Entschädigung für Vermieter bei Wohnungsdurchsuchung

BGH, Urteil vom 14.03.2013, III ZR 253/12

von Life and Law am 01.03.2014

+++ Polizeiliche Durchsuchung einer Wohnung +++ Entschädigungsanspruch des Vermieters +++ Enteignender Eingriff +++

Sachverhalt: K ist Eigentümer einer Eigentumswohnung. Im Rahmen einer richterlich angeordneten Durchsuchung der Wohnung wurde das von einem Spezialeinsatzkommando der Polizei zum Einsteigen benutzte Fenster beschädigt und der Teppichboden durch Glassplitter verunreinigt. Hintergrund des Durchsuchungsbeschlusses war der Verdacht, dass der Mieter der Wohnung mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel trieb. Eine in der Vergangenheit liegende Verstrickung des Mieters in Drogendelikte kannte K, der mit der Schwester des Mieters zusammenlebt.

K verlangt Erstattung der für die Beseitigung der entstandenen Schäden erforderlichen Kosten in Höhe von 802,- €

Mit Recht? Die richterliche Durchsuchungsanordnung ist von der StPO gedeckt. Den handelnden Polizeibeamten sind ebenfalls keine Fehler vorzuwerfen. Spezialgesetzliche Entschädigungsansprüche existieren nicht

A) Sounds

1. Dem Vermieter einer Wohnung steht für Schäden, die im Zuge einer rechtmäßigen Durchsuchung der Wohnung im Rahmen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen den Mieter verursacht worden sind, grundsätzlich ein Anspruch aus enteignendem Eingriff zu.

2. Ein dem Anspruch aus enteignendem Eingriff zugrunde liegendes gleichheitswidriges Sonderopfer kann allerdings dann zu verneinen sein, wenn der Vermieter weiß beziehungsweise davon erfährt oder es sich ihm aufdrängen muss, dass die Wohnung für die Begehung von Straftaten, die Lagerung von Diebesgut oder von Drogen benutzt wird oder werden soll, und er gleichwohl den Mietvertrag abschließt oder von einem Kündigungsrecht keinen Gebrauch macht.

B) Problemaufriss

Das Staatshaftungsrecht gehört zwar in allen Bundesländern zum Pflichtfachbereich innerhalb des Öffentlichen Rechts, ist aber dennoch nur selten vertieft Gegenstand von Examensklausuren.

Es bietet sich aber hervorragend als Ergänzung oder als Aufhänger für herkömmliche Themengebiete an. So kann die Zulassung zu öffentlichen Einrichtungen statt über den „normalen" Einstieg einer Verpflichtungsklage auf Zulassung auch über einen Amtshaftungsanspruch abgeprüft werden, wenn ein abgelehnter Bewerber Schadensersatz begehrt.

Anmerkung: Eine jeden Beamten treffende Amtsplicht ist die zu rechtmäßigem Handeln, Art. 20 III GG. Bei einer rechtswidrigen Ablehnung des Zulassungsantrags liegt damit eine drittbezogene Amtspflichtverletzung i.S.d. § 839 BGB, Art. 34 GG aus, die grundsätzlich einen Schadensersatzanspruch auslöst.

Die vorliegende Entscheidung des BGH bietet sich perfekt an als Ergänzung einer Polizeirechtsklausur. In Teil I wird die Rechtmäßigkeit der Durchsuchung zu prüfen sein -- die hier durch den Sachverhalt vorgegeben ist -- in Teil II wird dann die Frage nach Schadensersatz bzw. Entschädigung gestellt werden.

C) Lösung

K könnte ein Schadensersatzanspruch nach § 839 I BGB, Art. 34 GG zustehen.

