Abschleppen die X-te: Jetzt wird es konkret: Welche Kosten dürfen angesetzt werden?

BGH, Urteil vom 04.07.2014, V ZR 229/13

von Life and Law am 01.11.2014

+++ Abschleppkosten bei Eigentumsverletzung +++ Abtretung der Ersatzansprüche an Abschleppunternehmer +++ Hinterlegung zwecks Freigabe des Fahrzeugs +++ §§ 249 I, 858 I, 859 I, III BGB +++

Sachverhalt (leicht abgewandelt): K parkt unberechtigt auf dem als solchen gekennzeichneten Kundenparkplatz des Fitnessstudios des M. M beauftragte U aufgrund eines Rahmenvertrags mit dem Entfernen des Fahrzeugs. Hierfür war ein Betrag in Höhe von 250,- € vereinbart worden. In dem Rahmenvertrag waren diese Kosten nach folgenden Positionen gegliedert:

1. Zuordnung des Fahrzeugs in eine Fahrzeugkategorie

2. Anfordern eines geeigneten Lade- und Transportmittels

3. Visuelle Sichtung des Fahrzeugs auf Beschriftung und Sichtung des Inneren von außen

4. Prüfen des Fahrzeugs auf Sicherung gegen unbefugtes Benutzen

5. Prüfen auf StVO-Zulassung

6. Visuelle äußere technische Sichtung/Messung des Fahrzeugs hinsichtlich der

Lademöglichkeiten und Ladungssicherung während des Transports

7. Prüfen des Fahrzeugs auf Sicherung gegen Wegrollen

8. Visuelle Sichtung auf bereits vorhandene Schäden und deren Protokollierung

9. Überprüfung/Kontrolle der beauftragten Flächen hinsichtlich widerrechtlich abgestellter

Pkw

10. Beweissicherung vor Ort, Datum und Zeit der Besitzstandstörung

M tritt ihre Ersatzansprüche gegen K an U ab. Nachdem U das Fahrzeug abgeschleppt hatte, teilte er K mit, man werde den Standort des Fahrzeugs bei Zahlung von 250,- € bekanntgeben.

Der Anwalt des K forderte U sodann auf, den Standort gegen Zahlung eines Betrags in Höhe von 150,- € bekannt zu geben. Ein Anspruch in Höhe von 250,- € bestehe nicht. U kam dem Begehren nicht nach. Daraufhin hinterlegte K beim Amtsgericht 250,- €, woraufhin U den Standort des Fahrzeugs mitteilte.

K fordert von U nunmehr die Einwilligung in die Freigabe des hinterlegten Betrags, soweit dieser 150,- € übersteigt. Insbesondere die Positionen 9 und 10, auf die ein Betrag in Höhe von 100,- € entfallen, seien nicht ersatzfähig.

Wäre eine Klage des K gegen U dem Grunde nach begründet?

A) Sounds

1. Wer sein Fahrzeug unbefugt auf dem Grundstück eines anderen abstellt, haftet dem Grunde nach auf den Ersatz der mit dem Abschleppen verbundenen Kosten.

2. Die Höhe der erstattungsfähigen Kosten bemisst sich nach den ortsüblichen Kosten für das Abschleppen und für die unmittelbar mit der Vorbereitung des Abschleppvorgangs verbundenen Dienstleistungen.

3. Tritt der Auftraggeber seine Ansprüche gegen den Schädiger an den Abschleppunternehmer ab, und zahlt der Schädiger zur Auslösung seines Fahrzeugs einen Betrag, der über den ortsüblichen Kosten liegt, findet die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung im Verhältnis zum Zedenten statt.

4. Die Rückabwicklung findet im Verhältnis zum Zessionar nur dann statt, wenn der zu hohe Betrag bei Gericht hinterlegt worden war, um die Freigabe des Fahrzeugs zu erwirken.

B) Problemaufriss

Nachdem der BGH im Jahre 2009 entschieden hatte, dass Abschleppkosten dem Grunde nach einen ersatzfähigen Schaden darstellen, wenn ein Grundstückseigentümer einen Falschparker abschleppen lässt,1 erlebte die „Abschleppbranche" einen wahren Boom. Überliefert sind sogar Fälle, in denen Abschleppunternehmer die jeweiligen Grundstückseigentümer an ihren Gewinnen beteiligen.

