelung erfolgt deshalb, weil der LN beim reinen Kilometerleasingvertrag am Ende der Laufzeit nicht verpflichtet ist, den Wagen zu einem vorher kalkulierten Restwert abzunehmen. Darin liegt der wesentliche Unterschied zum Finanzierungsleasingvertrag, welcher -- sofern LN ein Verbraucher ist -- in § 506 II Nr. 3 BGB geregelt ist. Beim Finanzierungsleasing ist dem LG die Laufleistung des Pkw nicht wichtig, weil er vorab so kalkuliert, dass sich durch eine eventuelle Leasingsonderzahlung, die monatlichen Leasingraten sowie durch die zuvor kalkulierte Restwertzahlung sämtliche Anschaffungskosten amortisieren.

Da beim Finanzierungsleasing das Risiko der Verwertung des Fahrzeugs beim LN liegt, ist dem LG ebenfalls nicht wichtig, welchen Zustand das Fahrzeug am Ende der Laufzeit aufweist. Dies ist beim Kilometerleasing anders, weil der LN, ohne für den Restwert einstehen zu müssen, das Fahrzeug am Ende der Vertragsbeziehung einfach wieder zurückgibt. Mit der vorliegend zu beurteilenden Minderwertausgleichsklausel versucht der LG, das weitere Verwertungsrisiko jedenfalls insoweit auf den LN zu übertragen, als es um Mängel bei Beendigung der Vertragsbeziehung geht.1

Anmerkung: Der LG trägt beim Kilometerleasing also das Risiko, dass die Marktsituation es ihm erlaubt, das Fahrzeug möglichst hochpreisig abzusetzen. Dies ist deshalb problematisch, weil bei einem Vertrag über z.B. 36 Monate im Zeitpunkt des Vertragsschlusses kaum absehbar ist, wie sich der Pkw-Markt in drei Jahren darstellen wird. Das führt umgekehrt bei Leasingnehmern zu der Vorstellung, das Kilometerleasing sei für sie angenehmer. Der vorliegende Fall zeigt jedoch, dass faktisch (!) ein Teil des Verwertungsrisikos doch beim LN liegt. Denn der LG muss nicht den Nachweis führen, dass ihm infolge der vorhandenen Mängel tatsächlich ein Ausfall bei der Weiterveräußerung entstanden ist (dazu sogleich).2 Im Übrigen zeigt die Praxis, dass bei der Rückgabe von Leasingfahrzeugen eine äußerst penible Kontrolle der Fahrzeuge erfolgt, sodass die finanzielle Bombe für den LN erst am Ende der Vertragslaufzeit platzt. Beim Finanzierungsleasing drohen demgegenüber jedenfalls keine finanziellen Überraschungen, weil die Zahlen schon bei Vertragsschluss auf dem Tisch liegen. Gleichwohl sollte man als LN auch dabei darauf achten, dass der kalkulierte Restwert einigermaßen realistisch ist, weil das Verwertungsrisiko ja bei ihm, dem LN, liegt.

C) Lösung

Frage 1: Anspruch auf Minderwert-vergütung aus § 3 des Leasingvertrags

LG könnte gegen LN einen Anspruch auf Ausgleich des Minderwertes des Fahrzeugs aus Ziffer 3 des Leasingvertrags haben.

I. Wirksamkeit und wirksame Einbeziehung

Mangels anderer Anhaltspunkte ist von der Wirksamkeit des Leasingvertrags auszugehen.

Auch hat laut Sachverhalt eine wirksame Einbeziehung der entsprechenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen in den Leasingvertrag stattgefunden.

Anmerkung: Beachten Sie, dass sich die Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbedingungen, welche gegenüber einem Unternehmer verwendet werden, nicht nach § 305 II BGB richtet, sondern nach den allgemeinen Regeln der §§ 145 ff., 310 I S. 1 BGB.

II. Wirksamkeit der AGB

Fraglich ist jedoch, ob die Ziffer 3 des Leasingvertrags wirksam ist. Dies bemisst sich nach den §§ 307 ff. BGB. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die Überprüfung von ABG, welche -- wie vorliegend -- gegenüber einem Unternehmer verwendet werden, ausschließlich an § 307 BGB orientiert, § 310 I S. 1 BGB.

