+++ Versuchte Brandstiftung, §§ 306 I, 22, 23 I StGB +++ Besonders schwere Brandstiftung, §§ 306a I, II, 306b II Nr. 2 StGB +++ Versicherungsmissbrauch, § 265 StGB +++ Versuchter Betrug, §§ 263 I, III S. 2 Nr. 5, 22, 23 I StGB +++ Rücktritt, § 24 StGB +++ Konkurrenzen +++
Sachverhalt (leicht abgeändert): A legte eines Nachts in seinem eigenen, von ihm allein bewohnten Haus ein Feuer, wobei er plante, die Versicherungsleistungen aus der Hausrats- und Wohngebäudeversicherung geltend zu machen. An der Seite seines Hauses war ein Mehrfamilienhaus unmittelbar angebaut, allerdings durch eine Brandmauer abgetrennt. A war bewusst, dass in diesem Nachbarhaus die schwer lungenkranke N bei geöffnetem, zu seinem Haus hin gelegenen Fenster schlief und durch die Rauchgase ihre Gesundheit gefährdet werden würde, was er billigend in Kauf nahm. Er hielt es wegen der Brandmauer jedoch für unmöglich, dass das Feuer auf das Nachbarhaus übergreifen oder sonstige Schäden hieran verursachen könnte. Nachdem das Haus des A in voller Ausdehnung brannte, zog der Rauch tatsächlich zunächst in das Schlafzimmer der N. Jedoch änderte sich kurz darauf wie durch ein Wunder die Windrichtung, sodass N keine Rauchvergiftung erlitt und auch sonst keine Schäden an dem Nachbarhaus entstanden. Insbesondere verhinderte die Brandmauer, wie von A erwartet, ein Übergreifen des Feuers, obwohl das Haus des A vollständig niederbrannte.
Am nächsten Morgen meldete A den Brand telefonisch der Versicherung. Am selben Tag versandte er zudem an die Versicherung eine schriftliche Schadensmeldung, wobei er den Eindruck erweckte, mit dem Brand nichts zu tun zu haben. Er hatte vor, eine Deckungszusage und später Auszahlungen von der Versicherung zu erhalten, obgleich er wusste, hierauf keinen Anspruch zu haben. Die Versicherung erkannte den geltend gemachten Anspruch nicht an und leistete keine Zahlungen.
Etwa vier Monate nach dem Brand erhob A gegen die Versicherung Klage auf Zahlung von Schadensersatz, wobei er verschwieg, auf eine solche Zahlung auf Grund der von ihm begangenen Brandstiftung keinen Anspruch zu haben. Zu der von ihm angestrebten Verurteilung der Versicherung kam es nicht, da A nach einem Hinweis des Vorsitzenden der Zivilkammer auf mangelnde Fälligkeit der Forderung nicht mehr an den Erfolg seines Vorhabens glaubte und deshalb die Klage zurücknahm.
Strafbarkeit des A nach dem StGB? Die §§ 223 ff. StGB sind nicht zu prüfen.
A) Sounds
1. § 306a II StGB setzt als konkretes Gefährdungsdelikt voraus, dass die Tathandlung über die ihr innewohnende Gefährlichkeit hinaus in eine kritische Situation für das geschützte Rechtsgut -- die Gesundheit eines Menschen -- führt. In dieser Lage muss -- was nach allgemeiner Lebenserfahrung auf Grund einer objektiv nachträglichen Prognose zu beurteilen ist -- die Sicherheit einer bestimmten Person so stark beeinträchtigt sein, dass es nur noch vom Zufall abhängt, ob ihre Gesundheit verletzt wird oder nicht.
2. Zur Annahme einer konkreten Gesundheitsgefährdung in diesem Sinne reicht es noch nicht aus, dass sich Menschen in enger räumlicher Nähe zur Gefahrenquelle befinden.