Hinsichtlich der Abwicklung ist es mittlerweile üblich, dass der Grundstückseigentümer bzw. -besitzer seine Ersatzansprüche an den Werkunternehmer abtritt. Dieser verlangt sodann vom Falschparker Zahlung und ist nur gegen diese Zahlung bereit, das Fahrzeug herauszugeben bzw. den Standort zu benennen, an welchen das Fahrzeug verbracht wurde. Da die Fahrzeugnutzer in der Regel dringend auf ihr Fahrzeug angewiesen sind, können die Werkunternehmer durchaus Druck hinsichtlich der Begleichung der Abschlepprechnung ausüben. Da verwundert es nicht, dass diese Kosten eine Höhe erreichen, die nicht angemessen erscheint. Der Falschparker wird den Betrag in der Regel zunächst begleichen, um sein Fahrzeug zurückzubekommen. Fordert er im Nachgang eine vermeintliche Überzahlung zurück, findet die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung grundsätzlich im Verhältnis zum Grundstückseigentümer statt.2 Dies stellt eine klassische bereicherungsrechtliche Dreieckssituation dar, welche im vorliegenden Fall eine Besonderheit aufweist: Der Betrag wurde bei Gericht hinterlegt. Hier stellt sich die Frage, ob nicht der Abschleppunternehmer selbst Anspruchsgegner sein muss.

Unabhängig von dieser Frage bringt die Entscheidung nun erstmals Klarheit hinsichtlich des Umfangs der erstattungsfähigen Kosten. Die Darstellung geht insoweit an manchen Stellen so ins Detail, dass die Redaktion der Life & Law sich eine Kürzung an den Stellen erlaubt, die für das Examen nicht relevant sind.

C) Lösung

Zu prüfen ist, ob K von U die Einwilligung in die Freigabe des bei Gericht hinterlegten Betrages verlangen kann, soweit dieser 100 € übersteigt.

Durch die Hinterlegung bei Gericht erlangt der Empfangsberechtigte die Stellung als Beteiligter im Hinterlegungsverfahren. In Betracht kommt daher ein bereicherungsrechtlicher Anspruch des K gegen U (in Höhe von 150,- €), wenn es dafür keinen Rechtsgrund gegeben haben sollte. Die Stellung im Hinterlegungsverfahren ist deshalb ein vermögensrechtlicher Vorteil, weil man als möglicher Empfangsberechtigter in Betracht kommt, vgl. Art. 18 II Nr. 1 BayHintG.

Anmerkung: Lassen Sie sich von diesem atypischen Aufhänger nicht abschrecken. Hintergrund der Hinterlegung (§§ 232 ff. BGB) ist § 273 III BGB. Streiten die Parteien über wechselseitige Ansprüche, die miteinander konnex sind i.S.d. § 273 I BGB, hat der Gläubiger die Möglichkeit, seinen Anspruch durchsetzbar zu machen, indem er das Zurückbehaltungsrecht durch Sicherheitsleistung abwendet. Diese Sicherheitsleistung erfolgt durch Hinterlegung des entsprechenden Geldbetrags. Steht der Gläubiger sodann auf dem Standpunkt, dass die hinterlegte Summe nicht geschuldet ist, kann er auf Freigabe klagen. Diese Klage wird auf § 812 I S. 1 Alt. 1 BGB gestützt. Besonderheit: „Erlangtes Etwas" ist noch nicht der Geldbetrag als solcher (dieser ist ja hinterlegt), sondern die Beteiligung am Hinterlegungsverfahren (s.o.). Gibt es dafür keine materiell-rechtliche Basis, hat der Empfangsberechtigte diesen Vorteil ohne Rechtsgrund erlangt. In der Sache handelt es sich also um eine „ganz normale" bereicherungsrechtliche Prüfung.

I. Anspruch aus § 812 I S. 1 Alt. 1 BGB

Zu prüfen ist also, ob ein bereicherungsrechtlicher Anspruch zwischen U und K besteht. Zusätzlich dürften der Rückabwicklung zwischen U und K keine Wertungsgesichtspunkte entgegenstehen.