Jedenfalls ist die Klausel klar formuliert, so dass sich eine Unwirksamkeit nicht bereits aus einem Verstoß gegen das Transparenzgebot ergibt, § 307 I S. 2 BGB. Zu klären ist daher, ob die Belastung mit einer Minderwertausgleichsforderung unter den von LG vorgegebenen Bedingungen eine unangemessene Benachteiligung darstellt, § 307 I S. 1, II BGB.

Anmerkung: Gem. § 310 I S. 2 BGB ist bei der Frage einer unangemessenen Benachteiligung auch zu berücksichtigen, ob ein Verstoß gegen §§ 309, 308 BGB vorliegt (hier ist dies nicht der Fall). Diese müssen von Ihnen dann also inzident geprüft werden. Der BGH geht sodann grundsätzlich davon aus, dass ein Verstoß gegen einen Tatbestand der §§ 309, 308 BGB die Unwirksamkeit gem. § 307 I S. 1 BGB indiziere. Sodann ist es Sache des Verwenders, die Verwendung der AGB mit „Gewohnheiten und Gebräuchen des Handelsverkehrs" zu legitimieren, § 310 I S. 2 HS 2 BGB.

1. Unwirksamkeit, weil Ausgleich unabhängig von nachgewiesenem Schaden?

Möglicherweise wird der LN deshalb unangemessen benachteiligt, weil der Ausgleich des Minderwertes unabhängig davon zu erfolgen hat, ob der LG einen ihm entstandenen Schaden bei der Weiterveräußerung nachweisen kann.

Dies würde jedoch denknotwendig voraussetzen, dass es sich bei dem Anspruch aus Ziffer 3 des Leasingvertrags überhaupt um einen Schadensersatzanspruch handelt bzw. einen solchen, auf welchen schadensersatzrechtliche Grundsätze zumindest analoge Anwendung finden. Wie der BGH jedoch bereits zuvor entschieden hat,3 wird durch die wiedergegebenen Vertragsklauseln ein Anspruch des LG begründet, der aufgrund seiner leasingtypischen Amortisationsfunktion in wirtschaftlicher und rechtlicher Hinsicht als vertraglicher Erfüllungsanspruch zu charakterisieren ist. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Leasingnehmer nach dem Wortlaut der Klausel „zum Ersatz des entsprechenden Schadens" verpflichtet wird. Die Begriffe „Minderwert" und „Schaden" werden hier synonym gebraucht; dies gilt ebenso für die Begriffe „Ausgleich" und „Ersatz". Es kommt daher nicht darauf an, ob LG durch die Rückgabe des Fahrzeugs in schlechterem als dem vertragsgemäßen Zustand keinen Schaden erleidet oder sogar besser gestellt wird, weil er das Fahrzeug in jedem Fall zum vorab kalkulierten Restwert an den Lieferanten veräußern kann und er zusätzlich gegen den Leasingnehmer noch einen Minderwertausgleichsanspruch hat. Der Minderwertausgleich tritt wirtschaftlich und rechtlich an die Stelle des ursprünglichen Anspruchs des LG auf Rückgabe des Fahrzeugs in einem vertragsgerechten Erhaltungszustand. Er ist ein vertraglicher Erfüllungsanspruch mit Amortisationsfunktion,4 dem ein schadensrechtlicher Einwand nicht entgegengesetzt werden kann.

Anmerkung: Die Rechtslage deckt sich insoweit mit der bei einem „normalen" Mietvertrag. Hier kommt es für die Rückgabe im vertragsgemäßen Zustand gem. § 546 I BGB auch nicht darauf an, ob der Vermieter bei beabsichtigter Veräußerung dadurch einen Schaden erleidet, wenn die Wohnung in einem schlechteren Zustand zurückgewährt wird.