B) Problemaufriss
Die Brandlegung der Versicherung wegen ist ein absoluter Klassiker. Für den Klausurersteller bietet diese Konstellation die Möglichkeit, die unterschiedlichsten Problemstellungen des Strafrecht AT und BT abprüfen zu können. Eine besondere Herausforderung stellt hierbei häufig die Frage dar, in welcher Reihenfolge die in Betracht kommenden Delikte zu prüfen sind. Konkurrenzrechtliche Erwägungen spielen hier ebenso eine Rolle wie die Verständlichkeit der gutachterlichen Aufarbeitung. Der Aufbau kann in Prüfungssituationen durchaus über mehrere Punkte entscheiden! Machen Sie sich daher schon im Vorfeld Aufbaufragen bewusst.
C) Lösung
Zu prüfen ist die Strafbarkeit des A.
I. §§ 306 I Nr. 1, 22, 23 I StGB
A könnte sich durch das Legen des Feuers wegen versuchter Brandstiftung gemäß §§ 306 I Nr. 1, 22, 23 I StGB strafbar gemacht haben.
1. Vorprüfung
Zunächst dürfte keine vollendete Brandstiftung vorliegen. Zwar stellt das an das Haus des A angrenzende Mehrfamilienhaus ein für A fremdes Gebäude dar; dieses müsste A für eine Vollendung der Tat jedoch auch in Brand gesetzt oder durch Brandlegung ganz oder teilweise zerstört haben. Inbrandsetzen ist das Entzünden eines Gegenstands, sodass er brennt; dabei muss der Brand wesentliche Teile des Gegenstands so erfasst haben, dass diese selbstständig weiterbrennen.1 Das von A gelegte Feuer griff vorliegend nicht auf das Nachbarhaus über, sodass ein Inbrandsetzen hier nicht vorliegt. Mangels Schäden an dem Haus scheidet zudem auch eine Zerstörung durch Brandlegung aus. Es ist daher keine vollendete Tat i.S.d. § 306 I Nr. 1 StGB gegeben.
Die Strafbarkeit des Versuchs ergibt sich aus dem Verbrechenscharakter der Brandstiftung gemäß §§ 306 I, 12 I, 23 I StGB.
2. Tatentschluss
A müsste einen Tatentschluss zur Brandstiftung, also Vorsatz hinsichtlich aller objektiven Tatbestandsmerkmale des § 306 I Nr. 1 StGB gehabt haben. Vorsatz ist das Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung.2 Dabei genügt es, wenn der Täter i.S.d. dolus eventualis die Tatbestandsverwirklichung für möglich hält und den Erfolgseintritt billigend in Kauf nimmt.3
A wusste, dass das Nachbarhaus nicht ihm gehörte und insofern ein fremdes Gebäude darstellte. Er hielt jedoch ein Übergreifen des Brandes auf das Nachbarhaus für ausgeschlossen. Auch rechnete er nicht damit, dass infolge des Brandes Schäden an dem Nachbarhaus entstehen könnten. Dementsprechend hatte er keinen Vorsatz hinsichtlich einer Inbrandsetzung oder Zerstörung durch Brandlegung und somit keinen ausreichenden Tatentschluss.
Zwischenergebnis: A hat sich nicht gemäß §§ 306 I Nr. 1 Alt. 1, 22, 23 I StGB strafbar gemacht.
II. § 306a I Nr. 1 StGB
Durch das Legen des Feuers könnte A sich aber wegen schwerer Brandstiftung gemäß § 306a I Nr. 1 StGB strafbar gemacht haben.