1. Tatbestand des § 812 I S. 1 Alt. 1 BGB

U hat durch Leistung des K einen Anspruch auf Freigabe des zu seinen Gunsten hinterlegten Betrags erlangt. Fraglich ist, ob dies auch ohne Rechtsgrund erfolgte. Ein Rechtsgrund läge vor, wenn U von K Zahlung eines Betrags in Höhe von 250,- € verlangen könnte.

Da im Verhältnis U zu K unmittelbar keine rechtliche Beziehung besteht, könnte sich ein Rechtsgrund aus Ansprüchen des M gegen K ergeben, welche wirksam an U abgetreten worden sein müssten.

a) Ansprüche des M gegen K als „Rechtsgrund"

Möglicherweise standen M gegen K wegen des unberechtigten Abstellens seines Pkw Ersatzansprüche zu.

aa) Anspruch aus §§ 823 II, 858 I BGB dem Grunde nach (+)

Nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung des BGH3 besteht bei unberechtigtem Abstellen eines Pkw dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch gem. §§ 823 II, 858 I BGB. Das unberechtigte Abstellen eines Pkw stellt verbotene Eigenmacht dar, derer sich M gem. §§ 859 I, III BGB grundsätzlich durch das Abschleppen erwehren darf.

Anmerkung: An dieser Stelle halten wir die Besprechung der Thematik bewusst kurz, weil der Fall insoweit nichts Neues bringt. In der Examensklausur dürften Sie sich auf die Prüfung dieser Anspruchsgrundlage nicht beschränken und müssten den Tatbestand intensiver ausführen. Zusätzlich käme noch ein Ersatzanspruch aus §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB sowie ein solcher aus § 823 I BGB wegen Eigentumsverletzung bzw. Verletzung des berechtigten Besitzes als sonstigem Recht in Betracht. Falls Ihnen diese Anspruchsgrundlagen im Zusammenhang mit den Abschleppfällen noch nicht hinreichend geläufig sind, lesen Sie die Besprechung in Life & Law 2012, 853 ff. nach!

bb) Problem: Höhe der Abschleppkosten

Auch wenn der Anspruch dem Grunde nach besteht, stellt sich die Frage, ob M einen Schaden erlitten hat, und wenn ja, in welcher Höhe. Ein Schaden könnte darin zu erblicken sein, dass er in Höhe von 250,- € mit einem gegen ihn gerichteten Anspruch gem. § 631 BGB auf Erstattung der Abschleppkosten an U belastet ist. Zwar resultiert dieser Anspruch aus einem eigenen Entschluss des M, das Fahrzeug des K abschleppen zu lassen. Sofern verbotene Eigenmacht gegeben ist, darf sich der Grundstückseigentümer allerdings herausgefordert fühlen, einen Abschleppvorgang durchführen zu lassen.

Problematisch ist jedoch, ob dies dem K auch in der vorliegenden vollen Höhe von 250,- € zugerechnet werden kann. Unabhängig davon, zur Zahlung welchen Betrags sich M gegenüber U verpflichtet, gilt für einen Ersatzanspruch gegen K, dass nur solche Kosten ersatzfähig sind, die zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands erforderlich i.S.d. § 249 II S. 1 BGB sind.

Aus dem Tatbestandsmerkmal der Erforderlichkeit ergibt sich das Gebot der Wirtschaftlichkeit der Schadensbehebung.4 Danach hat der Geschädigte unter mehreren zum Schadensausgleich führenden Möglichkeiten im Rahmen des ihm Zumutbaren und unter Berücksichtigung seiner individuellen Lage grundsätzlich den wirtschaftlichsten Weg zu wählen. Als erforderlich sind diejenigen Aufwendungen anzusehen, die ein verständiger und wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten machen würde.