I. Amtshaftungsanspruch nach § 839 BGB, Art. 34 GG

Amtshaftungsanspruch nach § 839 BGB, Art. 34 GG

1. Handeln eines Amtswalters

  • Haftungsrechtlicher Beamtenbegriff
  • Problemfälle: Beliehene, Verwaltungshelfer, Privatunterneh­mer 2. In Ausübung eines öffentlichen Amtes
  • Öffentliches Amt: Unterscheidung Eingriffs-/ Leistungsverwaltung
  • Handeln in Ausübung: innerer und äußerer Zusammenhang. Nicht: bei Gelegenheit 3. Verletzung einer Amtspflicht
  • Unterscheidung zu Rechtspflichten
  • Verstoß gegen bindendes Innenrecht 4. Drittbezogenheit der verletzten Amtspflicht
  • Ermittlung des Schutzbereichs der Amtspflicht
  • Problemfälle: normatives/legislatives Unrecht, Drittschutz gegenüber Hoheitsträgern, bei innerbehördlichen Vorgängen 5. Widerrechtlichkeit und Verschulden 6. Entstehung eines Schadens 7. Haftungsausfüllende Kausalität 8. Haftungsbeschränkungen
  • Problem bei gemeindlicher Satzung
  • Verweisungsprivileg gem. § 839 I S. 2 BGB; Durchsetzbarkeit, Zumutbarkeit, keine unbillige Entlastung
  • Richterspruchprivileg des § 839 II BGB
  • Vorwerfbare Rechtsmittelversäumung gem. § 839 III BGB
  • Mitverschulden, § 254 BGB 9. Verjährung, §§ 195 ff. BGB 10. Anspruchsgegner

Ein Amtshaftungsanspruch setzt eine Amtspflichtverletzung der handelnden Beamten voraus. Die grundlegende Amtspflicht ist die zum rechtmäßigen Handeln, Art. 20 III GG.

Da die Durchsuchung laut Sachverhalt rechtmäßig angeordnet wurde und auch den vor Ort handelnden Polizeibeamten keine Fehler vorgeworfen werden können, liegt Amtspflichtverletzung vor, die einen Amtshaftungsanspruch auslösen würde.

Anmerkung: Läge eine Amtspflichtverletzung vor -- weil bspw. die Art und Weise der Durchsuchung fehlerhaft war -- bestünde grundsätzlich ein Amtshaftungsanspruch. Allerdings könnte diesem Anspruch entgegenstehen, dass K als Vermieter möglicherweise auch ein Anspruch gegen seinen Mieter nach § 280 I BGB zusteht.

II. Anspruch nach § 2 StrEG

K könnte ein Anspruch nach § 2 I, II Nr. 4 StrEG zustehen, da er durch eine Strafverfolgungsmaßnahme einen Schaden erlitten hat.

Allerdings ergibt sich aus § 2 I StrEG, dass dieser Anspruch nur dem Beschuldigten im Ermittlungsverfahren zusteht, da Voraussetzung ist, dass der Anspruchsinhaber „freigesprochen oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird ... ".

In Nichtbeschuldigter kann keinen Anspruch nach § 2 I, II Nr. 4 StrEG geltend machen.1

III. Entschädigungsanspruch aus enteignendem Eingriff

Denkbar ist allerdings ein Anspruch des K aus enteignendem Eingriff.

1. Vorfrage: Anwendbarkeit

2. Anspruchsgrundlage

  • §§ 74, 75 EinlPrALR, Gewohnheitsrecht 3. Eingriff in eine von Art. 14 GG I geschützte Rechtsposition
  • insb. Rechtmäßigkeit des Eingriffs, d.h. Eingriff ist Nebenfolge rechtmäßigen hoheitlichen Verwaltungshandelns 4. Unmittelbarkeit 5. Sonderopfer 6. ggf. Mitverschulden analog § 254 BGB

1. Anwendbarkeit

Da hier keine spezialgesetzlichen Ansprüche eingreifen, kann auf den Anspruch aus enteignendem Eingriff zurückgegriffen werden.

Anmerkung: Solche Ansprüche finden sich in vielen Landespolizeigesetzen, bspw. Art. 70 (Bay)PAG. Hier müssten Sie im Einzelfallen prüfen, ob die Voraussetzungen dieser Norm greifen oder nicht. In Bayern könnte man hier bspw. Art. 70 II PAG heranziehen. Der Eigentümer der Wohnung ist weder Störer noch wurde er als Nichtverantwortlicher nach Art. 10 PAG in Anspruch genommen, da Adressat der Maßnahme Wohnungsdurchsuchung der Inhaber der tatsächlichen Gewalt ist. Die Beschädigung von Rechtsgütern des K ist quasi ein „Kollateralschaden", für den Art. 70 II PAG gedacht ist.