Dazu müsste der objektive Tatbestand erfüllt sein. Bei dem Haus des A müsste es sich um ein Gebäude handeln, das der Wohnung von Menschen dient. Dies war vorliegend zunächst der Fall. Allerdings könnte A sein Haus entwidmet haben. Eine derartige Aufhebung der Zweckbestimmung eines Wohngebäudes ist durch die tatsächlichen Bewohner möglich; hierzu ist kein nach außen erkennbarer Akt vor der Tat erforderlich, sondern es genügt bereits das Inbrandsetzen einer Räumlichkeit durch den einzigen bzw. alle Bewohner.4 Demgemäß hat A sein Haus durch dessen Inbrandsetzen entwidmet; es stellte daher zu diesem Zeitpunkt nicht länger ein Gebäude dar, welches der Wohnung von Menschen dient.
Etwas anders gilt hingegen für das benachbarte Mehrfamilienhaus; dieses dient ebenfalls der Wohnung von Menschen und ist dieser Zweckbestimmung auch nicht enthoben worden. Indes fehlte es, wie bereits dargestellt, hinsichtlich des Nachbarhauses an einem Brandstiftungserfolg.
Folglich ist der objektive Tatbestand nicht erfüllt.
Zwischenergebnis: A hat sich auch nicht gemäß § 306a I Nr. 1 StGB strafbar gemacht.
Anmerkung: Die Entwidmung des Hauses durch A lässt überdies einen Vorsatz des A zu einer schweren Brandstiftung entfallen. Im Hinblick auf das Nachbarhaus fehlt es wiederum am Vorsatz hinsichtlich eines Brandstiftungserfolgs. Mangels Tatentschlusses scheidet daher hier eine Strafbarkeit wegen versuchter schwerer Brandstiftung gemäß §§ 306a I Nr. 1, 22, 23 I StGB von vornherein aus.
III. § 306a II StGB
Durch die Brandlegung in seinem Haus könnte A sich aber wegen einer schweren Brandstiftung gemäß § 306a II StGB strafbar gemacht haben.
1. Objektiver Tatbestand
Der objektive Tatbestand müsste erfüllt sein.
a) Sache i.S.d. § 306 I Nr. 1 - 6 StGB
Tatobjekt müsste eine Sache i.S.d. § 306 I Nr. 1 bis Nr. 6 StGB gewesen sein. Das Haus des A ist ein Gebäude i.S.d. § 306 I Nr. 1 StGB. Insoweit ist nach der h.M. nicht erforderlich, dass die Sache fremd ist; der Wortlaut verweist insoweit lediglich auf die Aufzählung in § 306 I Nr. 1 bis Nr. 6 StGB und gerade nicht auf das Merkmal der Fremdheit in § 306 I StGB.5
b) Inbrandsetzen oder Zerstörung durch Brandlegung
Weiter müsste A sein Haus in Brand gesetzt oder durch Brandlegung ganz oder teilweise zerstört haben. Das von A gelegte Feuer ergriff das Haus des A so, dass dieses in voller Ausdehnung brannte; insofern liegt ein Inbrandsetzen vor. Überdies brannte das Gebäude vollständig nieder, wurde also durch die Brandlegung auch vollständig zerstört.
c) Gesundheitsgefährdung
Schließlich müsste durch das Inbrandsetzen bzw. die Brandlegung ein anderer Mensch in die konkrete Gefahr einer Gesundheitsschädigung gebracht worden sein und sich so gerade das spezifische Risiko der Brandstiftung verwirklicht haben.
Eine solche Gesundheitsgefährdung setzt voraus, dass die Tathandlung über die ihr innewohnende latente Gefährlichkeit hinaus in eine kritische Situation für die Gesundheit eines Menschen führt. Die Sicherheit einer Person muss dabei -- was nach der allgemeinen Lebenserfahrung auf Grund einer objektiv nachträglichen Prognose zu beurteilen ist -- so stark beeinträchtigt sein, dass es nur noch vom Zufall abhängt, ob ihre Gesundheit verletzt wird oder nicht. Hierzu reicht es noch nicht aus, dass sich Menschen in enger räumlicher Nähe zur Gefahrenquelle befinden.6
Vorliegend führte der von A herbeigeführte Brand seines Hauses dazu, dass der sich entwickelnde Rauch in das Schlafzimmer der N zog. Dass sich daraufhin plötzlich die Windrichtung änderte, sodass N nur einer begrenzten Menge von Rauch ausgesetzt war und daher der Eintritt einer Gesundheitsschädigung bei ihr trotz ihrer Lungenkrankheit ausblieb, stellte sich insofern als reiner Zufall dar. In der Rauchentwicklung liegt dabei gerade ein spezifisches Risiko einer Brandstiftung. Demzufolge war die Gesundheit der N konkret gefährdet.