Anmerkung: Dazu gehört beispielsweise auch, aus mehreren Angeboten dasjenige herauszusuchen, welches das gewünschte und geschuldete Ziel mit dem geringsten Preis erreichbar macht. Man wird hier nicht von einer Markterforschungspflicht des Geschädigten ausgehen müssen; dies insbesondere auch deshalb nicht, weil in der konkreten Situation unmittelbar eine Entfernung des Fahrzeugs erfolgen soll. Der BGH macht allerdings in dieser Entscheidung deutlich, dass sich die Kosten der Höhe nach im Rahmen desjenigen bewegen müssen, was ortsüblich ist. Bei extrem hohen Kosten darf also der Geschädigte nicht einfach unterschreiben, sondern muss ein Gegenangebot einholen, um eine Vergleichsbasis zu haben. Problematisch ist freilich, dass es einem Geschädigten in der konkreten Situation kaum möglich sein wird, die Ortsüblichkeit der Kosten zu erkennen, da das „Abschleppenlassen" nicht zu den Geschäften zählt, welche man tagtäglich vornimmt. Die Frage ist für eine Klausur jedenfalls denkbar ungeeignet. Auch der BGH hatte insoweit (parziell) mangels Feststellungen in der Vorinstanz zurückverwiesen. Allerdings kann man in der Klausur Ausführungen dazu erwarten, welche Einzelpositionen als geschuldet angesehen werden dürfen. Vgl. dazu die folgenden Ausführungen.

Im Hinblick auf die veranlassten Maßnahmen sind solche Schäden ersatzfähig, die in adäquatem Zusammenhang mit der von dem Schädiger verübten Eigenmacht stehen und von dem Schutzbereich der verletzten Norm erfasst werden.

Punkte 1 bis 3 des Vertrags

Danach gehören zu den erstattungsfähigen Kosten nicht nur die reinen Abschleppkosten, sondern auch die Kosten, die im Zusammenhang mit der Vorbereitung des Abschleppvorgangs entstanden sind, etwa durch die Überprüfung des unberechtigt abgestellten Fahrzeugs, um den Halter ausfindig zu machen, die Zuordnung in eine bestimmte Kategorie und das Anfordern eines geeigneten Abschleppfahrzeugs. Insoweit sind die Punkte 1 bis 3 des Vertrags zwischen M und U ersatzfähig.

Punkte 4 bis 8. des Vertrags

Fraglich ist, ob auch die Positionen 4 bis 8 zu den erforderlichen Kosten i.S.d. § 249 II S. 1 BGB gehören.

Sie dienen der Vorbereitung des Abschleppvorgangs, sowohl im Hinblick auf den Transport als auch im Hinblick auf den Verbringungsort. Insbesondere sind Kosten für die „visuelle äußere Sichtung auf bereits vorhandene Schäden und deren Protokollierung" nach überzeugender Ansicht des BGH erstattungsfähig. Diese Maßnahmen stehen zwar nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Vorbereitung und Durchführung des Abschleppvorgangs. Sie dienen aber der Beweissicherung und damit der späteren Abwicklung des Abschleppvorgangs, um unberechtigte Schadensersatzansprüche wegen angeblicher Beschädigungen abwehren zu können. Wenn sich ein Grundstückseigentümer herausgefordert fühlen darf, einen Abschleppvorgang durchzuführen, dann muss ihm in diesem Zusammenhang auch gestattet werden, sich gegen etwaige Folgeschäden abzusichern, die daraus resultieren, dass der Abgeschleppte behauptet, im Zuge des Abschleppens sei es zu Schäden am Fahrzeug gekommen.5

Punkte 9 bis 10 des Vertrags

Problematisch ist allerdings die Erstattungsfähigkeit der Positionen 9 und 10 des Vertrags.

Anerkannt ist, dass der Aufwand, der mit der Schadensabwicklung einhergeht, nicht ersetzt werden kann. Abgesehen von bestimmten Fällen, in denen der Ansatz von Schadenspauschalen anerkannt ist (Abwicklung von Verkehrsunfällen), steht die Rechtsprechung auf dem Standpunkt, dass die Abwicklung des Schadens auch und gerade zeitlich in den Risikobereich des Geschädigten fällt.

Fraglich ist, ob dies auch für Kosten gilt, die im Vorfeld der Besitzstörung im Zusammenhang mit der Parkraumüberwachung entstehen. Problematisch ist die Ersatzfähigkeit deshalb, weil diese Kosten auch unabhängig von einer konkreten Besitzstörung angefallen wären, also bereits in zeitlicher Hinsicht nicht kausal auf die Schädigung zurückzuführen sind.