Selbst wenn man von einem Schadensersatzanspruch ausgehen sollte und rechnerisch aufgrund eines zuvor bereits mit einem Abnehmer fixierten Restwertes gar kein Schaden entstanden wäre, müsste noch diskutiert werden, ob dieser Vorteil des LG (Veräußerung an Dritten zu vorher fest kalkuliertem Preis) dem LN wirklich zugutekommen sollte. Hier wäre es wohl überzeugend, den Vorteil im Zuge der Differenzhypothese auszublenden, eine Vorteilsanrechnung somit nicht vorzunehmen. Denn den Vorteil sichert sich der LG durch sein eigenes Verhandlungsgeschick mit einem Abnehmer. Andernfalls könnte ein LN, welchem die Restwertverwertung des LG bekannt ist, den Wagen nach Belieben beschädigen, ohne später dafür ersatzpflichtig zu sein.

LG hat zudem ein schutzwürdiges Interesse an dem pfleglichen Umgang mit der Leasingsache, sodass eine schadensunabhängige Ausgleichsverpflichtung keine unangemessene Benachteiligung i.S.d. § 307 I S. 1 BGB darstellt.

2. Unwirksamkeit wegen konkreter Ausgestaltung?

Auch wenn der LG demnach grundsätzlich ein schutzwürdiges Interesse an der Verwendung einer Minderwertausgleichsklausel hat, könnte sich eine unangemessene Benachteiligung jedoch daraus ergeben, dass die konkrete Ausgestaltung die Interessen des LN nicht ausreichend berücksichtigt.

Der Ersatzanspruch besteht nach dem Wortlaut der Ziffer 3 des Vertrags nämlich unabhängig davon, dass dem LN zunächst eine Frist dazu gesetzt wird, bei Vertragsende vorhandene und festgestellte Mängel zunächst selbst beseitigen zu dürfen.5

Letztlich muss dies aber mit denselben Erwägungen wie zuvor verneint werden.

Der Wirksamkeit von Ziffer 3 des Leasingvertrags steht insbesondere nicht entgegen, dass dem LN kein Recht zur Nacherfüllung eingeräumt wird und dass der Anspruch des LG auf Minderwertausgleich nicht voraussetzt, dass der LG dem LN zuvor entsprechend § 281 I BGB erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung bestimmt hat. Dabei mag dahingestellt bleiben, ob der der Schadensersatznorm des § 281 I BGB zugrunde liegende Rechtsgedanke überhaupt auf den Anspruch auf Minderwertausgleich als vertraglichem Erfüllungsanspruch übertragbar ist. Soweit mit der Forderung nach Fristsetzung zur Leistung und Nacherfüllung Aktionsmöglichkeiten des LN für die Zeit nach Vertragsablauf angesprochen sind, steht dem schon der Umstand im Weg, dass der LN nach Vertragsablauf nicht mehr zum Besitz des Leasingfahrzeugs berechtigt ist. Zeitnah vor dem Rückgabetermin bei Vertragsablauf hindert die Minderwertausgleichsklausel den LN dagegen selbstredend nicht, das Leasingfahrzeug auf Mängel, Schäden und Abweichungen vom gewöhnlichen Erhaltungszustand begutachten zu lassen, soweit er diese nicht selbst zu erkennen oder zu beurteilen vermag, und für deren Beseitigung bis zur Rückgabe zu sorgen. Dementsprechend würde auch eine etwa erforderliche Fristsetzung zur Leistung - das heißt zur Beseitigung konkret bezeichneter Mängel, Schäden und übermäßiger Abnutzungsspuren - durch den LG voraussetzen, dass LN das Fahrzeug dem LG bzw. dem von diesem bezeichneten Händler so rechtzeitig zur Untersuchung vorstellt, dass bis zum Vertragsablauf noch ausreichend Zeit für eine angemessene Frist verbleibt. Gibt der LN das Fahrzeug hingegen erst mit Vertragsablauf zurück, ohne die zur Vermeidung einer Wertminderung erforderlichen Maßnahmen ergriffen zu haben, so begibt er sich der Möglichkeit, die Verpflichtung zum Minderwertausgleich in Geld durch eine kostengünstigere Vornahme der erforderlichen Arbeiten abzuwenden. Dass die in Rede stehende Klausel für diesen - auch hier gegebenen - Fall keine nachvertragliche Abhilfemöglichkeit vorsieht, benachteiligt LN nicht unangemessen. Denn Ziffer 2 des Leasingvertrags gibt dem LN genügend Zeit, ggf. vorhandene Mängel vor Ablauf der Leasingzeit feststellen und beseitigen zu lassen.