Der objektive Tatbestand ist mithin erfüllt.
2. Subjektiver Tatbestand
Weiter müsste auch der subjektive Tatbestand gegeben sein. A müsste Vorsatz hinsichtlich des objektiven Tatbestands gehabt haben.
A wollte bewusst sein Haus in Brand setzen und es dadurch zerstören. Dabei erkannte er auch und nahm billigend in Kauf, dass die im angrenzenden Mehrfamilienhaus bei offenem Fenster schlafende, schwer lungenkranke N in ihrer Gesundheit gefährdet würde. Er handelte daher vorsätzlich.
Der subjektive Tatbestand ist erfüllt.
3. Rechtswidrigkeit und Schuld
Mangels ersichtlicher Rechtfertigungs-, Schuldausschließungs- oder Entschuldigungsgründe war die Tat auch rechtswidrig und schuldhaft.
Zwischenergebnis: A hat sich gemäß § 306a II StGB strafbar gemacht.
hemmer-Methode: Grundsätzlich sind in Betracht kommende Straftaten, die -- wie hier die Brandstiftungsdelikte -- in einem Qualifikationsverhältnis stehen und durch dieselbe Handlung verwirklicht sein könnten, im Zusammenhang abzuarbeiten. Zur Vermeidung eines komplizierten Schachtelaufbaus mit Inzidentprüfung der §§ 263, 265 StGB innerhalb der besonders schweren Brandstiftung wird die Prüfung des § 306b II StGB hier jedoch ausnahmsweise nach hinten verlagert.
IV. § 265 I Var. 2 StGB
Zudem könnte sich A durch die Brandlegung wegen eines Versicherungsmissbrauchs gemäß § 265 I Var. 2 StGB strafbar gemacht haben.
1. Objektiver Tatbestand
Zunächst müsste der objektive Tatbestand vorliegen. A müsste eine i.S.d. § 265 I StGB versicherte Sache zerstört haben.
Für das Haus des A bestanden eine Hausrats- sowie eine Wohngebäudeversicherung, bei denen davon auszugehen ist, dass sie insbesondere auch die Risiken der Untergangs und der Beschädigung absicherten. Insofern handelt es sich bei dem Haus des A um eine versicherte Sache in diesem Sinne.
Indem A das Haus derart in Brand setzte, dass dieses vollständig niederbrannte, hat er die versicherte Sache auch zerstört.
Der objektive Tatbestand ist geben.
2. Subjektiver Tatbestand
Auch der subjektive Tatbestand müsste erfüllt sein. A müsste zunächst Vorsatz hinsichtlich des objektiven Tatbestands gehabt haben. Wie bereits dargelegt, wollte A bewusst sein Haus in Brand setzen und es dadurch zerstören. Daher hatte er den erforderlichen Vorsatz.
Darüber hinaus müsste A in der Absicht gehandelt haben, sich oder einem Dritten Leistungen aus der Versicherung zu verschaffen. Vorliegend beging A die Brandstiftung mit dem Plan, anschließend die Versicherungsleistungen aus der bestehenden Hausrats- und Wohngebäudeversicherung geltend zu machen. Auf den Erhalt dieser Leistungen kam es ihm bei der Tat gerade an. Folglich hatte A auch die erforderliche Absicht der Verschaffung von Versicherungsleistungen.