2. Anspruchsgrundlage und Voraussetzungen

Der Anspruch aus enteignendem Eingriff wird mittlerweile als Unterfall des allgemeinen Aufopferungsanspruchs gesehen und (quasi-)positiv-gesetzlich an §§ 74, 75 EinlALR festgemacht.

Solche Ansprüche aus enteignendem Eingriff kommen dann in Betracht, wenn an sich rechtmäßige hoheitliche Maßnahmen bei einem Betroffenen unmittelbar zu Nachteilen führen, die er aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen hinnehmen muss, die aber die Schwelle des enteignungsrechtlich Zumutbaren übersteigen, also ein Sonderopfer darstellen. Hierbei geht es zumeist um atypische und unvorhergesehene Nachteile; dies ist für den Anspruch aus enteignendem Eingriff aber nicht Voraussetzung.

Der enteignende Eingriff stellt einen zwangsweisen staatlichen Zugriff auf das Eigentum dar, der den Betroffenen im Vergleich zu anderen entgegen dem verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz ungleich behandelt beziehungsweise trifft und ihn zu einem besonderen, den Übrigen nicht zugemuteten Opfer für die Allgemeinheit zwingt. Während beim enteignungsgleichen Eingriff das Sonderopfer durch die Rechtswidrigkeit konstituiert wird, bedarf bei rechtmäßigen Eingriffen die Annahme eines entschädigungspflichtigen Sonderopfers einer besonderen Begründung. Hier ist ein Ersatzanspruch nur dann gegeben, wenn die Einwirkungen die Sozialbindungsschwelle überschreiten, also im Verhältnis zu anderen ebenfalls betroffenen Personen eine besondere „Schwere" aufweisen oder im Verhältnis zu anderen nicht betroffenen Personen einen Gleichheitsverstoß bewirken. Ob in diesem Sinne eine hoheitliche Maßnahme die Schwelle des enteignungsrechtlich Zumutbaren überschreitet oder sich noch als Ausdruck der Sozialbindung des Eigentums begreifen lässt, kann nur aufgrund einer umfassenden Beurteilung der Umstände des Einzelfalls entschieden werden. Maßgeblich ist letztlich, wo nach dem vernünftigen Urteil aller billig und gerecht Denkenden die Opfergrenze liegt beziehungsweise wo die Grenze dessen liegt, was eine Gemeinschaft, die ihre verfassungsmäßige Ordnung in einem sozialen Rechtsstaat gefunden hat, dem Einzelnen entschädigungslos zumuten kann und will.

3. Eingriff in eine von Art. 14 I GG geschützte Rechtsposition

Anspruchsvoraussetzung ist somit zunächst ein Eingriff in eine von Art. 14 I GG geschützte Rechtsposition.

Durch die richterlich angeordnete Durchsuchung der Wohnung des K kam es zur Beschädigung dessen Sacheigentums. Hierin liegt unzweifelhaft ein Eingriff in eine von Art. 14 I GG geschützte Rechtsposition. Dieser Eingriff ist rechtmäßig, da laut Sachverhalt bzw. Bearbeitervermerk sowohl die richterliche Anordnung als auch die Durchsuchung vor Ort rechtmäßig waren.

4. Unmittelbarkeit

Dieser Eingriff in Art. 14 I GG ist auch unmittelbar im Sinne von dem Staat zurechenbar.

Anmerkung: Unmittelbarkeit meint nicht die zivilrechtliche Adäquanz, sondern die Verwirklichung einer von der Maßnahme ausgehenden Gefahr. Es muss sich eine in der Maßnahme selbst angelegte typische Gefahr realisiert haben.2 Dies ist immer dann fraglich, wenn ein Dazwischentreten Dritter vorliegt. Der Prüfungspunkt der Unmittelbarkeit entspricht damit weitgehend dem der objektiven Zurechenbarkeit im Zivil- und Strafrecht. Es geht hier in erster Linie um den Schutzzweck der Norm. Ein Dazwischentreten Dritter durchbricht den Zurechnungszusammenhang dementsprechend dann nicht, wenn dieser Dritte durch den staatlichen Eingriff zu seiner Handlung herausgefordert wurde. Das klassische Beispiel ist die fehlerhaft geschaltete Ampelschaltung. Die staatliche Maßnahme Ampelschaltung führt nicht ohne weiteres, sondern nur durch das Zusammenspiel mit weiteren Verkehrsteilnehmern zu einer Eigentumsverletzung.