Ziffer 3 des Leasingvertrags ist daher wirksam.

III. Ergebnis zu Frage 1

LG hat gegen LN gem. Ziffer 3 des Leasingvertrags einen Anspruch auf Ausgleich des Minderwertes des Leasingfahrzeugs in Höhe von 3.335,- €.

Frage 2: Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen in Höhe von 8 %-Punkten über dem Basiszinssatz

LG könnte gegen LN einen Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen in Höhe von 8 %-Punkten über dem Basiszinssatz gem. § 288 II BGB haben. Die Vorschrift ist anwendbar, da im vorliegenden Fall kein Verbraucher an dem Leasingvertrag beteiligt ist. Fraglich ist jedoch, ob sich LN mit der Begleichung des Minderwertausgleichs in Verzug befunden hat, und ob es sich bei der Forderung um eine Entgeltforderung im Sinne des § 288 II BGB handelt.

I. Voraussetzungen des Schuldnerverzugs, § 286 BGB

Mit Ablauf der Leasingzeit ist zugunsten des LG ein Anspruch auf Zahlung des Minderwertausgleichs entstanden und fällig geworden. Einreden, welche die Durchsetzbarkeit des Anspruchs ausschließen würden, sind nicht ersichtlich.

Anmerkung: Achten Sie an dieser Stelle darauf, dass alleine das Bestehen einer Einrede verzugshindernd wirkt. Es kommt also nur darauf an, ob der Einredetatbestand als solcher vorliegt, nicht aber darauf, ob der Schuldner die Einrede erhoben hat.6

Vor Gericht wird diese rein materiell-rechtliche Betrachtung allerdings von dem Grundsatz überlagert, dass Einreden nicht von Amts wegen berücksichtigt werden. Spätestens dort muss der Schuldner die Einrede also erheben, um sich auf die materiell-rechtliche Wirkung, die dann allerdings ex-tunc gilt, berufen zu können.

Die Zahlung wurde von LG auch angemahnt. Fraglich ist aber, ob LN die Nichtzahlung zu vertreten hat. Dies wird gem. § 286 IV BGB grundsätzlich vermutet, sodass es Aufgabe des LN wäre, sich zu exkulpieren. Dies wird ihm aber nicht gelingen. Sollte er davon ausgegangen sein, dass die Klausel unwirksam ist, befände er sich in einem vermeidbaren Rechtsirrtum, der zu seinen Lasten geht.

II. Entgeltforderung?

Problematisch ist daher allein der Entgeltcharakter des Minderwertausgleichsanspruchs.

Darunter sind solche Forderungen zu verstehen, die auf Zahlung eines Entgelts als Gegenleistung für vom Gläubiger erbrachte oder zu erbringende Leistungen gerichtet sind, die in der Lieferung von Gütern oder der Erbringung von Dienstleistungen bestehen.7

Dazu zählt der Anspruch des LG auf Minderwertausgleich im Sinne der Klausel Ziffer 3 jedoch nicht, weil die Zahlung nicht für eine Leistung erfolgt, welche LN von LG bekommt bzw. verlangen könnte, sondern allein als Ausgleich für eine durch den LN verursachte Verschlechterung gedacht ist.

Anmerkung: Sie müssen also genau zwischen den Begriffen „Geldforderung" und „Entgeltforderung" differenzieren.

III. Ergebnis Frage 2

LG hat gegen LN ab Verzugseintritt nur einen Zinsanspruch in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz gem. § 288 I BGB.

D) Kommentar

(cda). Die Entscheidung scheint für den LN auf den ersten Blick unbillig zu sein. Letztlich ist der Ansatz des BGH aber überzeugend. Es ist dem Leasinggeber nicht zumutbar, ein beschädigtes Fahrzeug sanktionslos zurückzunehmen. Sollte er es aufgrund seiner Marktposition schaffen, Aufkäufer zu finden, welche schon bei Vertragsbeginn des Leasingvertrags die spätere Abnahme zu einem vom konkreten Zustand unabhängigen Preis zusagen, beruht dies allein auf dem Verhandlungsgeschick des LG. Der LN als Schädiger würde durch eine Anrechnung dieses Vorteils unbillig entlastet.