Grundsätzlich können aber nur solche Kosten in Ansatz gebracht werden, die infolge der Schädigung beim Geschädigten entstehen.

Kosten der Parkraumüberwachung dienen nicht der Beseitigung der Besitzstörung, sondern sind im Zusammenhang mit deren Feststellung angefallen und zählen nicht zu den adäquat verursachten und damit ersatzfähigen Schäden.

Fraglich ist, ob sich etwas anderes ergeben kann aus einem Vergleich mit den sog. Fangprämien, bei welchen die Auslobung auch im Vorfeld der eigentlichen Schädigung liegt.

Dies weist der BGH aber zutreffend zurück. Allgemeinen Überwachungskosten fehlt der innere Zusammenhang zu der konkreten Besitzstörung. Dies ist bei Fangprämien anders, weil sie an den Erfolg des Erfassens des konkreten Ladendiebes anknüpfen, d.h. auch nur dann anfallen, wenn ein Diebstahl aufgedeckt wird.

Anders ausgedrückt: Kein Diebstahl, keine Fangprämie; aber: keine Besitzstörung, trotzdem Überwachungskosten.

Da die Positionen 9 und 10 laut Sachverhalt 100,- € ausmachen, besteht insoweit kein Anspruch zwischen M und K, sodass die Abtretung insoweit ins Leere geht.

Besteht aber kein Erstattungsanspruch, so gibt es insoweit auch keine rechtliche Basis für einen Anspruch auf Freigabe des hinterlegten Betrags. In Höhe von 100,- € hat U daher den Freigabeanspruch ohne Rechtsgrund erlangt.

b) Wirksame Abtretung an U? Problem: § 399 Alt. 1 BGB

Aber auch bezogen auf den Restbetrag in Höhe von 150,- € würde ein Rechtsgrund zwischen U und K nur dann bestehen, wenn eine wirksame Abtretung vorliegt. Ein Abtretungsvertrag gem. § 398 BGB liegt laut Sachverhalt vor. Möglicherweise ist die Abtretung aber unwirksam gem. § 399 Alt. 1 BGB, weil sie mit einer Inhaltsänderung verbunden ist.

Der Inhalt des Anspruchs M gegen K ist darauf gerichtet, von den Ansprüchen des U freigestellt zu werden. Wird nun dieser Anspruch an U abgetreten, wandelt sich der Freistellungsanspruch in einen Zahlungsanspruch, sodass eine Inhaltsänderung vorliegt.

Fraglich ist allerdings, ob in einem solchen Fall die Intention der Vorschrift überhaupt betroffen ist. Der Schuldner soll davor geschützt werden, sich gegenüber einem neuen Gläubiger auf einen anderen Inhalt des Anspruchs einstellen zu müssen. Hier war es aber bereits vor der Abtretung so, dass K an U hätte zahlen müssen, weil genau so die geschuldete Freistellung gegenüber M erfolgen würde. Wenn nun dieser Anspruch an denjenigen abgetreten wird, von dessen Ansprüchen freigestellt werden muss, ändert sich zwar formal der Inhalt (s.o.), der Schuldner muss sich aber auf nichts Neues einstellen. Insoweit ist anerkannt, dass eine Abtretung nicht an § 399 Alt. 1 BGB scheitert, wenn an denjenigen abgetreten wird, von dessen Ansprüchen freizustellen ist.

Demnach liegt eine wirksame Abtretung der Ansprüche des M gegen K an U vor. Da diese Ansprüche jedoch nur in Höhe von 150,- € bestehen, bestand auch nur insoweit ein rechtlicher Grund dafür, auf den hinterlegten Betrag zuzugreifen.