Der subjektive Tatbestand liegt ebenfalls vor.
3. Rechtswidrigkeit und Schuld
Die Tat war auch rechtswidrig und schuldhaft.
Zwischenergebnis: A hat sich gemäß § 265 I Var. 2 StGB strafbar gemacht.
V. §§ 263 I, III S. 2 Nr. 5, 22, 23 I StGB
Darüber hinaus könnte sich A wegen eines versuchten Versicherungsbetrugs, d.h. eines versuchten Betrugs im besonders schweren Fall, gemäß §§ 263 I, III S. 2 Nr. 5, 22, 23 I StGB strafbar gemacht haben, indem er den Brand der Versicherung meldete.
1. Vorprüfung
Es dürfte zunächst kein vollendeter Versicherungsbetrug vorliegen. Die Versicherung hat zu keiner Zeit Zahlungen an A geleistet oder sonstige Leistungen an ihn erbracht, sodass es an einer Vermögensverfügung fehlt. Die Vollendung des Betrugs ist daher nicht eingetreten.
Die Versuchsstrafbarkeit ergibt sich aus § 263 II StGB.
2. Tatentschluss
A müsste einen Tatentschluss hinsichtlich eines Betrugs i.S.d. § 263 I StGB gehabt haben.
a) Vorsatz bzgl. des objektiven Tatbestands
Erforderlich ist dabei zunächst Vorsatz hinsichtlich aller objektiven Tatbestandsmerkmale des § 263 I StGB.
Durch die Meldung des Schadens und die Andeutung, mit dem Brand nichts zu tun zu haben, wollte A dem zuständigen Sachbearbeiter der Versicherung vorspiegeln, einen Leistungsanspruch zu haben, obwohl er wusste, dass die Versicherung wegen der vorsätzlichen Herbeiführung des Schadensfalls durch A tatsächlich zu keiner Leistung verpflichtet war (§ 81 I VVG). Mithin wollte A den Sachbearbeiter bewusst über Tatsachen täuschen.
Hierdurch sollte dieser nach dem Plan des A fälschlicherweise das Bestehen eines solchen Anspruchs annehmen, also einem Irrtum unterliegen, und dem A infolgedessen die Versicherungssumme ausbezahlen und auf diese Weise über das Vermögen der Versicherung verfügen.
Dabei wusste A, dass mangels eines der Auszahlung gegenüberstehenden Anspruchs hierdurch eine Minderung und damit ein Schaden des Vermögens bei der Versicherung entstünde.
A hatte folglich Vorsatz zu einem Betrug.
b) Bereicherungsabsicht
Weiter müsste A die Absicht gehabt haben, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, der i.S.d. Stoffgleichheit unmittelbare Folge der Vermögensverfügung wäre.
A kam es gerade darauf an, die Versicherungssumme ausgezahlt zu bekommen, ohne hierauf einen Anspruch zu haben, und so unmittelbar durch die vermögensschädigende Verfügung des Sachbearbeiters sein eigenes Vermögen zu mehren. Mithin hatte A die Absicht, sich einen rechtswidrigen und mit dem Vermögensschaden stoffgleichen Vermögensvorteil zu verschaffen. Dabei hatte er auch Kenntnis von der Rechtswidrigkeit und Stoffgleichheit. Insofern hatte A Bereicherungsabsicht.
Ein Tatentschluss des A zu einem Betrug ist somit gegeben.
3. Unmittelbares Ansetzen
Weiter müsste A zu der Tat unmittelbar angesetzt haben. Unmittelbares Ansetzen liegt vor, wenn der Täter subjektiv die Schwelle zum „Jetzt geht es los" überschritten hat und objektiv nach seiner Vorstellung das geschützte Rechtsgut in eine konkrete nahe Gefahr gebracht hat.7 Dies ist insbesondere dann zu bejahen, wenn bereits ein Tatbestandsmerkmal verwirklicht wurde.8
Vorliegend rief A die Versicherung an, meldete den Schadensfall und gab vor, nichts mit dem Brand zu tun zu haben. Hierin lag bereits die von A geplante Täuschung über Tatsachen und demgemäß die Verwirklichung eines Tatbestandsmerkmals. Unmittelbares Ansetzen ist daher gegeben.