Unabhängig von der dogmatischen Einordnung ist dieses Ergebnis begründbar. Nach Ansicht des BGH handelt es sich schon gar nicht um einen Schadensersatzanspruch, sodass die Frage, ob ein Schaden vorliegt, irrelevant ist. Selbst wenn man dies (vertretbar) anders einordnen sollte, müsste man über die Ablehnung der Vorteilsanrechnung zum selben Ergebnis kommen.

E) Zur Vertiefung

  • Zum Finanzierungsleasingvertrag

Hemmer/Wüst, Schuldrecht BT II, Rn. 138 ff.

F) Wiederholungsfragen

  1. Worin liegt der wesentliche Unterschied zwischen einem Kilometer-

    und einem Finanzierungsleasingvertrag?

  2. Warum handelt es sich bei einem Minderwertausgleichsanspruch nicht um eine Entgeltforderung i.S.d. § 288 II BGB?

  1. Diese Risikotragung, welche auch das Risiko für den zufälligen Untergang beinhaltet, hatte den BGH dazu veranlasst, den Kilometerleasingvertrag dem Finanzierungsleasingvertrag im Hinblick auf den Verbraucherschutz gleichzustellen (NJW 1998, 1637 (1639) Wegen der Minderwertklauseln gehe es auch beim Kilometerleasing um die Amortisation der Anschaffungskosten. Dass eine Amortisationslücke aufgrund des vom LG zu tragenden Marktrisikos bestehen könne, ändere an dem Charakter als Finanzierungshilfe nichts. Umstritten ist, ob diese Einordnung vor dem Hintergrund der Einführung des § 506 II Nr. 3 BGB noch aufrecht erhalten bleiben kann, denn eine entsprechende Erwerbsverpflichtung besteht beim Kilometerleasing ebenso wenig wie die Verpflichtung, für einen bestimmten Restwert einstehen zu müssen (ausführlich dazu Reinking/Eggert, Der Autokauf 2012, Rn. L 106 ff.; Skusa, NJW 2011, 2993 ff.). Das OLG Düsseldorf (NJW-RR 2013, 1069 ff. ) geht davon aus, dass sich an der Einordnung des Kilometerleasingvertrags als Unterfall der Finanzierungshilfe durch die Neuregelung des § 506 II BGB nichts geändert hat. Insbesondere wird dies damit begründet, dass der Gesetzgeber durch die Nummerierung in § 506 II BGB nicht in die bisherige Rechtsprechung „eingreifen wollte". Eine Entscheidung des BGH zu dieser Frage steht noch aus. Beobachten Sie daher die weitere Entwicklung dieser Diskussion!

  2. In der Praxis ist es üblich, dass LG vorab (!) mit sog. Restwerkaufkäufern feste Abnahmesummen für die Leasingrückläufer vereinbaren. Insoweit ist das Vorliegen eines Schadens beim LG die absolute Ausnahme. Einen eventuellen Minderwertausgleich „steckt er sich also in die Tasche". Das hatte die Berufungsinstanz noch zum Anlass genommen, die Klage abzuweisen.

  3. BGH, NJW 2013, 2420 f.

  4. Mit dieser Wendung deutet der BGH an, dass er den Kilometerleasingvertrag nach wie vor einer Finanzierungshilfe i.S.d. § 506 II BGB gleichstellt (auch wenn es darum im vorliegenden Fall nicht ging). Denn maßgeblich für eine entsprechende Einordnung ist gerade, dass es um die Amortisation der Anschaffungskosten geht. Faktisch liegt dieses Risiko aufgrund der Minderwertausgleichsklausel weitestgehend beim LG (zumal -- wie bereits erwähnt -- der LG die Fahrzeuge i.d.R. zu einem vorher festgelegten Preis weiterveräußert).

  5. Zu diesem im Mängelrecht eisernen Grundgedanken (kein Recht zur Selbstvornahme!) vgl. Hemmer/Wüst, Schuldrecht BT I, Rn. 171 ff.

  6. Zu den Ausnahmefällen, in denen die Einrede materiell-rechtlich nur wirkt, wenn sie geltend gemacht wird, vgl. Hemmer/Wüst, Schuldrecht AT, Rn. 143 f.

  7. BGH, NJW 2010, 3226