Die Handlung der anderen Verkehrsteilnehmer sind der Ampelschaltung aber zuzurechnen, da ein typischer Herausforderungsfall vorliegt.3

5. Sonderopfer

Fraglich ist damit allein, ob K durch die Wohnungsdurchsuchung und die damit verbundenen Schäden ein Sonderopfer abverlangt wurde, ob er also im Vergleich zu anderen in unzumutbarer, besonders schwerer Weise betroffen wird.

Das Eigentum des K wurde für Zwecke der Strafverfolgung und damit im öffentlichen Interesse in Anspruch genommen. K wurde einem staatlichen Eingriff ausgesetzt, der ihn anders als andere Eigentümer zu einer Aufopferung im öffentlichen Interesse zwang. Hierbei handelt es sich nicht um das allgemeine Lebensrisiko eines Vermieters, das deshalb immer von diesem zu tragen ist. Ein Sonderopfer ist damit grundsätzlich zu bejahen.

Anmerkung: Anders sah dies noch die Vorinstanz, die davon ausging, dass ein Vermieter grundsätzlich das Risiko von Sachschäden bei Ermittlungsmaßnahmen gegen seinen Mieter trägt, und insoweit von vornherein die Annahme eines entschädigungspflichtigen Sonderopfers ausscheidet.

kein Sonderopfer, wenn Selbstgefährdung

Allerdings kann nach der Rechtsprechung des BGH von dem Abverlangen eines Sonderopfers im öffentlichen Interesse und damit einem gleichheitswidrigen, entschädigungspflichtigen staatlichen Verhalten regelmäßig keine Rede sein, wenn sich der nachteilig Betroffene freiwillig in eine gefährliche Situation begeben hat, deren Folgen dann letztlich von ihm herbeigeführt und grundsätzlich selbst zu tragen sind.4 So hat der Senat etwa demjenigen, der schuldhaft den Anschein einer polizeilichen Gefahr hervorgerufen hat, keinen Anspruch aus enteignendem Eingriff für die aus der polizeilichen Maßnahme resultierenden Folgen zugebilligt, weil nicht in die Rechtsphäre eines Unbeteiligten eingegriffen worden sei, sondern der Betroffene, wenn auch nicht für eine objektive Gefahr, aber doch für eine Sachlage verantwortlich sei, die eine Pflicht der Polizei zum Eingreifen begründet habe, sodass er nicht als unbeteiligter Dritter angesehen werden könne.5

Allgemein ging es in der Rechtsprechung des BGH insoweit um Sachverhalte, in denen jedenfalls der Konflikt zwischen den privaten und öffentlichen Interessen infolge eines Verhaltens des Betroffenen eintrat, welches im Hinblick auf die nachteiligen Einwirkungen rechtlich nicht geschützt war. Der Eigentümer darf nicht durch eigenes Verhalten den staatlichen Eingriff letztlich provoziert haben; in einem solchen Fall sind die Folgen regelmäßig seiner Sphäre zuzuordnen und stellen kein gleichheitswidriges Sonderopfer dar.

Anmerkung: Es scheint in diesen Fällen auch vertretbar, das Sonderopfer zu bejahen und den Anspruch erst an einem Mitverschulden analog § 254 BGB scheitern zu lassen, da der Vorwurf an den Eigentümer letztlich „selbst schuld" lautet.

Vermietung einer Wohnung keine bewusste oder vorwerfbare Selbstgefährdung

Mit diesen Fällen einer bewussten oder zumindest vorwerfbaren Selbstgefährdung ist der Fall der Vermietung aber regelmäßig nicht zu vergleichen. Von einer freiwilligen Übernahme einer Gefahr kann nicht allein im Hinblick auf den Umstand gesprochen werden, dass sich ein Eigentümer durch die Vermietung der eher entfernt liegenden, wenn auch nicht vollständig auszuschließenden Gefahr aussetzt, dass sein Mieter straffällig wird und es im Zuge strafprozessualer Maßnahmen gegen den Mieter zu Beschädigungen der Wohnung kommt.