4. Rechtswidrigkeit und Schuld
Die Tat des A war rechtswidrig und schuldhaft.
5. Strafzumessung
Zudem könnte vorliegend der erhöhte Strafrahmen des besonders schweren Falls in Form des Versicherungsbetrugs gemäß § 263 III S. 2 Nr. 5 Alt. 1 StGB anwendbar sein.
Dazu musste A einen Versicherungsfall vorgetäuscht haben, nachdem er oder ein anderer zu diesem Zweck eine Sache von bedeutendem Wert in Brand gesetzt oder durch Brandlegung ganz oder teilweise zerstört hat. Wie bereits dargestellt, bezog sich die Täuschung des A auf das Vorliegen eines Versicherungsfalls. Sie erfolgte, nachdem A zu genau diesem Zweck sein Haus, also eine Sache von bedeutendem Wert, in Brand gesetzt hatte. Bei alledem handelte A auch mit Wissen und Wollen.
Die Voraussetzungen des § 263 III S. 2 Nr. 5 Alt. 1 StGB sind folglich gegeben.
hemmer-Methode: Die hier gewählte Prüfungsreihenfolge der Strafzumessungsvorschrift und des persönlichen Strafaufhebungsgrunds des Rücktritts gemäß § 24 StGB ist nicht zwingend.
Entscheiden Sie dies nach der Lage des jeweiligen Einzelfalls: Einerseits ist es wenig sinnvoll, Strafzumessungsgründe zu erörtern, wenn anschließend die Strafbarkeit wegen eines erfolgten Rücktritts insgesamt entfällt; andererseits können gerade im Bereich eines Regelbeispiels durchaus noch Punkte zu holen sein!
6. Rücktritt
A könnte jedoch i.S.d. § 24 I StGB vom Betrugsversuch zurückgetreten sein, indem er die gegen die Versicherung erhobene Leistungsklage zurücknahm.
a) Einheitliches Geschehen
Hierzu ist aber zunächst erforderlich, dass es sich bei der telefonischen Geltendmachung von Ansprüchen auf Versicherungsleistungen und der Anspruchsverfolgung im Klagewege um ein- und dieselbe Versuchstat handelt. Setzt der Täter mehrfach zur Tat an, so ist Voraussetzung für die Annahme nur eines einzigen Versuchs, dass die vorausgegangenen, erfolglos gebliebenen Teilakte mit dem neuen Anlauf, auf den der Täter schließlich verzichtet hat, einen einheitlichen Lebensvorgang bilden. Dabei ist ein räumlicher und zeitlicher Zusammenhang erforderlich.9
Dies könnte vorliegend insofern zweifelhaft sein, als zwischen den einzelnen Handlungsansätzen des A mehrere Monate lagen und insofern kein enger zeitlicher Zusammenhang bestand. Indes hat der BGH jedenfalls für die Erpressung entschieden, dass von einem einheitlichen Lebensvorgang auch dann auszugehen ist, wenn durch die z.T. mehrere Wochen auseinanderliegenden Einzelakte, die auf die Willensentschließung des Opfers einwirken sollen, letztlich nur die ursprüngliche Drohung durchgehalten wird.10 Auch ist ein Versicherungsbetrug, bei dem der Täter zunächst nur eine Teilleistung von der Versicherung erhält und seine restliche Forderung unter Weiterverfolgung seines ursprünglichen Tatplans erst vor Gericht erfolgreich durchsetzt, ebenfalls nur als eine einzige Tat anzusehen.