2. Abwicklung zwischen Schuldner und Zessionar oder Zedent?

Fraglich ist allerdings, ob die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung tatsächlich im Verhältnis von K und U stattfinden würde.

a) Verlagerung von Liquiditätsrisiken

Wird ein (z.T.) nicht bestehender Anspruch abgetreten, auf den der vermeintliche Schuldner gleichwohl zahlt, liegt nach ständiger Rechtsprechung des BGH zwar eine Leistungskondiktion im Verhältnis zum Zessionar vor. Fraglich ist allerdings, ob die Rückabwicklung in dieser Beziehung für den Schuldner nicht unbillig wäre. Er würde das Liquiditätsrisiko einer Person zu tragen haben, mit welcher er in keiner rechtlichen Beziehung steht. Da ein Schuldner der Abtretung des gegen ihn gerichteten Anspruchs nicht zustimmen muss, dürfen sich für ihn keine Nachteile aus der Abtretung ergeben. Dies ergibt sich aus der gesetzgeberischen Wertung, welche den Schuldnerschutznormen der §§ 404 ff. BGB zugrunde liegen.

Anmerkung: Hier resultiert der abgetretene Anspruch nicht aus einem Vertrag, daher darf man vorliegend nicht damit argumentieren, K habe sich U ja gar nicht als „Vertragspartner" ausgesucht. Die vermeintliche Verbindlichkeit entstammt vielmehr einem gesetzlichen Schuldverhältnis. Aber auch hier würde eine Verschiebung der Liquiditätsrisiken stattfinden, was nach Ansicht des BGH grundsätzlich vermieden werden soll.

Dementsprechend hat der BGH für einen Fall, in dem die Rückzahlung überhöhter Abschleppkosten geltend gemacht wurde, entschieden, dass der Falschparker eine eventuelle Überbezahlung im Verhältnis zum Grundstückseigentümer geltend machen muss. Es besteht demgegenüber kein Ausgleichsanspruch gegenüber dem Abschleppunternehmer.

b) Besonderheit: Hinterlegungsverfahren

Fraglich ist, ob sich vorliegend etwas anderes daraus ergibt, dass nicht direkt an den Abschleppunternehmer gezahlt wurde, sondern der Betrag bei Gericht hinterlegt worden war.

Anmerkung: Der materiell-rechtliche Hintergrund dieser Hinterlegung ist § 273 III BGB, s.o. Die Hinterlegung bei Gericht stellt eine Sicherheitsleistung in diesem Sinne dar, welche dazu dient, das Zurückbehaltungsrecht des Schuldners abzuwenden, um so den eigenen Anspruch (hier: auf Herausgabe des Pkw) durchsetzbar zu machen. Im vorliegenden Fall hatte K gegen U zusätzlich auf Ersatz der ihm entstandenen Anwaltskosten geklagt, und sich insbesondere darauf gestützt, dass sich U mit der Herausgabe in Verzug befunden habe. Der BGH weist insoweit zu Recht darauf hin, dass -- unabhängig von der Höhe der geschuldeten Abschleppkosten -- bei Beauftragung des Anwalts noch kein Verzug bestand, denn U hatte ein Zurückbehaltungsrecht an dem Fahrzeug bis zum Zeitpunkt der Zahlung bzw. der Hinterlegung gem. § 273 III BGB.

Dieses Zurückbehaltungsrecht hatte U auch hinreichend geltend gemacht.6 Auch aus § 823 I BGB ergibt sich kein Ersatzanspruch bezüglich der Anwaltskosten, weil die berechtigte Zurückhaltung des Fahrzeugs keine Eigentumsverletzung darstellt.7

Unabhängig von der Problematik hinsichtlich der Liquiditätsrisiken schuldet M vorliegend die begehrte Rechtsfolge nicht, denn er ist nicht an dem Hinterlegungsverfahren beteiligt. Die begehrte Freigabe des hinterlegten Betrags kann nur derjenige gewähren, zu dessen Gunsten der Betrag hinterlegt worden ist. Das bestimmt sich nach dem Hinterlegungsantrag, welcher die möglicherweise empfangsberechtigte Person ausweist, Art. 11 II Nr. 1 BayHintG.8 Das ist vorliegend U, sodass sich die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung (ausnahmsweise(!)) im Verhältnis zum Zessionar vollzieht.

II. Endergebnis

K kann von U die Zustimmung zur Freigabe des hinterlegten Betrags verlangen, soweit dieser über 150,- € liegt.