Vermietung auch an Vorbestrafte als sozialadäquates Verhalten

Die Vermietung einer Wohnung ist ein sozial adäquates, ja sozial erwünschtes Verhalten, das im Normalfall die Gefahr strafbaren Verhaltens der Bewohner weder begünstigt noch gar hervorruft. Daher stehen die Vermietung und das den Polizeieinsatz auslösende strafbare Verhalten des Mieters grundsätzlich völlig unabhängig und selbstständig nebeneinander. Der Vermieter verliert nicht im enteignungsrechtlichen Sinne durch die bloße Vermietung seine Stellung als unbeteiligter Dritter mit der Folge, dass strafprozessuale Maßnahmen gegen den Mieter seiner Sphäre zuzuordnen wären. Daran ändert sich grundsätzlich auch nichts, wenn der Mieter im Rahmen seines strafbaren Verhaltens Gegenstände - etwa Diebesgut oder wie hier Betäubungsmittel - in die Wohnung einbringt. Denn die Überlassung der Wohnung durch den Vermieter erfolgt zum vertragsgemäßen Gebrauch; hierfür zahlt der Mieter den Mietzins. Letzterer ist gerade keine Gegenleistung für vertragswidrige Verhaltensweisen und rechtfertigt deshalb nicht für sich die Zuordnung von darauf zurückzuführenden Schäden zur Verantwortungssphäre des Vermieters.

anders bei Kenntnis von konkreten, aktuellen Straftaten

Anders kann die Situation allerdings dann zu bewerten sein, wenn der Vermieter weiß beziehungsweise davon erfährt oder es sich ihm aufdrängen muss, dass die Wohnung für die Begehung von Straftaten, die Lagerung von Diebesgut oder - wie hier - von Drogen in nicht unerheblicher Menge benutzt wird oder werden soll, und er gleichwohl den Mietvertrag abschließt oder von einem Kündigungsrecht keinen Gebrauch macht. In einem solchen Fall kann gegebenenfalls, wenn sich das Risiko weiterer strafbarer Handlungen verwirklicht und es im Zuge strafprozessualer Maßnahmen gegen den Mieter zu Schäden an der Wohnung kommt, davon gesprochen werden, dass sich der Vermieter freiwillig der Gefahr ausgesetzt hat, sodass er den Schaden deshalb nicht als gleichheitswidriges Sonderopfer der Allgemeinheit in Rechnung stellen kann.

hier: keine hinreichend konkrete Kenntnis des K

Von einer solchen Kenntnis des K kann nach dem Sachverhalt aber nicht ausgegangen werden. Er wusste zwar von der „Drogenvergangenheit" seines Mieters. Dies allein schließt ein Sonderopfer aber so lange nicht aus, wie er nicht auch von den aktuellen konkreten Tathandlungen Kenntnis besitzt.

Anmerkung: Jedes andere Ergebnis erscheint hier kaum hinnehmbar. Zum stellt der BGH ja gerade darauf ab, dass der Eigentümer, der Kenntnis von der konkreten Straftat hat und nicht außerordentlich kündigt, „selbst schuld" ist. Genau eine solche Kündigung ist alleine wegen einer Drogenvergangenheit -- die noch zudem dem Vermieter bei Abschluss des Mietvertrags bekannt war -- gerade nicht möglich. Zum anderen würde andernfalls künftig kein Vermieter mehr an einen Vorbestraften vermieten, was gesellschaftspolitisch kaum erwünscht sein dürfte.

Ein Sonderopfer ist damit grundsätzlich zu bejahen. Dem steht auch nicht entgegen, dass Beschädigungen der hier streitgegenständlichen Art bei Wohnungsdurchsuchungen weder atypisch noch unvorhersehbar sind, sondern sich vielmehr eine Gefahr verwirklicht hat, die in der hoheitlichen Maßnahme selbst angelegt war, da der enteignende Eingriff eben nicht auf atypische Nebenfolgen beschränkt ist.

kein Sonderopfer wenn anderweitiger Ersatzanspruch?