Diese Grundsätze sind daher auch für den vorliegenden Fall eines erfolglosen Betrugsversuchs heranzuziehen. So hat A hier sein ursprüngliches Ziel, Leistungen von der Versicherung zu erlangen, die gesamte Zeit über beibehalten und innerhalb eines einheitlichen Ziels weiterverfolgt. Hierfür spricht auch die Tatsache, dass es -- bei tatsächlichem Bestehen eines Leistungsanspruchs -- der allgemeinen Lebenserfahrung entspricht, dass der Versicherungsnehmer nach Ablehnung der Leistung durch die Versicherung diese nicht sofort einklagt, sondern sich zunächst beraten lässt und eine Bedenkzeit nimmt, sodass erst nach Wochen oder Monaten rechtliche Schritte eingeleitet werden; in diesem Fall dürfte fraglos von einem einheitlichen Lebensvorgang zu sprechen sein.
Nach alledem ist vorliegend von mehreren Teilakten eines einzigen Versuchs auszugehen.
hemmer-Methode: Dogmatisch dürfte es sich richtigerweise um einen Fall der sog. tatbestandlichen Handlungseinheit handeln. Instruktiv zu den Konkurrenzen vgl. Berberich/Löper, Life & Law 2012, 907 ff.
b) Kein fehlgeschlagener Versuch
Der Betrugsversuch dürfte nicht fehlgeschlagen sein. Ein fehlgeschlagener Versuch liegt vor, wenn der Taterfolg aus Sicht des Täters mit den bereits eingesetzten oder den zur Hand liegenden Mitteln nicht mehr erreicht werden kann, ohne dass eine ganz neue Handlungs- und Kausalkette in Gang gesetzt wird.11 Vorliegend glaubte A infolge des richterlichen Hinweises nicht mehr, die begehrte Versicherungssumme erlangen zu können. Mithin war der Taterfolg aus seiner Sicht nicht mehr erreichbar. Der Versuch ist daher fehlgeschlagen mit der Folge, dass ein strafbefreiender Rücktritt nach § 24 I StGB für A nicht mehr möglich war.
Zwischenergebnis: A hat sich gemäß §§ 263 I, III S. 2 Nr. 5, 22, 23 I StGB strafbar gemacht.
VI. § 306b II Nr. 2 StGB
Schließlich könnte sich A durch das Legen des Feuers wegen einer besonders schweren Brandstiftung gemäß § 306b II Nr. 2 StGB strafbar gemacht haben.
1. Objektiver Tatbestand
Den in objektiver Hinsicht erforderlichen Fall des § 306a StGB hat A, wie bereits dargestellt, in Form des § 306a II StGB erfüllt.
2. Subjektiver Tatbestand
In subjektiver Hinsicht ist erforderlich, dass A dabei in der Absicht gehandelt hat, eine Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken.
Den Versicherungsmissbrauch nach § 265 I StGB hat A dabei durch die Brandstiftung selbst begangen, sodass es sich hierbei nicht um eine „andere" Tat in diesem Sinne handelt.
A plante jedoch, durch die Brandstiftung einen für den nächsten Tag vorgesehenen Versicherungsbetrug nach § 263 I, III S. 2 Nr. 5 StGB zu begehen. Hierbei handelt es sich um eine weitere, andere Tat.
Bezüglich der „anderen Tat" genügt dabei bereits bedingter Vorsatz; die Absicht i.S.d. § 306 II Nr. 2 StGB muss sich insofern ausschließlich auf die Verknüpfung der Brandstiftungshandlung mit dem Erfolg einer bestimmten weiteren Tat beziehen.12 A hatte bereits bei der Brandstiftung den Plan, am nächsten Tag einen Versicherungsbetrug zu begehen. Dabei kam es ihm gerade darauf an, durch die Brandlegung die Voraussetzungen für das Vortäuschen eines Versicherungsfalls zu schaffen. Dementsprechend hatte er Vorsatz hinsichtlich der weiteren Tat sowie eine entsprechende Ermöglichungsabsicht.