D) Kommentar

(cda). Die Entscheidung des BGH überzeugt sowohl hinsichtlich des Ergebnisses als auch der Begründung. Der Fall ist deshalb „wie gemacht" für das Examen, weil er verschiedene examensrelevante Fragestellungen beinhaltet. Die bereicherungsrechtliche Abwicklung von Dreiecksbeziehungen ist ein Examensklassiker. Die Kombination mit den Abschleppfällen ermöglicht parallel das Abprüfen deliktischer Ansprüche bzw. deren Umfangs.

Interessant ist noch die Frage, wie sich der Fall im Verhältnis U zu M darstellt. Unabhängig von der Frage, in welchem Umfang Ersatz nach § 823 II BGB verlangt werden kann, hat sich M gegenüber U verpflichtet, 250,- € zu zahlen. Dieser Vertrag ist außerhalb der Grenzen des § 138 I BGB auch wirksam, sodass M in Höhe von 100,- € auf den Kosten sitzen bleibt. Im Rahmen des vertraglichen Anspruchs kommt es auch nicht darauf an, was erforderlich für die Beseitigung des Ziels „Entfernung des Pkw" war.

Zu denken wäre allenfalls an einen aufrechenbaren Gegenanspruch des M gegen U auf Schadensersatz. Sofern dem U bekannt sein musste, dass die von ihm veranschlagten Kosten nicht vollumfänglich ersatzfähig sind, läge eine vertragliche, von U zu vertretende Pflichtverletzung vor, wenn er M sodann eine Rechnung stellt, die nicht erstattungsfähige Kosten aufweist.

Vergleichbar ist dieser Fall insoweit mit den erhöhten Unfallersatztarifen, in denen der Unfallgeschädigte einen höheren Mietwagentarif wählt, als er im Verhältnis zum Unfallgegner ersetzt verlangen kann. Hier hatte der BGH in der Vergangenheit bereits eine Hinweispflicht des Vermieters dahingehend bejaht, dass günstigere Tarife vorhanden sind, sodass bei unterbliebenem Hinweis ein aufrechenbarer Gegenanspruch vorlag. Ob dies auf den vorliegenden Fall übertragbar ist, ist eher zweifelhaft, weil es nicht um zu hohe Kosten geht, sondern darum, dass manche beauftragte Maßnahmen nicht erstattungsfähig sind. Das fällt in den Risikobereich des Bestellers.

E) Zur Vertiefung

  • Bereicherungsrechtliche Dreiecksbeziehungen Hemmer/Wüst, Bereicherungsrecht, Rn. 158 ff.

F) Wiederholungsfragen

1. Warum findet im vorliegenden Fall die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung im Verhältnis des Schuldners zum Zessionar statt?

2. Warum sind Kosten der Parkraumüberwachung nicht ersatzfähig?


  1. BGH, Life & Law 2009, 511 ff.

  2. BGH, Life & Law 2012, 853 ff.

  3. BGH, Life & Law 2012, 853 ff. Es handelt sich insoweit um eine klassische Herausforderungssituation. Sofern für den Verletzten ein zumutbares milderes Mittel als das Abschleppen nicht zur Verfügung steht, ist das Abschleppen zurechenbar kausal. Im vorliegenden Fall geht es um die Frage, zu welchen „Konditionen" man sich herausgefordert fühlen darf.

  4. BGH, NJW 2009, 3713

  5. LG München I, DAR 2011, 333 ff.

  6. Der Grundsatz, dass allein das Bestehen einer Einrede den Verzug hindert, gilt bei § 273 I BGB gerade nicht, weil andernfalls dem Gläubiger die Möglichkeit genommen würde, das Zurückbehaltungsrecht gem. § 273 III BGB durch Sicherheitsleistung abzuwenden, um so den Verzug wiederum herbeizuführen, vgl. dazu Hemmer/Wüst, Schuldrecht AT, Rn. ?

  7. Zur Erstattungsfähigkeit außerprozessualer Anwaltskosten vgl. ausführlich den Background zur Entscheidung Nr. 3 in diesem Heft.

  8. OLG Hamm, NJW-RR 2000, 286 f.