Der Annahme eines Sonderopfers steht auch nicht entgegen, dass K möglicherweise ein Anspruch auf Schadensersatz gegen seinen Mieter zusteht. Die Regelung des § 839 I S. 2 BGB, wonach dann, wenn einem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last fällt, dieser nur dann in Anspruch genommen werden kann, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag, gilt nicht für andere selbstständige Erstattungsansprüche gegen den Staat.6

Ob der Geschädigte aus dem Schadensereignis auch Ansprüche gegen Dritte hat, ist für die Frage, ob ihm im Interesse der Allgemeinheit durch hoheitlichen Zwang ein Sonderopfer in gleichheitswidriger Weise abverlangt worden ist, grundsätzlich ohne Bedeutung. Ein an sich entschädigungspflichtiges Sonderopfer wird grundsätzlich nicht dadurch zum hinzunehmenden Nachteil, dass der Geschädigte auf Ansprüche gegen einen Dritten verwiesen und ihm insoweit das Risiko der Durchsetzbarkeit dieser Ansprüche auferlegt wird.

kein Sonderopfer weil nur niedriger Schaden?

Gegen ein Sonderopfer könnte allerdings sprechen, dass der eingetretene Schaden lediglich 802,- € beträgt.

Anmerkung: Hieran hatte bspw. das Landgericht in der ersten Instanz den Anspruch des K bereits scheitern lassen!

Zwar kann bei der im Enteignungsrecht wesentlichen wirtschaftlichen Betrachtungsweise regelmäßig nur eine fühlbare Beeinträchtigung einer vermögenswerten Rechtsposition als entschädigungspflichtiges Opfer angesehen werden; geringfügige Beeinträchtigungen scheiden aus. Bei der hier streitgegenständlichen gezielten Beschädigung beziehungsweise Zerstörung von Eigentum durch strafprozessuale Zwangsmaßnahmen liegt aber bereits in der Substanzverletzung eine solche fühlbare Beeinträchtigung des betroffenen Eigentums, die - abgesehen von Bagatellfällen - für die Annahme eines nicht hinzunehmenden Sonderopfers ausreicht.

Ergebnis

Dem K steht aus enteignendem Eingriff der Anspruch auf Ersatz der Kosten zu.

D) Kommentar

(mg). Eine Entscheidung, die in allen Punkten sowohl in der Begründung als auch im Ergebnis überzeugt.

Die Vorinstanz, die einen Anspruch letztlich mit der Begründung „Wer bewusst an jemanden mit Drogenvergangenheit vermietet, ist selbst schuld" verneinte, überspannt den Bogen. Allein in der Vermietung an einen ehemals Straffälligen liegt keine bewusste oder vorsätzliche Selbstgefährdung. Anders liegt der Fall natürlich dann, wenn der Vermieter auch von aktuellen Drogengeschäften seines Mieters Kenntnis hat. In einem solchen Fall kann er kaum von der Allgemeinheit Entschädigung verlangen, weil sein Eigentum gerade in Folge dieser Drogengeschäfte und damit im Zusammenhang stehenden Strafverfolgungsmaßnahmen beschädigt wurde.

Die Entscheidung des BGH eignet sich perfekt als Grundlage für eine Klausur. Die Aufgabe für den Prüfling besteht darin, an einem „klassischen" Anspruch mit eigenen Argumenten die Besonderheiten des Falles abzuarbeiten. Da das Sonderopfer gleich aus drei Gründen heraus fraglich ist -- bewusste Selbstgefährdung, anderweitiger Ersatzanspruch und Bagatellschaden -- sollte für jeden Bearbeiter etwas zu schreiben sein und dem Korrektor bietet sich mit Sicherheit genügend „Raum zur Notendifferenzierung"!

E) Zur Vertiefung

  • Zum enteignenden Eingriff

Hemmer/Wüst, Staatshaftungsrecht, Rn. 242 ff.

F) Wiederholungsfrage

  1. Ist der enteignende Eingriff auf Nebenfolgen einer rechtmäßigen Handlung beschränkt?

  1. BGH, NJW 1990, 397 f.

  2. Palandt-Bassenge, vor § 903 BGB, Rn. 13.

  3. BGH 54, 332; 99, 249.

  4. M.w.N. BGHZ 37, 44, 48.

  5. BGHZ 5, 144, 152.

  6. BGHZ 63, 167.