Der subjektive Tatbestand ist erfüllt.
3. Rechtswidrigkeit und Schuld
Die Tat war zudem auch rechtswidrig und schuldhaft.
Zwischenergebnis: A hat sich auch gemäß § 306b II Nr. 2 StGB strafbar gemacht.
VII. Ergebnis / Konkurrenzen
Die von A begangene besonders schwere Brandstiftung verdrängt als Qualifikation den § 306a II StGB. § 265 I StGB tritt kraft gesetzlich angeordneter Subsidiarität hinter den versuchten Betrug in einem besonders schweren Fall zurück. Dieser erst am folgenden Tag begangene Versuch des Versicherungsbetrugs steht zu § 306b II Nr. 2 StGB in Tatmehrheit.
A ist daher strafbar gemäß §§ 306b II Nr. 2, 263 I, III S. 2 Nr. 5, 22, 23 I, 53 StGB.
D) Kommentar
(bb). Die der Entscheidungsbesprechung zugrunde liegende Sachverhaltskonstellation eignet sich sehr gut als Vorlage für das Erstellen einer anspruchsvollen Klausur. Brandstiftungsdelikte werden immer wieder gerne abgeprüft, häufig im Kontext mit AT-Problemen.13 Nicht selten sind zahlreiche Vorschriften zu prüfen, sodass Sie genau erwägen sollten, in welcher Reihenfolge dies sinnvoll ist.
Als „Grundtatbestände" der Brandstiftungsdelikte zu bezeichnen sind die §§ 306, 306a I, 306a II StGB. An diese knüpfen die sonstigen Vorschriften regelmäßig an. Von besonderer Bedeutung ist die Qualifikation des § 306a II Nr. 2 StGB: Durch die Anknüpfung an eine „andere Straftat" ergeben sich regelmäßig Aufbauschwierigkeiten. Häufig dürfte es sinnvoll sein, die insoweit in Betracht kommenden Vorschriften „vorzuziehen", um eine komplizierte Inzidentprüfung zu vermeiden.14
E) Zur Vertiefung
- Brandstiftungsdelikte
Hemmer/Wüst, Strafrecht BT II, Rn. 288 ff.
- Konkurrenzen
Berberich/Löper, Life & Law 2012, 907 ff.
F) Wiederholungsfragen
- Was ist unter einer Entwidmung i.S.v. § 306a I Nr. 1 StGB zu
verstehen?
- Warum kommt § 265 StGB nicht als „andere Straftat" i.S.v. § 306b II Nr. 2 Alt. 1 StGB in Betracht?
-
Vgl. Fischer, § 306 StGB, Rn. 14.↩
-
Vgl. Fischer, § 15 StGB, Rn. 3.↩
-
Vgl. Fischer, § 15 StGB, Rn. 9, 9b.↩
-
Vgl. Fischer, § 306a StGB, Rn. 4a.↩
-
Vgl. zu diesem Streit Fischer, § 306a StGB, Rn. 10b m.w.N.↩
-
So die Ausführungen des BGH in der zu Grunde liegenden Entscheidung.↩
-
Vgl. Fischer, § 22 StGB, Rn. 10.↩
-
Vgl. Fischer, § 22 StGB, Rn. 9.↩
-
So die Ausführungen des BGH in der zu Grunde liegenden Entscheidung.↩
-
Vgl. BGHSt 41, 368 ff.↩
-
Vgl. Fischer, § 24 StGB, Rn. 7.↩
-
Vgl. Fischer, § 360b StGB, Rn. 10a.↩
-
In Bayern etwa zuletzt im Examenstermin 2014/I, 1. Staatsexamen.↩
-
Instruktiv aus der jüngeren Rechtsprechung zu den Brandstiftungsdelikten BGH, Urteil vom 06.03.2013 -- 1 StR 585/12↩