Auslieferungsverbot bei menschenunwürdigen Zuständen

von justico.de am 06.02.2016

Auslieferungen in ein anderes Land dürfen abgelehnt werden, wenn der Auslieferung die Grundprinzipien des Grundgesetzes entgegenstehen. So das Bundesverfassungsgericht in einer aktuellen Entscheidung (Az. 2 BvR 2735/14), die im Gegensatz zu einer Entscheidung des EuGH in einem vergleichbaren Fall steht. Bauchschmerzen bereitete allen Gerichten, die sich bisher mit dem Fall beschäftigten hatten, die Tatsache, dass im italienischen Recht eine Verurteilung des Angeklagten ohne dessen Anwesenheit möglich ist. Der EuGH vertritt dazu eine klare Linie und sieht darin kein Problem: Denn wenn die im Rahmenbeschluss zum EU-Haftbefehl normierten Ausnahmen nicht eingreifen, dürfen die Gerichte der Mitgliedstaaten keine weitergehenden Ausnahmen auf Grundlage ihrer jeweiligen Rechtsordnung konstruieren. Dies sieht das BVerfG - welches darüber zu entscheiden hatte, weil der in Italien angeklagte in Deutschland gefunden und festgenommen wurde - anders: Grundsätzlich genieße das Europarecht bei der Prüfung von Hoheitsakten zwar einen Anwendungsvorrang vor dem Grundgesetz. Dies gelte aber nicht mehr, wenn die europäische Rechtslage mit dem unveränderlichen Kern der deutschen Verfassung unvereinbar sei. Zu dieser "Verfassungsidentität" zählt unter anderem der Schutz der Menschenwürde nach Art. 1 GG. Diese wurde nach dem BVerfG durch die Verurteilung des Angeklagten in seiner Abwesenheit verletzt, denn das geltende Schuldprinzip sei Ausfluss der Menschenwürde.

https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2015/12/rs20151215_2bvr273514.html